Die Covid-Pandemie ist vorüber, im Alltag sieht man nur noch selten Menschen mit Masken, man hört kaum noch von Erkrankten im Bekanntenkreis, und auch sonst sind alle Einschränkungen aufgehoben worden. Selbst in den Geschäften verschwinden langsam die Plexiglasabtrennungen.
Filme über Pandemien gibt es einige, viele davon handeln von Zombies, die streng genommen nur das Resultat einer Infektion sind. Es gibt aber auch Produktionen, die sich mit der ganz realen Gefahr von globalen Krankheitsausbrüchen beschäftigen und dabei schon immer Beklemmungen ausgelöst haben. Heute gilt das mehr denn je.
Ich kann mich daran erinnern, Contagion damals gesehen zu haben, entweder 2011 im Kino oder später im Fernsehen, muss aber gestehen, dass praktisch nichts hängengeblieben ist. Wie bei fast allen Soderbergh-Filmen. Aber nach der Pandemie war ich neugierig, ob der Film – der in den letzten Jahren zu den am häufigsten aufgerufenen Filmen der Streaminganbieter gehört, momentan allerdings nirgends frei verfügbar ist – mit dem mithalten kann, was wir selbst erlebt haben. Realitätscheck, sozusagen.
Contagion
Als Beth (Gwyneth Paltrow) von einer China-Reise nach Minneapolis zurückkehrt, fühlt sich vergrippt und krank. Am nächsten Tag erleidet sie einen Krampfanfall und wird von ihrem Mann Mitch (Matt Damon) ins Krankenhaus gebracht, wo sie überraschend verstirbt. Kurz darauf fällt auch ihr kleiner Sohn der unbekannten Krankheit zum Opfer. Weltweit kommt es zu weiteren Todesfällen, die die Weltgesundheitsbehörde WHO und das amerikanische Seuchenschutzzentrum CDC auf den Plan rufen. Während Dr. Orantes (Marion Cotillard) in Asien den Ursprung der Krankheit zu ermitteln versucht, reist Dr. Mears (Kate Winslet) im Auftrag ihres Chefs (Laurence Fishburne) nach Minneapolis, um die Krankheit dort möglichst einzudämmen. Gleichzeitig forschen Dr. Hextall (Jennifer Ehle) und Dr. Sussman (Elliott Gould) nach einem Heilmittel.
Das Packendste und Unheimlichste an diesen Filmen ist die Unwissenheit der Figuren. Wie bei einem Katastrophenfilm à la Titanic auch, weiß der Zuschauer mehr als sie und ahnt, welche Schicksalsschläge sie erwarten, wodurch nicht selten Spannung generiert wird. Bei Steven Soderbergh, der alle seine Filme mit kühler Distanz inszeniert, bleibt es jedoch beim nüchternen, beinahe dokumentarischen Blick. Akribisch folgt er den Infizierten ab Tag 2 durch die nächsten Tage, Wochen und Monate, schildert die Bemühungen der Behörden und Ärzte, den Ausbruch in den Griff zu bekommen, und die weltweiten Implikationen, die der Globalisierung geschuldet sind.
Das ist etwas, das uns die reale Pandemie gelehrt hat: Wir sind dank einer vernetzten Welt ungemein anfällig. Was in China passiert, betrifft auch uns in Europa und die Menschen auf den anderen Kontinenten. Und mit der modernen Verkehrstechnik reist auch das Virus verdammt schnell. Ein Entkommen gibt es nicht.
Die Parallelen zur Corona-Pandemie sind frappierend, was dem zwölf Jahre alten Film eine beklemmende Aktualität verleiht. Ob es die anfängliche Skepsis der lokalen Behörden ist, die Zurückhaltung bei der Ergreifung effektiver Mittel oder die Maßnahmen, die dann tatsächlich durchgesetzt werden, wir haben all das selbst gesehen und erlebt. Hier und da mögen vielleicht einige Details nicht stimmen, etwa der nicht erwähnte Mangel an Masken, Handschuhen und Desinfektionsmitteln oder der massive Ausfall unter den Mitarbeitern der Gesundheitseinrichtungen, aber über weite Strecken funktioniert der Film wie eine Dokumentation über die letzten Jahre.
Drehbuchautor Scott Z. Burns hat sich von der SARS-Pandemie von 2002/03 inspirieren lassen und sich einen Virus ausgedacht, der ebenfalls vom Tier auf den Menschen überspringt, dabei aber viel tödlicher ist als das Corona-19-Virus. Zumindest am Anfang, später kommen einem die Zahlen wiederum zu gering vor. So ist von 26 Millionen Opfern die Rede, was nicht zu den im Film aufgeführten Berechnungen zu passen scheint, aber das ist marginal. Auch die viel zu schnelle Entwicklung eines Impfstoffs ist zu optimistisch gedacht, fast als wollte man den Zuschauern damals möglichst nicht zu große Angst machen.
Was wiederum sehr gelungen ist, ist die Einmischung der von Jude Law gespielten Figur eines freien Journalisten, der mit wilden Gerüchten, unbewiesenen Anschuldigungen und dubiosen fragwürdigen alternativen Heilmitteln Misstrauen unter der Bevölkerung streut, während er sich gleichzeitig finanziell bereichert. Hier denkt man unwillkürlich an die diversen Verschwörungstheorien oder den Unsinn, den so manche Politiker (s. Trump, Donald J.) verbreitet haben.
Contagion ist ein klassischer Ensemblefilm, bei dem die Story mehr zählt als die einzelne Figur. Kombiniert mit Soderberghs distanzierter Haltung, entsteht ein semi-dokumentarischer Film, der den Zuschauer überraschend kalt lässt. Selbst mit dem heutigen Wissen und den Erfahrungen aus rund zwei Jahren Pandemie weckt die Geschichte selbst beim Tod einiger Figuren keine Emotionen.
Faszinierend ist die Chronologie der Ereignisse, die sich langsam, aber sicher zuspitzen, in gesellschaftlichen Unruhen und Beinahe-Aufständen münden, deren Dramatik aber – auch das ein filmisches Manko – schließlich verpufft. Seinen Höhepunkt erreicht der Film am Anfang der zweiten Hälfte, um dann massiv an Tempo zu verlieren. Das letzte Drittel handelt dann nur noch von der Verteilung der Impfstoffe und der langsamen Rückkehr zur Normalität. Spannend ist das leider nicht, zumal auch einige Figuren aus dem Fokus rutschen und nicht alle Handlungsstränge zu Ende erzählt werden.
Alles in allem besteht Contagion den Realitätscheck. Die Darstellung der Ereignisse wirkt realistisch, auch wenn der Verlauf und die Bekämpfung der Krankheit etwas zu optimistisch dargestellt werden. Und die damalige Botschaft, dass der Mensch mit seiner Lebensweise die Entstehung tödlicher Krankheiten beschleunigt, besitzt auch heute noch beklemmende Aktualität.
Note: 3+