Manchmal ist die Welt irgendwie grau und unausstehlich. Das kann viele Gründe haben, manchmal ärgert man sich über einen Mitmenschen, bekommt ein Ticket fürs Falschparken, eine schlechte Nachricht oder ist einfach nur mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden. So etwas kommt vor, und deshalb braucht man etwas, das die Laune wieder anhebt, etwas Kuscheliges zum Wohlfühlen. Futter für die Seele. Einige Leute schwören auf Schokolade oder ein heißes Bad, gute Musik oder ihr Lieblingsessen. Bei mir sind es manche Filme, die diese beruhigende Wirkung haben.
Nach einer anstrengenden, arbeitsreichen Woche hatte ich vergangenen Samstag Lust, die Seele baumeln zu lassen und mich in einem netten, alten Film zu verlieren, den ich früher gerne gesehen habe und den erneut anzuschauen wie das Treffen mit einem guten Bekannten ist. Es gibt ein paar solcher Filme, die wie ein vertrauter Ort aus der Kindheit sind, an den man, wenn man Kummer hat, zurückkehren und für eine Weile Zuflucht vor dem Alltag suchen kann.
Die Herberge zur sechsten Glückseligkeit
Gladys Aylward (Ingrid Bergman) fühlt sich zur Missionarin in China berufen, doch die Mission, bei der sie sich bewirbt, hält sie für nicht ausreichend genug qualifiziert, weil sie nur ein einfaches Hausmädchen ist. Überzeugt, dass ihr Schicksal im Reich der Mitte liegt, fährt Gladys Ende der Zwanziger Jahre schließlich auf eigene Faust los und findet dank der Beziehungen ihres ehemaligen Arbeitsgebers eine Stelle bei der Missionarin Jeannie Lawson (Athene Seyler), die eine Herberge in einer abgelegenen Provinz leitet. Doch Jeannie stirbt bald unerwartet, und Gladys muss sich auf eigene Faust durchschlagen. Sie lernt Chinesisch, behauptet sich gegen dominante Männer und einen verschlagenen Mandarin (Robert Donat) und wird dank ihrer Güte und Mitmenschlichkeit bald von allen Menschen respektiert. In Captain Lin (Curd Jürgens) findet sie sogar ihre große Liebe. Doch dann fallen die Japaner in China ein…
Wer bei dem Wort Missionarin zurückgeschreckt ist, sei beruhigt: Der Film handelt nicht von einer bibelschwingenden Fanatikerin und auch nur sekundär vom christlichen Glauben. In erster Linie geht es um eine willensstarke Frau, die ein klares Ziel verfolgt und sich gegen Widerstände jeder Art behauptet, sei es, dass sie als Fußinspektorin gegen das Abbinden von Mädchenfüßen einschreitet, eine Gefängnisrevolte auflöst oder hundert Waisenkinder aus einem Kriegsgebiet in Sicherheit bringt. Es ist, im besten Sinne, ein cheerie movie.
Und wer nun einwendet, dass diese Heldin viel zu gut und stark ist, um glaubwürdig zu sein, sollte wissen, dass Gladys Aylward eine reale Person ist. Sie wirkte als Missionarin in China, Tibet und Taiwan, und Alan Burgess machte aus ihren Berichten und Vorträgen einen Roman, der als Grundlage für den Film diente. Mit dem Film selbst war Gladys allerdings nicht sehr zufrieden, da er zum Teil stark von den dargestellten realen Ereignissen abwich, vor allem störte sie sich jedoch an der Liebesgeschichte und bestand darauf, in ihrem ganzen Leben noch nie einen Mann geküsst zu haben…
Interessanterweise wurde der Film komplett in Großbritannien gedreht, wobei die walisischen Berge für die Außenaufnahmen herhalten mussten. Der Aufwand, der dabei betrieben wurde, ist bemerkenswert, und vermutlich mussten sämtliche Chinesen Englands als Komparsen herhalten…
Mitunter merkt man dem Film sein Alter an (er entstand 1958), vieles ist langatmig erzählt, und in der Mitte schleicht sich deshalb auch die eine oder andere Länge ein, was bei einem zweieinhalb Stunden-Film aber auch nicht ungewöhnlich ist. Er lebt vor allem von seiner durch und durch liebenswerten Hauptfigur, die durch ein tolles Ensemble ergänzt wurde: Sei es der durchtriebene Mandarin, der ulkige Koch oder die resolute Missionarin, sie alle besitzen etwas Unverwechselbares.
Sicherlich, die Haltung der Heldin ist bisweilen ungeheuer naiv, und manche Szenen enthalten auch eine gehörige Portion Kitsch. Und ob es der echten Gladys wirklich gelungen ist, sogar skrupellose Kriminelle um den Finger zu wickeln, sei mal dahingestellt. Es ist kein perfekter Film, aber er erzählt eine wunderschöne Geschichte über persönlichen Mut, Opferbereitschaft und Willensstärke, auch wenn er dabei seine Hauptfigur zu sehr idealisiert. Das Ende ist jedoch Gänsehaut pur und treibt mir jedes Mal die Tränen in die Augen. (Außerdem habe ich danach immer einen Ohrwurm…)
Note: 2
So viel zu einem meiner persönlichen Wohlfühlfilme. Falls Ihr auch einen habt, postet es gerne im Forum…