Letzten Herbst habe ich auf Wow Mary & George gesehen, ein etwas krudes und leider sehr langweiliges Historiendrama über George Villiers, Günstling und Liebhaber von King James, und seine Mutter Mary. Jedenfalls passte es ganz gut, im Anschluss die beiden Musketier-Filme anzuschauen, in denen Villiers ebenfalls auftaucht. Wenn man schon mal in dieser Epoche ist.
Genau wie die Serie sind auch die beiden jüngsten Adaptionen eher zähe Kost. An den Kinokassen fielen sie in Deutschland komplett durch, zumindest der erste Teil, während der zweite erst gar nicht gestartet wurde. Das liegt vielleicht daran, dass es gefühlt alle fünf Jahre eine neue Version davon gibt und man die Geschichte einfach nicht mehr sehen will. Ich wollte sie eigentlich auch nicht sehen, aber wie gesagt, der Kontext passte und mir war mal wieder nach einem Historienabenteuer. Als Genre-Fan muss man ja nehmen, was man kriegen kann.

Die drei Musketiere: D’Artagnan
Auf dem Weg nach Paris wird der junge D’Artagnan (François Civil) Zeuge eines Überfalls auf eine Frau, der er sofort zu Hilfe eilt und dafür von der Anführerin der Männer, der geheimnisvollen Milady (Eva Green), niedergeschossen wird. In Paris bewirbt D’Artagnan sich als Musketier und trifft unvermittelt auf einen der Männer, die den Überfall verübt haben. Er verfolgt ihn und gerät dabei mit drei Musketieren aneinander, die ihn prompt zu einem streng verbotenen Duell fordern. Als sie von den Männern des Kardinals Richelieu (Éric Ruf) deshalb verhaftet werden sollen, kämpfen sie sich gemeinsam den Weg frei. Zusammen mit seinen neuen Freunden Arthos (Vincent Cassel), Porthos (Pio Marmaï) und Aramis (Romain Duris) macht D’Artagnan sich daran, die rätselhafte Frau und ihren Begleiter ausfindig zu machen, und stößt dabei auf eine politische Intrige, die den Frieden im Königreich zu gefährden droht.
Kürzlich habe ich einen Artikel über Jonas Hanway gelesen, einen Londoner Geschäftsmann und Philanthropen, der wegen seiner exzentrischen und „unmännlichen“ Aufmachung regelmäßig verprügelt wurde. Was war sein Vergehen? Er benutzte einen Regenschirm. Erst einige Jahre (und vermutlich etliche zerstörte Regenschirme) später setzte sich diese neumodische Erfindung durch, das war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Umso überraschender war es, einen modernen Regenschirm gleich in der zweiten Szene des Films zu entdecken, der 1627 spielt. Nur eine Kleinigkeit, über die die meisten Zuschauer vermutlich hinwegsehen, aber dennoch störend.
Natürlich ist dies nicht die einzige Freiheit, die sich der Film nimmt. Es gibt Abweichungen von der Romanvorlage, die bei einem so dicken, alten und komplexen Werk unausweichlich und insgesamt durchaus gelungen sind. Es gibt auch verschiedene Modernisierungen, vor allem im Umgang mit den weiblichen Figuren, die einerseits aktiver sind, andererseits besser von den Männern behandelt werden. Und Porthos ist nun bisexuell, was überhaupt keine Rolle spielt, wenig Sinn ergibt und wohl beweisen soll, dass man auch Dumas heutzutage auf divers trimmen kann.
Alles in allem kann man von dem Film sagen: Es hätte schlimmer werden können. Für Civil wurde mit der Rolle des D’Artagnan ein Kindheitstraum wahr, und er spielt den Draufgänger so forsch und leidenschaftlich, wie man es sich nur wünschen kann. Verglichen damit sind die drei Musketiere geradezu hüftlahm und altersmüde. Warum das Werk überhaupt Die drei Musketiere heißt, wenn es doch vier sind, habe ich schon als Kind nicht verstanden. Okay, D’Artagnan ist zu Beginn nur Kadett, aber das ist eine Formalität. Vielleicht konnte Dumas auch nicht richtig zählen.
Die Drehbuchautoren Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte geben sich große Mühe, die bekannte und verwickelte Geschichte so simpel und nachvollziehbar wie möglich zu erzählen. Der politisch-religiöse Hintergrund wird beispielsweise über Texttafeln zu Beginn etabliert, so dass man weiß, dass sich der katholische Adel und protestantische Rebellen sowie die königstreue Garde der Musketiere und der machthungrige Kardinal Richelieu als unversöhnliche Gegner gegenüberstehen. Die Kabalen, Abenteuer und Intrigen ergeben sich aus dieser Konstellation und drehen sich vor allem um die Königin (Vicky Krieps) und ihren Verehrer George Villiers, den Herzog von Buckingham (Jacob Fortune-Lloyd). Alles wird effektiv und nachvollziehbar erzählt, manche Verbindungen wirken zwar überkonstruiert und unglaubwürdig, entsprechen aber der Vorlage und den literarischen Gepflogenheiten des 19. Jahrhunderts.
Auch die Regie von Martin Bourboulon macht vieles richtig. Das Tempo ist flott, die Actionszenen dynamisch, wenn auch gelegentlich etwas unübersichtlich, und die Inszenierung stellenweise sogar mutig. Auf jede gelungene Szene kommen aber zwei bis drei, die lediglich konventionell bis einfallslos sind. Oft genug hat man leider das Gefühl, als würden lediglich die bekannten Stationen abgeklappert, um möglichst schnell mit der Story voranzukommen. Es fehlt die Leidenschaft, die Inspiration, das Besondere.
Wenn man schon eine Geschichte verfilmt, die bereits Dutzende Male das Licht der Leinwand erblickt hat, braucht es schon mehr als nur brave Konvention und eine zugeben hübsche Ausstattung. Hier und da wird zwar versucht, den Figuren etwas Tiefe zu verleihen, aber alles wirkt etwas zu bemüht und angestrengt, und letzten Endes will der Funke einfach nicht überspringen. Vielleicht liegt es daran, dass die Story so ausgelutscht und zu Tode erzählt ist, dass man ihr einfach nichts Neues mehr abgewinnen kann.
Immerhin ist das Abenteuer um die Halskette der Königin auserzählt, auch wenn der Film mit einem Cliffhanger endet und so den zweiten Teil vorbereitet. Hoffen wir, dass er besser ist.
Note: 3-