Nachdem die Kinos wieder nahezu vollumfänglich mit frischer Ware versorgt werden und die Streamingdienste uns mit ihren Angeboten überschwemmen, sollte es einem nicht schwer fallen, einen Film zu finden, der unser jahreszeitlich bedingtes Verlangen nach sentimentaler, anheimelnder Unterhaltung zu befriedigen. Oder? Tatsächlich war ich nicht so oft im Kino wie sonst, und die Filme, die ich gesehen habe, waren auch eher so lala. Ich hätte mir auch gerne einen Weihnachtsfilm angeschaut (Red One war ja ziemlich spaßig, aber nicht unbedingt ideal, um in eine besinnliche Stimmung versetzt zu werden), doch das Angebot war auch eher mau. Es sei denn, man steht auf Hallmark-Filme, diese konnte man heuer rund um die Uhr gucken, bis man in ein diabetisches Koma fällt.
Allen anderen bleiben wohl nur die üblichen Verdächtigen, nicht der gleichnamige Film, sondern Der kleine Lord, Drei Nüsse für Aschenbrödel und die Sissi-Trilogie. Oder natürlich der Klassiker schlechthin, Ist das Leben nicht schön? Irgendwie hatte ich aber auf all diese Titel keine Lust und habe mir stattdessen ein paar andere alte Filme angesehen, die zwar nichts mit Weihnachten zu tun haben, einem aber ein behagliches Gefühl der Nostalgie bescheren. Deshalb gibt es zum Jahresausklang von mir anstelle einer klassischen Weihnachtsfilm-Empfehlung eine Mini-Retrospektive von Werken mit Audrey Hepburn, die allesamt bei Wow zu sehen sind.
Ein Herz und eine Krone
Kronprinzessin Ann (Audrey Hepburn) wirbt für ihr Land auf einer ausgedehnten Europareise. Als sie in Rom eintrifft, ist sie von den Strapazen so erschöpft, dass sie einen Weinkrampf bekommt. Ihr Arzt verabreicht ihr eine Beruhigungsspritze und ein Schlafmittel, doch bevor seine Wirkung einsetzt, schleicht sich Ann heimlich aus dem Palast, um einmal das „normale Leben“ kennenzulernen. Von Müdigkeit überwältigt, schläft sie mitten in Rom ein. Der amerikanische Reporter Joe Bradley (Gregory Peck) entdeckt sie und hilft der unbekannten jungen Dame. Weil sie ihm keinerlei Auskunft über ihren Namen oder Wohnort geben kann, nimmt er sie widerwillig mit nach Hause. Als er jedoch am nächsten Morgen entdeckt, dass sie die Prinzessin ist, wittert er eine große Story.
Wenn Reiche sich langweilen und vom einfachen Leben träumen, kommen sie auf seltsame Ideen. Marie-Antoinette ließ beispielsweise ein kleines Dorf errichten, in dem sie und ihr Hofstaat verkleidet Bauern spielen konnten. Verglichen damit ist das Ausbüxen von Prinzessin Ann ein harmloses Vergnügen. Ausgedacht hat sich diese zuckersüße Romanze Dalton Trumbo, der Anfang der Fünfzigerjahre als vermeintlicher Kommunist auf die schwarze Liste Hollywoods geriet und daher lange Zeit nicht als Co-Autor (neben Ian McLellan Hunter und John Dighton) genannt wurde. Seine Verbindung mit diesem Projekt war auch der Grund, warum Frank Capra die Regie abgelehnt hat.
Ein Glück, kann man heute sagen, denn William Wyler setzte durch, dass die Komödie an ihren Originalschauplätzen in Rom gedreht wurde, was damals eher unüblich war. Diese Authentizität zahlte sich jedoch aus und ebnete so den Weg für weitere Hollywood-Produktionen im Ausland. Tatsächlich ist die Ewige Stadt die dritte Hauptdarstellerin und trägt viel zum Charme der Geschichte bei.
Zunächst lernt man die arme Ann kennen, die von Bankett zu Bankett, von Ball zu Ball eilt und ermüdende Prozessionen wichtiger Menschen ertragen muss. Als sie bei einem Empfang einmal aus einem Schuh schlüpft, um ihre müden Füße zu entlasten, verliert sie diesen prompt, was eine heitere Szene ist und unweigerlich an Aschenputtel denken lässt. Nur ist es hier die Prinzessin, die sich in ein einfaches Mädchen verwandeln will.
Heute würde man Ann vermutlich einen Burn-Out attestieren, damals hielt man sie vermutlich für hysterisch. Als Zuschauer kann man jedoch gut mit ihr mitfühlen und freut sich diebisch, wenn sie heimlich in die Freiheit schleicht. Aus heutiger Sicht muss man allerdings auch sagen, dass all dies ziemlich lange dauert. Bis Ann und Joe sich endlich kennenlernen, vergeht viel Zeit, und auch wenn es dabei einige Szenen zum Schmunzeln gibt, in der die vermeintlich Betrunkene alberne Dinge tut, würde man heute effektiver erzählen.
An Fahrt nimmt die Story erst auf, wenn Ann und Joe einen gemeinsamen Tag in Rom verbringen, Vespa fahren, das Kolosseum, die Spanische Treppe und andere Sehenswürdigkeiten besuchen und dabei kein Klischee auslassen. Viele Elemente der heutigen romantischen Komödie wurden dabei bereits bedient oder etabliert, etwa die neue Frisur als Ausdruck der charakterlichen Veränderung oder der Liebesbeweis am Ende. Nur die öffentliche Liebeserklärung fehlt, denn das Ende ist realistisch und bittersüß.
Wer den Film nicht kennt, sollte ihm unbedingt eine Chance geben, markiert er nicht nur die Geburt eines großen Stars (Audrey Hepburn spielt hier ihre erste Hauptrolle und wurde dafür mit dem Oscar belohnt), sondern ist trotz seiner Längen und der Tatsache, dass er in Schwarz-Weiß gedreht wurde, immer noch erstaunlich modern und frisch. Und um Längen besser als die meisten RomComs unserer Tage.
Note: 2+