Als ich gestern über Saving Mr. Banks schrieb, habe ich mir auch die Trivia über den Film durchgelesen, was manchmal ganz amüsant sein kann. So habe ich erfahren, dass Mrs. Travers im Film einmal Schiller zitiert, was allerdings nicht gerade bemerkenswert ist. Interessanter dagegen fand ich, dass Regisseur John Lee Hancock eine Mini-Rolle mit Leigh Anne Tuohy besetzt hat. Sie spielt die Frau, die in Disneyland um ein Autogramm bittet. Aber wer ist Leigh Anne Tuohy?
Die Antwort ist ganz einfach: Sie ist die Frau, über die der Regisseur zuvor einen Film gemacht hat…
The Blind Side
Michael Oher (Quinton Aaron) ist ein Riese von einem Jungen, schwarz, traumatisiert und gesellschaftlich benachteiligt. Aber er ist gut im Sport, weshalb er ein Stipendium für eine angesehene Highschool in einem wohlhabenden Viertel von Memphis bekommt. Weil er jedoch langsam und wortkarg ist und als dumm gilt, wird er schnell als Außenseiter abgestempelt. Bis die resolute Leigh Anne Tuohy (Sandra Bullock) ihn entdeckt und von der Straße in ihre Villa holt. Die Familie akzeptiert ihn schnell als neues Mitglied, und so steht Michaels Footballkarriere fast nichts mehr im Weg…
Würde das Ganze nicht auf einer wahren Geschichte basieren, man könnte den Film schnell als unrealistischen Sozialkitsch abtun. Dafür sind die Menschen hier alle viel zu gut, zu großzügig und warmherzig. So ergibt sich das leicht verzerrte Bild einer erzkonservativen (vermutlich Waffen liebenden und der Tea Party anhängenden) Oberschichtfamilie, die christliche Nächstenliebe wörtlich nimmt und sich eines obdachlosen Jungen annimmt.
Rassismus gibt es in dieser Welt zwar auch, aber er wird sofort vehement bekämpft, sobald er es wagt, sein hässliches Haupt zu erheben. Auch die traumatische Vergangenheit Michaels wird lediglich angedeutet und in zarten Rückblenden weichgespült. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit den aktuellen sozialen Problemen in den USA findet so also nicht statt. Aber kann man das von einem texanischen Autor und Regisseur erwarten, zu dessen Filmografie Alamo, der Traum, das Schicksal, die Legende zählt?
Unwillkürlich fragt man sich, ob die Familie Michael ebenfalls bei sich aufgenommen hätte, wenn er nicht so sanftmütig und freundlich gewesen wäre, sondern zu den wirklichen Problemfällen gehört hätte. Und man fragt sich, wo der Staat in seiner Rolle versagt hat, aber das sind sehr europäische Gedanken. Ebenso wie die Tatsache, dass die Tuohys ihre Millionen mit Fast-Food-Ketten verdient haben, in denen bestimmt nicht mehr als Mindestlöhne gezahlt werden und deren Angestellte vermutlich keine Krankenversicherung besitzen.
Was bleibt, ist ein sehr emotionales, solides Drama über das Gute im Menschen, über Mitgefühl und Nächstenliebe, toll gespielt und solide inszeniert. Das ist doch schon mal was.
Note: 3+