The Gangster, the Cop, the Devil

Südkorea ist seit Jahren der Hotspot der internationalen Popkultur und liefert beständig frische Ideen und neue Hits wie Squid Game oder Parasite. Das Land hat auch ein sehr begeisterungsfähiges Publikum, das pro Kopf durchschnittlich 2,4 Mal pro Jahr ins Kino geht und damit mehr als doppelt so oft wie wir (1,1 Mal). Auch der einheimische Marktanteil ist überdurchschnittlich hoch: Jedes zweite Ticket wird für einen koreanischen Film gelöst, und auch die TV- und Streaming-Serien erfreuen sich überaus großer Beliebtheit. Und was ist das Geheimnis des Erfolgs? Die Produzenten trauen sich was, lassen die Kreativen neue Ideen ausprobieren und bedienen vor allem jedes Genre.

Inzwischen kommen immer mehr koreanische Filme und Serien auch zu uns, es gibt vor allem auf Netflix, aber auch auf Disney+ und anderen Streamingdiensten eine wahre Flut an Produktionen aus diesem Land. Leider haben mir viele, die ich in jüngerer Zeit angesehen habe, nicht besonders gefallen. Daher war ich neugierig auf diesen, etwas ungewöhnlichen Thriller.

The Gangster, the Cop, the Devil

Jung Tae-seok (Kim Mu-yeol) ist ein ehrgeiziger, unbestechlicher Kriminalkommissar, der sich nicht scheut, dem mächtigen Gangsterboss Jang Dong-su (Ma Dong-seok), der sein Geld mit manipulierten Spielautomaten verdient, auf die Füße zu treten. Als er an den Tatort eines Mordes gerufen wird, erkennt er schnell, dass die Tat Ähnlichkeit zu anderen Morden in den vergangenen Wochen hat, und vermutet, dass ein Serienkiller am Werk ist. Sein Vorgesetzter, der auf der Gehaltsliste Jang Dong-sus steht, glaubt ihm jedoch nicht. Das nächste Opfer des Mörders ist jedoch ausgerechnet Jang Dong-su, der den Messerangriff verletzt übersteht und den Täter identifizieren könnte, ihn aber lieber allein zur Strecke bringen will. Doch der Kommissar überredet ihn, mit ihm gemeinsame Sache zu machen.

Ein Polizist und ein Mafiaboss schließen sich zusammen, um einen Serienkiller zur Strecke zu bringen. Das ist eine originelle und solide Grundidee, die entfernt an Das Schweigen der Lämmer erinnert, in der sich das Gesetz auch mit einem Bösewicht einlässt, um einen weiteren Schurken zu fassen. Anders als dieser Klassiker wartet der koreanische Thriller jedoch nicht mit psychologischen Abgründen und einem Seelenstriptease der Hauptfigur auf, sondern setzt vielmehr auf Action – und Humor.

Leider gibt es mit dem Kommissar Jung Tae-seok eine ausgesprochen nervige und extrem unsympathische Figur, die man schon nach kurzer Zeit mehr verabscheut als den Killer. Überhaupt wird ein sehr negatives Bild der Polizei gezeichnet, die entweder korrupt oder vollkommen inkompetent ist. Jung Tae-seok ist zwar unbestechlich und stolz darauf, aber auch ein furchtbarer Angeber und Westentaschen-Rambo, der sich wenig um Hierarchien oder korrekte kriminalistische Vorgehensweisen schert.

Regisseur und Drehbuchautor Lee Won-tae liefert ein interessantes Bild der koreanischen Gesellschaft ab, das einem bizarren Machismo huldigt. Nahezu alle Protagonisten sind männlich, die einzige Ausnahme ist eine gelegentlich auftauchende Kriminaltechnikerin, die als einzige besonnen und kompetent erscheint. Man könnte es durchaus als Gesellschaftskritik begreifen, zumal auch alle Männer in der Geschichte ein Aggressionsproblem haben und im Zweifelsfall erst einmal die Fäuste fliegen lassen, bevor sie ihr Hirn einschalten. Vielleicht ist das sogar satirisch gemeint, auch wenn es nicht den Anschein hat.

In gewisser Weise ist der Film eine Studie über Macht und ihren Missbrauch. Der Gangster, der sich stark und unangreifbar fühlt, wird zum Opfer des Killers, überlebt zwar, gilt aber nun als schwach und schlittert in einen Bandenkrieg mit einem Rivalen hinein, der diesen Moment ausnutzen will. Der Cop fühlt sich, weil er Gesetz und Moral auf seiner Seite weiß, unangreifbar und nutzt diese Macht aus, um seinen beruflichen Ehrgeiz zu stillen. Ihm geht es nicht um Gerechtigkeit oder die Opfer, sondern nur um seine Beförderung. Der Killer, the devil in diesem Fall, genießt die Macht über Leben und Tod und ist damit die ehrlichste Figur der Geschichte.

Das alles ist solide konzipiert und besitzt immer wieder ungeheuer dichte und spannende Momente. Die Ermittler und der Killer liefern sich Verfolgungsjagden und in der zweiten Hälfte ein Katz-und-Maus-Spiel, in dem es einige überraschende Wendungen gibt, insbesondere im Finale. Auch Kamera und Schnitt sind überdurchschnittlich gut. Das alles macht The Gangster, the Cop, the Devil zu einem sehenswerten Film. Allerdings mit ein paar Abstrichen: In der ersten Hälfte ist das Tempo zu langsam, der Kommissar nervt, der Humor ist grenzwertig und bisweilen infantil, was nicht so ganz zur düsteren Thriller-Atmosphäre passt, und insgesamt bleibt das Drehbuch unter seinen Möglichkeiten. Falls Hollywood ein Remake machen sollte, wäre jedenfalls genug Raum für Verbesserungen.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.