Früher war nicht unbedingt alles besser. So gab es zum Beispiel nur relativ wenige Weihnachtsfilme, die zudem mit schöner Regelmäßigkeit wiederholt wurden. Wir hatten ja nichts. Drei Nüsse für Aschenputtel, Der kleine Lord oder Ist das Leben nicht schön? Das musste uns früher reichen. Inzwischen werden wir jedoch schon zusammen mit den ersten Lebkuchen Ende August von einer solchen Flut an Weihnachtsfilmen überschwemmt, dass man schon am ersten Advent seinen Kopf genervt gegen eine Tanne schlagen möchte. Okay, früher war doch alles besser.
Mit Red One kam vor einigen Wochen ein etwas anderer Weihnachtsfilm auf den Markt, der zwar nicht völlig neu war, überdrehte Komödien mit etwas Action hat es auch früher schon zum Fest gegeben, etwa Kevin allein zu Haus oder Versprochen ist Versprochen. Diesmal nahmen die Macher jedoch Anleihen beim Agentenfilm, und der Trailer versprach launige Unterhaltung. Weshalb ich ihn auch auf der großen Leinwand sehen wollte.
Fröhlichen Nikolaus allerseits!
Red One – Alarmstufe Weihnachten
Jack O’Malley (Chris Evans) hat schon als Kind nicht an den Weihnachtsmann geglaubt und gewusst, wie man andere zu seinem Vorteil austrickst. Inzwischen ist er ein weltweit geschätzter Hacker, der jeden aufspüren kann und seine Dienste dem Meistbietenden verkauft. Eines Tages macht er ein geheimnisvolles Signal ausfindig und verrät seinem unbekannten Auftraggeber dadurch den Aufenthaltsort einer bestimmten Person, von der Jack nicht weiß, dass es sich um Santa Claus (J. K. Simmons) handelt, der daraufhin prompt entführt wird. Die Chefin (Lucy Liu) einer Agentur, die für den Schutz von mythischen Wesen verantwortlich ist, lässt Jack umgehend entführen und zum Nordpol bringen. Zusammen mit Callum Drift (Dwayne Johnson), dem Leiter des Sicherheitsdiensts des Weihnachtsmanns, soll Jack die Übeltäter finden.
Das Pfund, mit dem der Film wuchern konnte, war der gelungene Trailer, der vor allem vom Auftritt des sprechenden Eisbären Garcia lebte. Wer sich jedoch vom Weihnachtsmann oder der Zahnfee gewünscht hatte, mehr von dem Brummbär zu sehen, dürfte etwas enttäuscht sein. Tatsächlich kommen alle guten Szenen bereits im Trailer vor, was den Film, dessen Drehbuch von Chris Morgan in seinem Ablauf bereits so vorhersehbar ist wie die Christmette, zu einer überraschungsfreien Zone macht.
Aber das muss nicht notwendigerweise etwas Schlechtes sein. Tatsächlich macht der Film eine Menge Spaß, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen. Chris Evans spielt den charmanten Betrüger, dem man einfach nicht böse sein kann, Johnson den bärbeißigen Gehilfen des Weihnachtsmanns, der aufgegeben hat, an das Gute im Menschen zu glauben, und den Geist des Fests vermisst. Natürlich weiß man, wohin das führen wird, welche charakterliche Wandlungen er und Jack, der selbstverständlich ein Kind hat, das er vernachlässigt, durchmachen müssen. Moralisierende Dialoge inklusive. Wie gesagt, nichts ist hier neu unter der Mitternachtssonne des Nordpols.
Was die Geschichte sehenswert macht, ist das World-Building mit den diversen mythischen Gestalten wie der Hexe Gryla (Kiernan Shipka), die aus Island stammt (und eigentlich auch keine Hexe ist, anders als die italienische La Befana), oder dem österreichischen Krampus, den die Macher allerdings nach Deutschland verpflanzen, weil sie ihn mit Knecht Ruprecht verwechselt haben. Auch dass scheinbar die ganze Welt Weihnachten nach amerikanischer Tradition feiert, ist ein verzeihlicher Fehler. Die Amis wissen es halt nicht besser. Was zählt, sind der Einfallsreichtum und der heimelige Look.
Bei Amazon, dessen Studio für die Produktion verantwortlich zeichnet, klingeln vermutlich bereits die Glöckchen, oder vielmehr die Kassen, und findige Köpfe denken über Fortsetzungen und Spin-offs nach. Möglichkeiten gibt es jedenfalls genug und weitere mythologische Wesen, die in Verbindung mit Feiertagen stehen, auch. Vielleicht gibt es bald Die Häschenschule als Heist-Movie?
Red One – Alarmstufe Weihnachten ist ein stromlinienförmiger, arg vorhersehbarer, aber spaßiger Weihnachts-Actionfilm, der vielleicht nicht an die großen Klassiker heranreicht, aber allemal besser ist als die unsäglichen Hallmark-Produktionen, von denen man beim Anschauen schon Diabetes bekommt. Für alle, die nicht zum zwanzigsten Mal Der kleine Lord sehen wollen.
Note: 3