Alles hat seine Zeit

Hollywood ist kein Streichelzoo. Selbst Stars können fallen, und manche zerbrechen dann an der harten Realität. Vor allem Frauen können ein Lied davon singen, ganz besonders wenn sie vierzig werden und sich plötzlich jenseits der Besetzungslisten wiederfinden. Bei gutem Aussehen wird ihnen noch eine Gnadenfrist gewährt, weshalb manche ein bisschen der Natur nachhelfen und sich unters Messer legen, aber irgendwann kann man die Falten und die schlaffe Haut nicht mehr verbergen, da hilft auch kein noch so schmeichelhaftes Licht oder Vaseline auf der Kameralinse.

Selbst jene Schauspielerinnen, die über wirkliches Talent verfügen, werden ab einem gewissen Alter nicht mehr besetzt oder müssen sich plötzlich mit kleinen, unbedeutenden Rollen abfinden. Sogar Meryl Streep sagte, dass ihr Anfang der Neunziger nur noch Parts als Hexe angeboten wurden, und Shelly Winters musste, auf die Frage, warum man ausgerechnet sie besetzen sollte, erst ihren Oscar auspacken und auf den Tisch stellen, um ernst genommen zu werden. Und die Rolle bekam sie trotzdem erst, als sie auch ihren zweiten Oscar herausholte…

Frauen ab vierzig haben es nicht leicht in der Filmbranche, wobei es glücklicherweise inzwischen zahlreiche Filme gibt, die für reifere Schauspielerinnen geschrieben werden. Doch während Meryl Streep einen Film nach dem anderen dreht, gehen nicht minder begabte Kolleginnen wie etwa Jessica Lange leer aus. Zum Glück kann man sie jetzt in American Horror Story wieder neu erleben, und es ist ein Genuss zu sehen, wie sie in der dritten Staffel Coven eine verzweifelte Hexe spielt, die mit mörderischer Macht versucht, sich gegen das Altern zu wehren.

Wenn die Schönheit vergeht, ist Talent die einzige Währung, die noch zählt, und da sehen manche Damen plötzlich recht alt aus. Kathleen Turner, Ellen Barkin, Melanie Griffith und Andie MacDowell waren einmal Stars, doch heute sieht man sie kaum noch – obwohl sie nicht gerade untalentiert sind. Oder was ist mit Angelica Houston, Kirsty Allen, Debra Winger, Laura Dern oder Goldie Hawn? Hin und wieder tauchen sie in TV-Serien auf oder machen Werbung, aber falls sie noch Filme drehen, sind es keine A-Produktionen mehr. Und wenn man sie in einem alten Film sieht, in dem sie der Star waren, dauert es immer länger, bis man sich an ihren Namen erinnert.

Selbst einstige Leinwandlieblinge werden nicht verschont, wie Michelle Pfeiffer, die immerhin noch von Zeit zu Zeit eine Hauptrolle angeboten bekommt. Juliette Lewis, eher eine Kultgröße als ein Star, wurde zusammen mit Woody Harrelson als Natural Born Killers berühmt. Heute spielt er eine prominente Rolle nach der anderen, während sie schon lange vor ihrem vierzigsten Geburtstag weg vom Fenster war. Und manchmal ist Hollywood richtig gemein: Sally Field, für mich immer noch die einzige würdige Nachfolgerin von Doris Day, spielte 1988 in Punch Line Tom Hanks Geliebte, sechs Jahre später in Forrest Gump dagegen seine Mutter! Vielleicht war es daher ein klein wenig ausgleichende Gerechtigkeit, dass sie in Lincoln die Ehefrau des zwölf Jahre jüngeren Daniel Day-Lewis geben durfte…

Ein besonders trauriger Fall ist Meg Ryan, vormals America’s Sweethart, die ungekrönte Königin der RomComs. Sie hat einige davon gedreht, die berühmteste ist sicherlich Harry und Sally. Das war 1989. Zwölf Jahre später entstand Kate & Leopold, die letzte RomCom mit ihr in der Hauptrolle, der kurz vor Weihnachten im Fernsehen lief:

Kate & Leopold

Stuart Besser (Liev Schreiber) entdeckt einen Riss in der Zeit, durch den er ins Jahr 1876 reist. Hier erregt er die Aufmerksamkeit des Herzogs Leopold (Hugh Jackman), der gerade in New York weilt, um eine reiche Erbin zu ehelichen, und Stuart ins 21. Jahrhundert folgt. Dort trifft er auf die emanzipierte, höchst erfolgreiche, aber unglückliche Kate (Meg Ryan) und verliebt sich in sie…

Der Clou mit der Zeitreise ist für eine Romantische Komödie nicht schlecht gewählt, denn mehr als sonst prallen hier buchstäblich zwei Welten aufeinander. Leopold ist der letzte Gentleman, ein nobler, einfühlsamer und romantischer Geist, der weiß, wie man eine Frau verführt, auch wenn er sich an der misstrauischen, von zu vielen Dates enttäuschten Kate lange die Zähne ausbeißt. Natürlich kommen sie am Ende dennoch zusammen. Vorhersehbar? Na klar, das gehört zum Genre.

Entscheidend ist das Wie, und die Umsetzung ist weitgehend charmant und witzig. Es macht Spaß, Leopold bei der Erkundung des frühen 21. Jahrhunderts zu beobachten, das einem nun, mit mehr als zehn Jahren Abstand, selbst ein wenig gestrig vorkommt (kein Twitter oder Facebook, und selbst das Internet kommt nicht vor). Und man möchte ihm aus tiefster Seele zustimmen, wenn er beklagt, dass wir zwar ein Leben voller Annehmlichkeiten führen, aber die wesentlichsten Fähigkeiten des Zusammenlebens verlernt haben. Leopold kritisiert unsere Oberflächlichkeit, unsere ungesunde Hast und all die anderen Tücken der modernen Zivilisation, über die wir uns selbst oft genug ärgern. Von der Verlogenheit in der Werbung, in der Kate arbeitet, mal ganz zu schweigen.

Leider kommt der romantische Teil ein wenig zu kurz, ebenso das Werben um Kate. Dafür schweift der Film von James Mangold zu sehr ab und lässt sich von seinen Nebenplots ablenken. Und hundertprozentig logisch ist die Story auch nicht, aber das sind Zeitreise-Geschichten ja nie.

Note: 3+

Irgendwie war damals schon klar, dass dies die letzte RomCom mit Meg Ryan sein würde. Obwohl sie die wichtigsten Entscheidungen trifft, ist sie nicht wirklich die Hauptfigur des Films. Zudem taucht sie erst sehr spät auf und spielt den undankbaren Part der Karrierezicke. Am schlimmsten jedoch sind die Folgen ihrer ersten Schönheitsoperationen, die überdeutlich sichtbar sind: Die ganze Zeit über musste ich auf diese aufgespritzten Lippen starren, die wie ein Fremdkörper in ihrem Gesicht wirkten. Warum tut sie sich das nur an? Als sie vor ein, zwei Jahren irgendwo auftauchte, war es sogar noch schlimmer. Ach, es ist eben alles eitel, und Hollywood kann ganz schön grausam sein…

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.