The Sound of Music

Es wurde Zeit, diesen Film zu sehen. Viele Jahre, eher Jahrzehnte, habe ich es aufgeschoben, ihn anzuschauen, obwohl er einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten ist und zu den großen Klassikern gehört, die man gesehen haben sollte. Die Gründe für den Aufschub sind simpel: Als Kind oder Teenager habe ich einmal das Original, Die Trapp-Familie, und sogar die Fortsetzung, Die Trapp-Familie in Amerika, gesehen und war daher mit der Geschichte vertraut. Zudem handelt es sich dabei auch noch um ein Musical, ein Genre, das bei mir keine allzu große Begeisterung auslöst, und mit drei Stunden Laufzeit ist es schlussendlich eine abendfüllende Verpflichtung.

Ich habe den amerikanischen Titel als Überschrift gewählt, weil er viel bekannter ist als der deutsche Meine Lieder – meine Träume. Das liegt daran, dass das Werk zwar in den USA lange Zeit der erfolgreichste Film aller Zeiten war und es in einigen Ländern auch heute noch ist, bei uns aber ein riesiger Flop war. Mark G. hat einen sehr lesenswerten Artikel darüber geschrieben, aber vermutlich kann man sich die Gründe dafür auch so denken.

Bei uns hat der Film übrigens einen anderen Titel: Surf & Merv. Der Grund dafür ist ein bisschen peinlich: Vor langer, wirklich sehr langer Zeit habe ich den Film auf VHS aufgenommen, die Kassette beschriftet und für eine spätere Sichtung weggestellt. Irgendwann bin ich wieder auf sie gestoßen, konnte aber meine Schrift nicht entziffern und las statt Sound of Music Surf & Merv. Kann ja mal passieren.

The Sound of Music / Meine Lieder – meine Träume / Surf & Merv

Die Novizin Maria (Julie Andrews) liebt Musik und die Berge in der Umgebung von Salzburg, hat aber Schwierigkeiten, sich an die strenge Disziplin des Klosters zu gewöhnen. Deshalb schickt die Äbtissin (Peggy Wood) sie zu Kapitän von Trapp (Christopher Plummer), dessen sieben Kinder eine neue Gouvernante brauchen. Schnell erobert Maria das Herz der Kinder, aber langsam auch des strengen Kapitäns, der jedoch bereits mit einer eleganten Baroness (Eleanor Parker) liiert ist.

Aus heutiger Sicht ist die Geschichte so dünn wie Strudelteig und so süß wie Salzburger Nockerl. Aus damaliger Sicht vermutlich auch. Aber der Mangel an Substanz oder die Vorhersehbarkeit der Ereignisse sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass man es hier mit einem Schwergewicht zu tun hat. Der Film hat einen Nerv getroffen, handelt er doch von bedingungsloser Liebe, Patriotismus, der Liebe zur Musik und der Natur sowie von politischem Widerstand und Zivilcourage.

Seltsamerweise wurde bei der deutschen Version von The Sound of Music das Thema Nationalsozialismus herausgeschnitten, obwohl es im Original, Die Trapp-Familie, eine bedeutende Rolle spielt. Der Film war dadurch um einiges kürzer und gefälliger, fiel aber dennoch durch. Dabei ist die Geschichte der Familie Trapp ohne ihren Widerstand gegen das NS-Regime gar nicht denkbar.

Der reale Georg Ludwig von Trapp (der kein Baron war und nach 1919 auch kein Adeliger mehr) war ein ehemaliger Korvetten- und U-Boot-Kapitän und ein Witwer mit sieben Kindern, als die Novizin Maria 1925 als Lehrerin der ältesten Tochter in den Haushalt kam. Zwei Jahre später heirateten sie, bekamen gemeinsame Kinder und gründeten zehn Jahre später einen Kammerchor, nachdem die Familie ihr Geld durch den Zusammenbruch einer Bank verloren hatte. 1938 setzte die Familie sich auf einer Konzertreise durch Italien in die USA ab, weil der monarchistische Vater kein Teil der NS-Marine werden wollte. Mit über zweitausend Konzerten auf der ganzen Welt wurde der Chor überaus erfolgreich und 1956 schließlich aufgelöst. Georg Ludwig war da bereits seit neun Jahren tot.

Die Trapp-Familie nimmt sich zwar einige Freiheiten, orientiert sich aber grundsätzlich an den historischen Tatsachen und lässt die Geschichte auf Ellis-Island enden, wo die Familie um ein Haar abgewiesen wird. Natürlich erweist sich hier die Musik als Rettung in der Not. Die Hollywood-Version ist wesentlich publikumswirksamer und ungenauer und besonders für eine US-Zuschauerschaft zugeschnitten. Geld spielt hier beispielsweise überhaupt keine Rolle, sondern ist im Übermaß vorhanden, und im Mittelpunkt stehen vor allem die amourösen Verwicklungen sowie die Liebe zur Musik. In beiden Versionen ist der Vater zu Beginn ein strenger Patriarch, der seine Kinder wie Soldaten drillt, was jedoch im krassen Gegensatz zum wahren Charakter von Trapps stand. Dramaturgisch macht die Zähmung des strengen Witwers natürlich mehr Sinn.

Der unübersehbaren Vorteil, den ein Film gegenüber einem Bühnenmusical hat, ist die Bildsprache. Und Regisseur Robert Wise sowie sein Kameramann Ted D. McCord machen reichlich Gebrauch davon. Schon der Beginn, eine lange Montage mit Luftaufnahmen der Alpen, ist eine wahre Augenweide, und selbst die Szenen, die im Studio gedreht wurden, beeindrucken durch ihr exquisites Spiel mit Licht und Schatten. Leider unterlag McCord im Oscarrennen Freddie Young, der den Preis für Doktor Schiwago erhielt. Narzissen machen wohl mehr her als Edelweiß.

Neben einem Oscar für den Besten Film, Regie, Schnitt und Ton gab es natürlich auch einen für die beste Musik. Schon die erste Szene, in der Julie Andrews The Sound of Music schmettert, gehört zu den berühmtesten der Filmgeschichte, und der Song steht auf Platz 10 der besten Filmsongs aller Zeiten. Darüber hinaus ist es aber überraschend, wie viele weitere Lieder man aus dem Musical von Richard Rogers und Oscar Hammerstein kennt. Neben My Favorite Things (in dem uns Schnitzel mit Nudeln serviert werden) hat man sicherlich auch schon mal Sixteen Going on Seventeen gehört – oder natürlich Edelweiß. Und eine weitere Überraschung ist, dass alle Songs Reprisen haben, also im Verlauf der Handlung ein weiteres Mal eingesetzt werden.

Aus heutiger Sicht wirkt natürlich einiges etwas altbacken, und auch das Tempo könnte etwas flotter sein. Das Ende ist ebenfalls übertrieben dramatisch, was aber der Spannung keinen Abbruch tut. Die Figuren sind solide gezeichnet, ihre Psychologie durchweg überzeugend – abgesehen von der viel zu schnellen Wandlung des strengen Vaters, der keine Musik im Haushalt duldet, bis Maria seine Sprösslinge einmal singen lässt. Und ebenfalls überraschend ist, wie viel Humor der Film hat.

The Sound of Music oder Meine Lieder – meine Träume sollte jeder einmal gesehen haben, und sei es nur, um bei Gesprächen über die erfolgreichsten Filme aller Zeiten mitreden zu können. Unabhängig davon ist es aber auch, trotz der Länge und der altmodischen Machart, ein durchweg schöner Film.

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.