Als Kind habe ich einmal Mary Poppins gesehen, ihn aber nicht gemocht. Musicals sind nicht das richtige Genre für kleine Jungen, das ständige Singen und Herumhopsen erscheint ihnen lächerlich, außerdem verzögert es nur die Handlung. Kürzlich lief der Film erneut im Fernsehen, ich glaube, anlässlich des fünfzigsten Jubiläums, und ich spielte mit dem Gedanken, ihm eine zweite Chance zu geben, konnte mich dann aber doch nicht dazu überwinden. Stattdessen habe ich mir nun Saving Mr. Banks angesehen. Allerdings in erster Linie, weil mir der Trailer mit Emma Thompson und Tom Hanks gut gefallen hat…
Saving Mr. Banks
1961: P.L. Travers (Emma Thompson) ist die Autorin der berühmten Mary Poppins-Bücher und lebt in London. Seit zwanzig Jahren versucht Walt Disney (Tom Hanks) bereits, ihr die Filmrechte an der Figur und den Geschichten abzukaufen, aber bislang hat sie seinen Angeboten widerstanden, vor allem aus Angst, er würde ihre geliebte Gouvernante in eine schrille Zeichentrickfigur verwandeln, die in einem albernen Musical auftritt. Da sie jedoch pleite ist, fährt sie nach Los Angeles, um sich mit den Drehbuchautoren zu treffen, lässt aber keine Gelegenheit aus, ihrem Umfeld mitzuteilen, wie furchtbar sie alles findet. Doch die Reise wird auch zu einem Trip in ihre Vergangenheit, denn Mary Poppins und die Familie Banks, um die sie sich kümmert, haben reale Vorbilder…
Die Kinderbücher von P.L. Travers um das magische Kindermädchen waren in Deutschland nicht so erfolgreich wie in den angelsächsischen Ländern, weshalb nur die ersten vier hierzulande erschienen sind. Sollte das in anderen Staaten ähnlich sein, hängt damit wohl auch der eher geringe Erfolg des Films in der nicht-englischsprachigen Welt zusammen. Allerdings kann man Saving Mr. Banks durchaus verstehen, ohne auch nur von Mary Poppins gehört zu haben. Die vielen kleinen Anspielungen funktionieren jedoch besser, wenn man wenigstens ein wenig über den Film weiß.
In erster Linie geht es um Mrs. Travers und ihre Vergangenheit, insbesondere um den Verlust ihres Vaters, sehr einfühlsam gespielt von Colin Farrell. Der sehr fantasiebegabte, aber eher lebensuntüchtige Banker litt unter seinem lieblosen Beruf und verbrachte lieber Zeit mit seiner Tochter, der er aufregende Geschichten erzählte. Ihm hat Mrs. Travers in Mr. Banks ein literarisches Denkmal gesetzt, das sie nun durch Walt Disney bedroht sieht. Wie die beiden um die Umsetzung des Buches streiten und die Autorin den weltberühmten Produzenten mit den absurdesten Bedingungen drangsaliert, ist absolut hinreißend gespielt. Es ist wie das Werben um eine widerspenstige Braut, die ihrem Galan eine Menge abverlangt, ihm aber stets die kalte Schulter zeigt. Auch wenn es natürlich keine Liebesgeschichte ist, sind Hanks und Thompson eines der aufregendsten Leinwandpaare seit langem. Die vielen bekannten Nebendarsteller (darunter Paul Giamatti, Jason Schwartzman oder Kathy Baker) haben dagegen kaum eine Chance, ihren Figuren Kontur zu verleihen.
Emma Thompson agiert vielleicht ein wenig zu arrogant und herablassend und Tom Hanks dafür zu jovial, um authentisch zu wirken (wobei die Originaltonbänder der Drehbuchbesprechungen während des Abspanns durchaus belegen, wie biestig P.L. Travers sein konnte), aber das fällt ebenso nicht weiter ins Gewicht wie die Geschichtsklitterung, die man mit Walt Disney betreibt. Als ein Beispiel sei der Streit zwischen Hanks und den Produzenten genannt, weil er Disney als Raucher darstellen wollte, was aber streng abgelehnt wurde, obwohl der Filmtycoon an Lungenkrebs starb und zwei Schachteln am Tag geraucht haben soll.
Der Film ist ein Denkmal, für Disney selbst, aber mehr noch für einen Film, den seine Zuschauer damals unendlich geliebt haben. Darüber hinaus ist erzählt er eine warmherzige und innige Vater-Tochter-Beziehung, die voller Magie und Sentimentalität, aber gänzlich frei von Kitsch ist. Nur Mary Poppins spielt eigentlich keine Rolle…
Note: 2