Mein Serienjahr 2024

Auch wenn ich in der Vergangenheit immer wieder einmal über gute Serien berichtet habe, war und bin ich der Meinung, dass eine Seite, die InsideKino heißt, in erster Linie auch über Kino(filme) berichten sollte. An den Streamingdiensten führt jedoch kein Weg mehr vorbei, weshalb ich inzwischen Streamingfilme in meinem Jahresrückblick berücksichtige, selbst wenn sie nirgendwo eine Kinoauswertung erfahren haben. Da wir alle nicht nur Filme, sondern auch fleißig Serien schauen, dachte ich mir, dass es langsam Zeit wird, auch diesen Bereich in meinem Jahresrückblick aufzunehmen. InsideKino ist schließlich eine Vollservice-Webseite.

Anders als bei der Filmrückschau geht es bei den Serien nicht allein um Neustarts bzw. neue Staffeln aus dem vergangenen Jahr, sondern um Produktionen, die ich 2024 gesehen habe. Das war praktikabler. Da man, anders als bei den Filmen, nicht notwendigerweise davon ausgehen kann, dass alle Leserinnen und Leser die angesprochenen Serien kennen, habe ich bei vielen eine kurze Beschreibung hinzugefügt.

Um nicht Äpfel und Birnen zu vergleichen, habe ich Serien in Kategorien zusammengefasst, die mir mehr oder weniger sinnvoll erscheinen. Nicht alles ist ernst gemeint, und vielleicht ändere ich im nächsten Jahr meine Herangehensweise. Außerdem gibt es am Ende nur meine Top Ten. Auf eine Aufzählung der für mich schlechtesten Serien verzichte ich, weil ich inzwischen rigoros aussteige, wenn mich eine Serie langweilt oder sie zu schlecht gemacht ist, und eine Liste mit diesen Titeln und eine weitere mit jenen, die ich komplett gesehen und als schlecht empfunden habe, ging mir zu weit. Dieser Beitrag wird ohnehin sehr lang.

Aber falls es jemanden interessiert, ausgestiegen bin ich u.a. bei Mr. & Mrs. Smith, The Acolyte, Outsiders, Die Mafia mordet nur im Sommer und The Terminal List. Und weil es hier gerade passt: Taylor Sheridan ist zwar ein großartiger Autor, verzettelt sich aber leider mit seinen (viel zu vielen) Serien, was ihnen massiv schadet. Mayor of Kingstown und Tulsa King fand ich überschätzt und langweilig, weshalb ich nach der ersten Staffel bzw. nach einigen Folgen der zweiten ausgestiegen bin. Bei Yellowstone und seinen diversen Spin-Offs steht die Entscheidung noch aus. Dazu passt auch die erste Kategorie:

Don’t believe the Hype: Event-Serien

Die Streamingdienste litten wie die Hollywood-Studios auch unter den Auswirkungen des Doppel-Streiks, weshalb es letztes Jahr weniger Highlights gab als sonst. Bei vielen davon hat der Hype bei mir jedoch entweder gar nicht gezündet oder ich habe ihn selbst in der dritten Staffel noch nicht verstanden.

Von den meisten Hit- oder Eventserien des Jahres war ich nicht übermäßig angetan. Bodkin und 3 Body Problem bei Netflix liefen unter meinen Erwartungen, Dark Matter (Apple+) hat zwar eine tolle Grundidee, aus der man aber sehr viel mehr hätte machen können, und auch wenn mir Shogun grundsätzlich gefallen hat, hatte die Serie etliche Längen und zu verwirrende Intrigen. Auch Ripley war mir viel zu langatmig, dafür immerhin wunderschön fotografiert. Disney+ hatte mit The Acolyte einen veritablen Flop, den ich nicht bis zum bitteren Ende angesehen habe, mit der neuen Percy Jackson-Serie aber immerhin einen Achtungserfolg. Hat mir besser gefallen als der Film von 2010. Auch Fallout (Amazon Prime) war größtenteils spannend und überraschend witzig.

Auch die neuen Staffeln älterer Eventserien konnten mich nur teilweise oder überhaupt nicht überzeugen: Die zweite Staffel von House of the Dragon (Sky) fing so öde an, dass ich bereits aussteigen wollte, wurde in den letzten Folgen dann aber wenigstens spannender. Die zweite Staffel von Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht erreicht ebenfalls nicht das Niveau der Peter Jackson-Trilogie, verglichen mit der drögen ersten Staffel gab es aber einen kleinen Fortschritt. The Boys habe ich früher wegen ihres zynischen Humors sehr geschätzt, aber die Handlung wiederholt sich inzwischen nur noch, die Provokationen wirken kalkuliert, und größtenteils habe ich mich gelangweilt. Wird Zeit, dass sie zu Ende geht.

Und tschüss: Serien, die 2024 zu Ende gingen

Aller Anfang ist schwer, heißt es, aber ein stimmiges Serienende zu schreiben, ist noch viel schwerer. Das beste Serienende aller Zeit hat für mich immer noch Six Feet Under, obwohl ich die Serie selbst gar nicht so großartig fand. Auch in diesem Jahr sind einige Produktionen, die ich regelmäßig gesehen habe, zu Ende gegangen, bei manchen war ich traurig, bei manchen froh, weil sie ihren Zenit schon lange überschritten hatten und ich nur noch am Ball geblieben bin, um zu sehen, wie sie enden.

Sweet Tooth (Netflix) ging beispielsweise schon nach der ersten Staffel die Luft aus, aber das Finale war dann doch ganz nett. Trying (Apple+) und Heartstopper (Netflix) hatten zwei grandiose Staffeln, gefolgt von zwei bzw. einer nur mittelprächtigen, bei beiden hätte ich aber weiterschauen können. So richtig zufrieden war ich eigentlich nur mit dem Abschluss von Sort of (Wow) und Line of Duty (RTL+), die ich beide mit reichlich Verspätung nachgeholt habe, sowie von Somebody, Somewhere (Wow) und Alex Rider (Amazon Prime).

Enttäuscht war ich hingegen vom Abschluss der Serien The Umbrella Academy (Netflix) und Evil (Paramount+) die in den Vorjahren zu meinen Favoriten gezählt haben, aber unbefriedigend geendet sind. Bei zwei Serien tut es mir leid, dass sie nicht verlängert bzw. abgesetzt wurden: The Brothers Sun (Netflix), eine solide, stellenweise extrem lustige Martial-Arts-Serie, und die Science-Fiction-Videospieladaption Halo (Paramount+).

Selten so gelacht: Comedy-Serien

Im Kino sind Komödien seit langem seltener geworden, doch zum Glück gibt es im Serienbereich noch jede Menge interessanter und oftmals urkomischer Konzepte, die den Rahmen der klassischen Comedy sprengen: Sitcoms, Sadcoms, Dramedys – die Grenzen sind fließend geworden.

Die letzten Jahre war Trying (Apple+) über ein britisches Paar, das ein Kind adoptieren möchte, mein absolutes Comedy-Highlight, und sie verdienen immer noch den Preis für die beste Paar-Comedy seit Mad About You. Dieses Jahr wurde sie aber von einer weiteren britischen Serie überholt, die allerdings etwas älter ist: Mum (Arte) erzählt hinreißend von einer Witwe und ihrer schrägen Familie. Mit The Outlaws (ZDF Neo) über Kleinkriminelle, die Sozialstunden ableisten und dabei in Verbrechen verstrickt werden, gibt es eine weitere gute Serie von der Insel. Die Briten haben es eben drauf.

Die Franzosen können es aber auch: UFOs (Pro7 Fun) ist ungemein komisch und total schräg. Die Serie parodiert den UFO-Wahn der Siebziger, besticht durch Zeit-Colorit und tolle Darsteller und hat eines der überraschendsten Enden des Jahres. Hätte die zweite Staffel nicht so viele Längen gehabt, wäre sie in meiner Top Ten gelandet. Dort befindet sich immerhin eine amerikanische Serie: Hacks (Netflix sowie RTL+), eine Buddy-Komödie über eine alternde Comedienne und ihre junge Autorin, wird von Staffel zu Staffel besser.

Eine lobende Erwähnung verdienen noch Call my Agent (eine ebenfalls französische Serie über exzentrische (reale) Schauspieler und ihre (fiktiven) Agenten; Magenta), Sense of Tumour (eine belgische Serie über einen krebskranken Arzt; ZDF Neo) sowie die Anti-Superhelden-Serie Extraordinary (Disney+).

Drama, Baby: Drama-Serien

In dieser Kategorie fasse ich mal alles zusammen, was einen nicht zum Lachen bringt. Obwohl ich bei der australischen Roadtrip-Dramedy Upright (One) über ein ungleiches Paar und The New Look (Apple+) über die Rivalität zwischen Dior und Chanel nicht sicher bin, ob sie nicht besser bei den Komödien aufgehoben wären, denn viele ihrer Szenen waren zum Schreien komisch.

In meiner Top Ten sind einige ältere Serien vertreten, die 2024 neue Staffeln bekommen haben. The Devil’s Hour (heißt bei Amazon Prime jetzt wohl Die Stunde des Teufels) war vor ein paar Jahren für mich ein absolutes Highlight, und im Oktober erschien endlich die zweite, fast ebenso gute Staffel. Je weniger man über sie weiß, desto besser. Auch zwei Apple-Serien sind bei mir seit Jahren in den Top Ten vertreten: Slow Horses über abgehalfterte MI5-Agenten ist so böse, spannend und gut geschrieben, dass jede Staffel ein Hochgenuss ist. Und das Beste: Es gibt zwei (kurze) Staffeln pro Jahr! For All Mankind über eine alternative Realität, in der die Sowjets zuerst den Mond erreicht haben, hat letztes Jahr leider schwer nachgelassen, zehrt aber immer noch davon, zuvor drei absolut geniale Staffeln hervorgebracht zu haben, die zum Spannendsten gehören, was ich seit Jahren gesehen habe.

Eine schöne Überraschung zum Jahresende war Black Doves (Netflix), in die ich nur wegen ihrer Darsteller reingeschaut habe und die für mich eine der spannendsten Serien 2024 war. Auch Reacher (Amazon Prime) hat mir sehr gut gefallen, und besser als die Film-Adaptionen ist die Serie auch. Eine große Überraschung war die fünfte Staffel von Fargo (Magenta), die in Punkto Witz und Spannung mühelos an die erste anknüpfen konnte, nachdem die vierte eine absolute Vollkatastrophe war.

Von den Neuerscheinungen haben mich jedoch am meisten Serien beeindruckt, die nicht aus Hollywood stammen: Total Control (HR) erzählt von einer Aborigine-Senatorin, die die australische Politik aufmischt: klug, spannend, intensiv. Wird ab 1.2. im Hessischen Rundfunk wiederholt. In So long, Marianne (NDR) geht es um Leonard Cohens Beziehung zu seiner Muse, und die schwedische Serie Evil über institutionalisierte Gewalt in einem Jungeninternat in den Fünfzigerjahren war eine der brutalsten und intensivsten Serien des Jahres (auch sie wird ab dem 1. Februar im HR wiederholt).

Bei den älteren Serien, die ich verspätet angesehen habe, hat mich vor allem Five Days at the Memorial (Apple+) über ein Krankenhaus in New Orleans während des Hurricanes Katrina beeindruckt. Auch die Kultserie Normal People (ZDF Neo) mit Paul Mescal und Daisy Edgar-Jones habe ich endlich nachgeholt und fand sie toll. Mit Severance (Apple+) dagegen habe ich mich lange schwer getan und finde sie insgesamt überschätzt, aber sie entwickelt einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann, weshalb ich demnächst auch die zweite Staffel sehen werde. Animes sind eigentlich so gar nicht mein Ding, aber Pantheon (Pro7 Fun) fand ich sehr beeindruckend und ungemein wendungsreich.

A Blast from the Past: Historien-Serien

Vielleicht habe ich ja mal ganz beiläufig erwähnt, dass ich ein großer Fan historischer Stoffe bin? Ich weiß, dass ich damit eher ein Außenseiter bin, daher fasse ich mich kurz: Seit Downton Abbey ausgelaufen ist, hat Julien Fellows ziemlich nachgelassen. The Gilded Age (Wow) ist aber ganz nett, und die Mini-Serie Belgravia (RTL+), die ich nun nachgeholt habe, hat mir auch ganz gut gefallen. Man nimmt ja, was einem geboten wird.

Als Jane Austen-Fan war Sanditon (AXN White) natürlich ein Muss, und nach der etwas lahmen ersten Staffel wurde es zum Glück besser. Das Finale war zumindest zufriedenstellend. Wie immer reizend und toll geschrieben ist der Langläufer Call The Midwife (AXN White).

Zwei ältere Serien habe ich 2024 noch bei Magenta nachgeholt und sehr gemocht: Mr. Selfridge und die dreiteilige Miniserie The Pursuit of Love mit einer absolut hinreißenden Lilly James (und einem noch viel großartigeren Andrew Scott). Auch diese Serie hat ganz knapp meine Top Ten verpasst.

Meine Serien-Top Ten 2024:

  • The Devil’s Hour
  • Slow Horses
  • Total Control
  • So long, Marianne
  • For All Mankind
  • Mum
  • Hacks
  • Black Doves
  • The New Look
  • Reacher

Im Gegensatz zu den Studios stellen die Streamingdienste ihre Produktionen eher kurzfristig vor, daher habe ich noch nicht so viele Serien auf dem Schirm, die heuer starten werden, und entsprechend gibt es keine Heiß-auf-Liste. Natürlich freue ich mich aber auf die neuen Staffeln der Serien, die ich bereits genannt habe, und warte z.B. auf Nachschub von Foundation und Der Doktor und das liebe Vieh. Darüber hinaus gibt es natürlich noch jede Menge Serien aus dem vergangenen Jahr (eher den vergangenen Jahren), die ich bislang nicht gesehen habe.

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.