Better Man – Die Robbie Williams Story

Boybands waren die musikalische Pest der Neunzigerjahre und der Hauptgrund, warum ich aufgehört habe, Chart-Musik zu hören. Und immer, wenn man damals dachte, der Zenit dieses fürchterlichen Phänomens sei endlich erreicht worden, wurde eine neue Retortenband auf den Markt geworfen. Für mich klangen sie alle gleich. Vermutlich bekommen die Fans von Boygroups wie Take That, NSYNC, Backstreet Boys oder Caught In The Act gerade kollektiv Schnappatmung, daher kann ich zur Beruhigung sagen: Grunge war noch schlimmer.

Da ich in dieser Zeit nicht unter einem Stein gelebt habe, habe ich selbstverständlich mitbekommen, dass Robbie Williams sich irgendwann von Take That getrennt hat, um eine Solo-Karriere zu starten. Das war mir ziemlich egal, und auch seine eigenen Songs konnten mich musikalisch nicht so recht überzeugen, obwohl manche ganz okay waren. Interessant wurde er für mich erst mit seiner Swing-Phase. Ein, zwei Songs daraus stehen immer noch auf meiner Playlist.

Als das Bio-Pic Better Man angekündigt wurde, war mein erster Gedanke: Warum? Der Mann ist noch nicht alt, macht vermutlich immer noch Musik, auch wenn ich von keinem neuen Song wüsste, und so spektakulär war sein Leben auch nicht. Auch die Idee, ihn durch einen Schimpansen zu ersetzen, fand ich zunächst ziemlich Banane. Aber der Trailer sah nicht schlecht aus, und eine zusätzlich veröffentliche Musicalnummer hat schließlich den Ausschlag gegeben, mir den Film im Kino anzuschauen.

Better Man – Die Robbie Williams Story

Schon als kleiner Junge will Robert (Asmara Feik) unbedingt berühmt werden, doch die Voraussetzungen sind denkbar schlecht: Aufgewachsen im verarmten Norden Englands hat er nur wenige Chancen auf Erfolg im Leben. Sein Vater (Steve Pemberton), ein Polizist, verlässt die Familie, um sich als Entertainer auf Kleinbühnen durchzuschlagen, und hinterlässt seinem Sohn nur das Unterhaltungstalent und ein Faible für Crooner. Liebe erfährt Robert vor allem von seiner Mutter (Kate Mulvany) und seiner Großmutter(Alison Steadman), doch alles ändert sich schlagartig, als Nigel Martin Smith (Damon Herriman) ihn für eine Boyband namens Take That castet.

Der Affe ist gewöhnungsbedürftig und wirkt vor allem am Anfang wie ein bizarrer Fremdkörper. Aber dank der modernen Technik wirkt er auch so lebensecht, dass man sehr schnell vergisst, dass seine Erscheinung nicht real ist. Charakterlich passt der Affe perfekt zu Robbie Williams‘ überdrehte, quecksilbrige Art, und die Idee entstand, als er sich gegenüber dem Regisseur Michael Gracey als „performenden Affen“ beschrieben hat. Dieser Einfall ist vermutlich noch das Originellste am ganzen Film.

Better Man ist ein klassisches Bio-Pic, das brav chronologisch die Stationen im Leben des Stars abklappert. Beeindruckend ist vor allem die Jugend, die schwierige Beziehung zum Vater, den der Junge bewundert, den er unbedingt beeindrucken will, von dem er aber immer wieder zurückgewiesen wird. Auch seine starken Selbstzweifel, die bisweilen in Selbsthass umschlagen, stammen von seinem Vater, wurden von Robbie aber so internalisiert, dass seine schärfsten Kritiker sein eigenes, meist jüngeres Gesicht tragen. Wir sind ja ohnehin meist unser schlimmster Feind.

Seine Ängste und Unsicherheit kompensiert Robbie, zu dem er von Nigel Martin Smith umgetauft wurde, mit einer großen Klappe und einem übersteigerten Darstellungsbedürfnis. Seine Entertainer-Qualitäten und sein vorgebliches Selbstbewusstsein sind entsprechend ausschlaggebend für seinen Erfolg. Sehr viel später im Film sagt Robbie, dass Menschen die Reife jenes Alters behalten, in dem sie berühmt wurden, weshalb er für viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte ein ungehobelter Teenager blieb.

Der Anfang des Films ist ungemein gelungen, warmherzig, berührend und immer wieder überraschend witzig. Das ändert sich, wenn der große Durchbruch mit Take That alles auf den Kopf stellt. Erfolg ist langweilig, weil er keine Herausforderungen mit sich bringt, und die Erfolge von Musikern gleichen sich irgendwie alle, und alle scheinen sich mit den gleichen Problemen herumzuschlagen. Auch Gracey hat visuell nicht viel hinzuzufügen zu den üblichen Bildern von Backstage-Rangeleien, jubelnden Fans und Studioaufnahmen. Inhaltlich will Robbie den Sprung zum Songwriter schaffen, wird aber konsequent vom Manager und Gary Barlow (Jake Simmance), dem kreativen Kopf der Boygroup, ausgebremst. Hinzukommen Drogenprobleme und schwere Depressionen.

Selbst wenn man nur sehr wenig über Robbie Williams weiß, hat man das alles schon mehrfach gehört. Better Man erzählt nicht wirklich etwas Neues, er bedient vielmehr bekannte Klischees, die vielleicht wahr sein mögen, deshalb aber nicht aufregender werden, und wiederholt den Tratsch der Regenbogenpresse. Den Menschen hinter der (Affen-)Maske lernt man jedenfalls nicht kennen, zumindest nicht richtig.

Das gilt leider auch für alle anderen Menschen in diesem Film, die reine Randfiguren bleiben. Better Man ist eine One-Man-Show, manchmal auch eine überlange Therapiesitzung. Immerhin ist es auch die Geschichte eines Comebacks, was für einen gelungenem dritten Akt sorgt, der die Schwächen der Mitte wett macht. Die letzten fünfzehn, zwanzig Minuten sind wieder so großartig wie der Anfang des Films, vor allem das Duett mit dem Vater am Ende rührt ans Herz. So ist es die Geschichte einer Versöhnung, nicht nur mit der Familie, sondern vor allem mit sich selbst, die Story einer Heilung.

Alles in allem ist Better Man – Die Robbie Williams Story ein grundsolides Bio-Pic mit zwei starken Szenen, einigen tollen Musicalnummern und einigen Durchhängern in der Mitte. Und auch wenn man nichts Neues erfährt, wird man rund zwei Stunden lang richtig gut unterhalten.

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.