Als der Film 2023 in Cannes der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, ging es in den Berichten weniger um seine Qualität, sondern vielmehr um die Besetzung von Johnny Depp als Ludwig XV., die erste Rolle seit seinem Verleumdungsprozess und den Querelen mit seiner Ex-Frau. Einerseits ist es ein bisschen unfair, dass der Film vor allem deshalb bekannt wurde, andererseits ist jede PR gute PR.
Im Kino habe ich ihn leider verpasst, aber seit einiger Zeit ist er im Programm von Amazon Prime zu finden, und an einem kalten Januarabend war so ein üppiger Kostümfilm genau das Richtige für mich.

Jeanne du Barry
Jeanne (in späteren Jahren: Maïwenn) ist die Tochter einer Dienstmagd und eines Mönches und damit zu Armut verdammt. Doch weil sie hübsch und klug ist, wird sie vom Dienstherrn ihrer Mutter unterrichtet und später zur Erziehung in ein Kloster geschickt. Als Erwachsene zieht sie nach Paris, um als Lebensgefährtin des Grafen du Barry (Melvil Poupaud) zu einer begehrten Kurtisane aufzusteigen. Der Herzog von Richelieu (Pierre Richard) findet Gefallen an der jungen Frau und stellt sie König Ludwig XV. (Johnny Depp) vor, der sie schließlich zu seiner Favoritin macht. Doch der intrigante Hofadel ist gegen die unverstellte und unkonventionelle junge Frau aus einfachen Verhältnissen und macht ihr das Leben schwer.
Zwischen 1915 und 1954 wurde das Leben der du Barry sieben Mal verfilmt, deshalb ist es ein wenig überraschend, dass fast siebzig Jahre vergehen mussten, bevor sich wieder jemand des Stoffes annahm. Für die Regisseurin und Hauptdarstellerin Maïwenn, die auch zusammen mit Teddy Lussi-Modeste und Nicolas Livecchi das Drehbuch schrieb, scheint das Bio-Pic eine Herzensangelegenheit gewesen zu sein. Man kann ihre Begeisterung in jeder Szene spüren, insbesondere in ihrem leidenschaftlichen Spiel. Manche Kritiker sagen, dass ihr Interesse aus ihrer persönlichen Geschichte herrührt, war sie doch bereits als Fünfzehnjährige mit dem doppelt so alten Luc Besson liiert, den sie später auch heiratete. Inwieweit sie sich selbst in der Rolle der du Barry wiedererkennt, kann sie wohl nur selbst beurteilen, man kann aber davon ausgehen, dass das Interesse tiefer geht – ist die Mätresse Ludwigs XV. an sich eine faszinierende Person.
Das Bio-Pic konzentriert sich vor allem auf die Beziehung zwischen der jungen Frau und dem Monarchen, der vierunddreißig Jahre älter ist als sie. Maïwenn ist streng genommen viel zu alt, um noch als Mittzwanzigerin durchzugehen, verleiht durch diese veränderte Konstellation der Liebesbeziehung aber mehr Gewicht und Glaubwürdigkeit. Jeanne und Ludwig wirken mit der Zeit sogar wie ein alterndes Ehepaar, und das ist schön mit anzusehen, obwohl Johnny Depp in seiner Rolle etwas ungelenk wirkt (was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass er Französisch sprechen musste). Da fällt es auch nicht so sehr ins Gewicht, dass die Autoren sich einige Freiheiten genommen haben.
Ein unsichtbarer Erzähler kommentiert das Geschehen aus dem OFF, was eine dramaturgische Krücke ist, die kein Film benötigen sollte, doch ohne diese Erklärungen wäre man als Zuschauer weitgehend verloren und hätte viele der vermeintlichen Skandale nicht verstanden. Auf diese Weise erfährt man immerhin einiges über die Sitten und Gebräuche bei Hofe und warum Jeanne du Barry so häufig gegen sie verstößt. Wirklich elegant ist das nicht, aber praktikabel.
Defizite gibt es auch bei der Figurenzeichnung, die insgesamt etwas oberflächlich ausfällt. Jeanne und den König lernt man gut kennen, ihre Gegenspieler und viele Nebenfiguren bleiben jedoch eher blass. Die einzige Ausnahme ist Jeannes Freundschaft zum Kammerdiener des Königs (Benjamin Lavernhe), die ein wenig mehr Substanz erhält, aber ebenfalls recht oberflächlich bleibt. All das ist schade, weil man wesentlich mehr Emotionen aus der Geschichte hätte herausholen können, wenn die Autoren sich mehr Mühe mit den Figuren gegeben hätten. Vor allem die Rivalität zwischen Jeanne und der jungen Marie-Antoinette, die von intriganten Höflingen gegeneinander aufgehetzt wurden, hätte sicherlich davon profitiert.
So mäandert der Film über weite Strecken dahin, streift Skandale und zitiert Anekdoten, bekommt aber insgesamt zu wenig Tiefe und verliert immer wieder seinen Fokus. Man weiß nicht, was Maïwenn eigentlich erzählen will. Das ändert sich erst im letzten Akt, wenn sich alles auf ihre Beziehung zum König konzentriert, die von einer tödlichen Krankheit bedroht wird. Das Ende ist anrührend und sehr gelungen.
Insgesamt ist Jeanne du Barry ein sehr solides, unterhaltsames und zumindest am Schluss berührendes Kostümdrama, von dem man sich mehr Tiefe und sicherlich auch mehr Dramatik gewünscht hätte. Für Fans des Genres ist es jedoch ein Schmankerl.
Note: 3+