Im dritten und letzten Teil meines Jahresrückblicks beschäftige ich mich mit dem deutschen Film. Immerhin hat es mit Sein letztes Rennen eine deutsche Produktion in meine Top Ten geschafft, und zählt man Das hält kein Jahr…! und Rush dazu, die beides Co-Produktionen waren, sind es sogar drei Filme.
Alles top also? Wohl kaum. Es gärt in der Branche, und 2013 verging kaum ein Monat, in dem nicht irgendein Filmschaffender sich medial wirksam über das System beschwert hat. Sogar Edgar Reitz hat zuletzt in einem Interview die Abschaffung der Filmförderung gefordert. Und dann gab es noch die Klage zur Verfassungskonformität der Filmabgabe. Die Stimmen, die eine Reform fordern, wurden lauter, aber ändert sich nun etwas? Nein, wohl kaum. Denn diejenigen, die etwas ändern könnten, nehmen die Krise des deutschen Films nicht wahr oder wollen sie nicht sehen. So kann man wohl davon ausgehen, dass 2014 alles beim Alten bleibt.
Natürlich entstehen auch in diesem System mit all seinen Mängeln gelegentlich gute Filme, die man loben und ansehen kann. Sein letztes Rennen war ein solcher Film – nur brauchte er angeblich elf Jahre von der Idee bis zur Fertigstellung. Wahrscheinlich wird am Ende sogar Stuttgart 21 in kürzerer Zeit und mit weniger Widerstand fertig gestellt werden. Da fragt man sich doch: Was ist das für ein System, dem man solche Filme buchstäblich abtrotzen muss und das noch viele weitere, womöglich bessere Produktionen verhindert?
Ende Januar erging das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Frage, ob das Fördersystem bzw. die Filmabgabe verfassungskonform sei oder nicht. Das Gericht hat zu Recht die Verfassungskonformität bestätigt und damit ein richtiges Urteil zu einer falschen Klage gefällt. Falsch war die Klage, weil sie sich das falsche Ziel gesucht hat. Damit hat sich die UCI in die Ecke der Verweigerer gestellt, obwohl es natürlich auch im Interesse dieser wie aller anderen großen und kleinen Kinobetreiber ist, dass es gute, deutsche Filme gibt, die viele Zuschauer anlocken. Das eigentliche Problem ist jedoch, was und wie gefördert wird, aber das wurde von der Klage nicht tangiert.
Im Gesetz über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films von 1967 heißt es: Die FFA hat die Aufgabe, „die Qualität des deutschen Films … zu steigern“. Vielleicht hätte es mehr Sinn gemacht, dagegen zu klagen, wenn es denn eine Möglichkeit gäbe, diesen Mangel an Qualität genau festzumachen. Legt man einen wie auch immer definierten künstlerischen Aspekt zugrunde? Die Anzahl der Einladungen zu Festivals? Oder die Menge der Auszeichnungen? Die Besucherzahlen?
Nach dem Urteil hieß es, dass nun die Vielfalt und Kreativität des deutschen Films garantiert wäre. Welche Vielfalt? Die Vielzahl trifft es meiner Meinung nach besser, denn es werden nach wie vor über zweihundert Filme auf den Markt geworfen, von denen das Publikum die überwiegende Mehrzahl links liegen lässt. Und eine Genre-Vielfalt kann bei den immergleichen Dramen, Kinderfilmen und Komödien auch nicht gemeint sein.
So gibt es auf allen Seiten nur Unzufriedenheit: Der künstlerische Film beklagt, dass zu viel Geld an Produktionen fließt, die so erfolgreich sind, dass sie auch ohne Förderung hergestellt werden könnten. Der Dokumentarfilm meckert, dass für seine Sparte zu wenig Geld da ist. Und die Filmschaffenden allgemein sind unzufrieden, weil sie nicht die Filme machen können, die sie machen wollen, sondern die, von denen sie glauben, dass sie am ehesten gefördert werden. Das Problem ist so komplex wie der Gordische Knoten, und es bräuchte vielleicht eines Alexanders, um es zu lösen.
Fest steht, dass der deutsche Film einen verdammt schlechten Ruf bei seinem ureigenen Publikum hat. Er hat ein Imageproblem, was wohl auch mit dem Mangel an Vielfalt zu tun hat. Immer mehr Filme auf den Markt zu werfen, die sich keinen Deut von den vorherigen Produktionen unterscheiden, ändert daran wenig.
Jedes Mal, wenn Mark G., Meister Mim und ich einen ausländischen Film sehen, der ein bisschen origineller ist, Alles eine Frage der Zeit etwa, fragen wir uns hinterher, ob so ein Film hierzulande machbar wäre und ob er im Fördersystem eine Chance gehabt hätte. In den allermeisten Fällen stellen wir fest, dass keiner der Filme hierzulande gedreht worden wäre, selbst wenn es vom Budget möglich gewesen wäre.
Das größte Unglück des deutschen Films ist seine Abhängigkeit vom Fernsehen. Man stelle sich vor, die deutschen Autohersteller würden bestimmen, wie teuer Bahntickets sind und wie oft die Züge fahren, oder die Butter-Produzenten entscheiden über Qualität und Vielfalt der Margarinesorten in den Supermärkten. Absurd, oder? Aber ohne eine Senderbeteiligung entsteht hierzulande kein größerer Kinofilm.
Da ist es auch kein Trost, dass das deutsche Fernsehen noch einen viel schlechteren Ruf hat. Hinzu kommen massive Umbrüche in der Branche. Die Co-Produktionen gehen immer weiter zurück, und die Öffentlich-Rechtlichen haben ihren Einkauf von ausländischen Filmen massiv reduziert – sehr zum Leidwesen der Rechtehändler. Die Krise des Fernsehens wird in Zukunft also die Krise des deutschen Films verschärfen, aber wie schlimm muss es erst werden, bevor man über Reformen nachdenkt?
Ohne ein Prophet zu sein, glaube ich, dass sich auch 2014 nichts grundlegend ändern wird. Schließlich können die Förderer, Wahrer und Nutznießer des Systems darauf hinweisen, dass es einen soliden deutschen Marktanteil gibt und der deutsche Film international Anerkennung erfährt. So war für mich das größte Unglück des vergangenen Jahres die Würdigung der Berliner Schule durch das Moma, denn nun kann man nicht einmal mehr sagen, wie beknackt man diese Filme findet, ohne gleich die Moma-Keule ins Gesicht zu kriegen.
Die Krise ist da, sie existiert schon lange, vermutlich seit den Dreißigern, aber wer zählt schon die Jahre? Vielleicht bedarf es einfach eines anderen persönlichen Umgangs mit ihr? Dieses Jahr werde ich also die Krise umarmen und nicht ändern wollen, was nicht zu ändern ist, denn das bringt nichts als Ärger und Magengeschwüre mit sich. Alles Zen also. Tief einatmen und ausatmen und nur keine negativen Gedanken zulassen. Einfach an etwas anderes denken. 2014 wird das Jahr des Straußes.