Aquaman – Lost Kingdom

Diese Woche dreht sich alles um Superhelden und -schurken. Mit Venom: Last Dance geht gerade ein Franchise zu Ende, und Marvel setzt wieder alles auf Anfang, nachdem die Nummer mit den Parallelwelten beim Publikum nicht so gut ankam. Auch beim Konkurrenten DC herrscht Aufbruchstimmung. Oder Untergangsstimmung, wenn man an die Katastrophe von Joker: Folie à Deux denkt.

Das DC Extended Universe wiederum ist bereits Geschichte, es verschwand allerdings nicht mit einem großen Knall, sondern eher wie ein Ballon, aus dem alle Luft entweicht. Nach 15 Filmen war mit Aquaman – Lost Kingdom endgültig Schluss. Manche dürften über das Ende erleichtert gewesen sein, stand es doch von Anfang an unter einem Unstern und erweckte nie den Eindruck, seine Macher wären planvoll oder koordiniert an die Sache herangegangen. Alles wirkte wie Stückwerk, war voller Widersprüche und permanenter Neustarts. Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln, schien das Motto gewesen zu sein.

Trotz all dieser Querelen und Kontroversen gelang es, ein paar gute Filme zu produzieren: Sowohl Wonder Woman als auch Aquaman waren amüsante, gut gemachte Superheldenfilme, die auch an der Kasse gut abschnitten, und mit Shazam! und The Flash gab es noch zwei weitere unterhaltsame Produktionen. Das Problem waren jedoch vor allem die Fortsetzungen, die allesamt in die Hose gingen. Der Fluch des zweiten Teils, der bekanntlich immer der schwerste ist. Auch der zweite Wassermann-Film lief unter den Erwartungen, und weil ich ihn im Kino nicht sehen wollte, habe ich ihn nun endlich auf Wow nachgeholt.

Aquaman – Lost Kingdom

Arthur Curry (Jason Momoa) regiert nun schon seit einigen Jahren das Königreich Atlantis und schlägt sich mit einem einflussreichen Staatsrat, der seine Vorschläge torpediert, und anderen Widrigkeiten herum. Gleichzeitig haben er und seine Frau Mera (Amber Heard) einen Sohn bekommen, der ihn stark fordert. Zu allem Überfluss taucht ein neuer Gegenspieler auf: David Kane (Yahya Abdul-Mateen II.) will seinen Vater rächen, an dessen Tod Aquaman schuld ist, indem er sich atlantische Technologie verschafft. Dabei stößt er auf einen schwarzen Dreizack, der dem verbannten legendären König Kordax (Pilou Asbæk) gehört, der seit Jahrhunderten im Eis eingeschlossen auf Rache sinnt und Kanes Geist vergiftet. Um Kordax zu befreien, setzt Kane Unmengen an Treibhausgasen frei, und Aquaman kann ihn nur besiegen, wenn er seinen früheren Erzfeind und Bruder Orm (Patrick Wilson) um Hilfe bittet.

Man sollte einen Film ja nicht nach seinen ersten Minuten beurteilen, aber schon nach Sichtung der Eröffnungssequenz war klar: Das wird nichts. Aber so mal rein gar nichts. Die Effekte sind mies, der Kampf uninteressant, der Humor infantil, und seit wann können eigentlich Seepferde wiehern? Der gesetzte Tonfall war schief, und daran hat sich bis zum Abspann nichts geändert.

Das Drehbuch stammt zwar von David Leslie Johnson-McGoldrick, aber an der Story haben zudem James Wan, Jason Momoa und Thomas Pa’a Sibbett mitgewirkt, und viele Köche verderben bekanntlich den Brei. Nichts, wirklich nichts an dieser dünnen Geschichte ist originell oder raffiniert, sondern bestenfalls geschickt geklaut. Kane ist ein schlecht geschriebener Schurke, der Rache für seinen Schurken-Vater will, dabei aber nicht den Kampf mit Aquaman sucht, wie man es vielleicht erwarten würde, sondern zuerst den Planeten zerstört, um sich dann dem König von Atlantis im Zweikampf zu stellen. Warum? Weil Kordax es wohl so will, und der böse König im Eis hat Besitz von Kanes Verstand genommen und ihn in eine Mischung aus dem Froschkönig und Gollum verwandelt. Überhaupt erinnert die Backstory von Kordax stark an Der Herr der Ringe, nur wird hier ein Dreizack geschmiedet und kein Ring. Sogar der Look ist ähnlich.

Ein anderes Franchise, das skrupellos ausgeschlachtet wurde, ist Star Wars. Orm wird in einer Wüstenfestung gefangen gehalten (wo sonst würde man das Gefängnis eines Unterwasser-Königreichs vermuten?) und von seltsamen Kreaturen bewacht, die an die Sandleute erinnern. Aquaman befreit seinen Bruder Orm und reist mit ihm zu einem Informanten, der nicht nur aussieht wie Jabba the Hut, sondern auch in einer ähnlichen Umgebung lebt. Erstaunlich, dass Disney die Macher nicht verklagt hat.

Eine gute Geschichte lebt von einem starken Schurken, aber das ist leider nicht der Fall, obwohl es sogar zwei davon gibt. Aber Kane bleibt, wie gesagt, vollkommen blass, und Kordax spielt erst ganz am Ende eine kleine Rolle. Beide sind jedoch keine ernstzunehmenden Gegner für einen Helden, der den Mund stets so voll nimmt wie Aquaman. Als überforderter Vater soll er wohl Sympathiepunkte sammeln, agiert jedoch die ganze Zeit über so arrogant und selbstgefällig, dass man jede Lust verliert, Anteil an seinem Schicksal zu nehmen. Auch der Humor ist die meiste Zeit über peinlich und infantil, und die Idee, aus den ehemaligen Feinden nun zwei Brüder auf einer Mission zu machen, scheitert an der fehlenden Chemie zwischen einem viel zu aufgedrehten Momoa und einem sichtlich gelangweilten Wilson. Wahrscheinlich ist er so miesepetrig drauf, weil er für seinen muskelbepackten Körper monatelang auf Kohlenhydrate verzichten musste. Auch die anderen Darsteller machen keine gute Figur. Nicole Kidman und Amber Heard sind beispielsweise so blass, dass man sie ständig übersieht, was vielleicht auch am erschreckend hohen Testosterongehalt im Wasser liegt.

Hatte man im ersten Teil noch das Gefühl, die Geschichte spielt auf unserem Planeten, verliert sich die Handlung nun in virtuellen Welten. Im Grunde ist Aquaman – Lost Kingdom ein Animationsfilm, denn fast alles ist computergeneriert, oftmals leider sehr schlecht. Auch die Regie von James Wan lässt zu wünschen übrig, vermag man bei den ziemlich konventionellen, einfallslosen Actionszenen nie zu sagen, was eigentlich passiert, da alles immer gleichzeitig zu geschehen scheint. Es herrscht ein unübersichtliches Gewimmel, aus dem allein Aquamans goldglänzendes Kostüm heraussticht. Der Rest ist ein Strudel aus Farben und Formen.

Der Film ist keine völlige Katastrophe, auch wenn es viel zu bemängeln gibt. Immerhin macht die Story einigermaßen Sinn, es gibt jede Menge Schauwerte und Action, und alles wird in einem so schnellen Tempo erzählt, dass man nicht so viel Zeit zum Nachdenken hat. Wer also unbedingt wissen will, wie die Geschichte von Aquaman nach seinem ersten Abenteuer weitergeht, oder ein Hardcore-Fan von DC Comics ist, findet durchaus einiges Vergnügen an diesem Unterwassermärchen. Allen anderen sei empfohlen, sich zwei Stunden vor ein Aquarium zu setzen.

Note: 4-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.