Reporter des Satans

Als wir 2018 unterwegs in die Südstaaten waren, machten wir auch in Gallup, New Mexico Halt. An viel kann ich mich nicht erinnern, die Stadt ist ein typisches verschlafenes Nest im Südwesten an der Route 66, dessen größte filmhistorische Sehenswürdigkeit das Hotel El Rancho ist, in dem früher viele Hollywoodstars abgestiegen sind, die in der Nähe Western gedreht haben.

Zwar keinen Western, aber dafür einen Klassiker der Filmgeschichte hat Billy Wilder 1951 westlich der Stadt gedreht und dafür eine indianische Felsensiedlung nachbauen lassen, die danach touristisch ausgeschlachtet wurde. Wer weiß, vielleicht steht sie immer noch, und wir haben sie schlichtweg verpasst? Dafür habe ich mir nun den Film angeschaut.

Reporter des Satans

Chuck (Kirk Douglas) ist ein begabter Journalist, der mit seiner arroganten und zynischen Art jedem vor den Kopf stößt und aufgrund seines respektlosen Verhaltens ständig gefeuert wird. Abgehalftert und pleite heuert er schließlich bei der Albuquerque Sun als Reporter an, in der Hoffnung, eines Tages auf einen Knüller zu stoßen, durch den er wieder einen Job bei einer renommierten Zeitung ergattern kann. Nach einem Jahr sitzt er immer noch in dem Kaff fest und trinkt zu viel. Doch dann wird ein Mann auf der Suche nach indianischen Artefakten in einer Höhle verschüttet, und Chuck lässt nichts unversucht, um die Bergungsarbeiten zu verzögern, damit er die Story ausschlachten kann.

Es kommt sicherlich nicht oft vor, dass ein Studio bereits wegen der Verletzung von Urheberrechten verklagt wird, bevor ein Film überhaupt gedreht wurde. Billy Wilder, der zusammen mit Walter Newman und Lesser Samuels auch das Drehbuch schrieb, ist dieses Kunststück gelungen, denn die Geschichte basiert lose auf einer wahren Begebenheit, an der sich jemand die Rechte gesichert hatte. Am Ende einigte man sich außergerichtlich, und das Ereignis findet im Film Erwähnung.

Dass ein Star wie Kirk Douglas einen so negativ besetzten Charakter wie Chuck spielt, war Anfang der Fünfzigerjahre völlig untypisch. Tatsächlich entspricht die Figurenkonstellation eher einem Film-Noir, ähnlich Wilders Frau ohne Gewissen, mit einem zynischen Antihelden, der aus Eigennutz seine Prinzipien verrät und keinerlei Moral zu haben scheint. Aus seinen früheren Jobs ist er rausgeflogen, weil er Menschen verleumdet oder betrogen hat, außerdem ist er ein verbitterter Alkoholiker. Kurz gesagt, Chuck ist ein mieser Kerl, und selbst ein sympathischer Darsteller wie Douglas kann den Zuschauer nicht dazu bringen, ihn zu mögen. Das versucht er auch erst gar nicht.

Filme mit einer negativ besetzten Hauptfigur funktionieren vor allem dann, wenn alle anderen Figuren noch schlimmer sind oder zumindest von ähnlich zweifelhaftem Charakter. Entsprechend gibt es noch Lorraine (Jan Sterling), die Frau des Verschütteten, die ihren Mann nicht liebt und das Leben in der Kleinstadt hasst. Als sie vom Unglück ihres Mannes erfährt, packt sie sofort ihre Sachen, um ihn zu verlassen, doch Chuck kann sie davon überzeugen, dass sie lieber die besorgte Ehefrau spielen und von dem Unglück profitieren sollte. Dank ihres Geschäftssinns brummt die Tankstelle mit Imbiss, die die Familie betreibt, und sie ist sich nicht einmal zu schade dafür, Eintritt für die Unglücksstelle zu verlangen.

Schon bald verwandelt sich der Ort buchstäblich in einen Zirkus – mit großen Zelten, Imbissbuden, Souvenirständen und Karussells. Schaulustige campieren dort und warten auf die Rettung, von der sie sich ein großes Spektakel erwarten. Doch Chuck hält alle Fäden in der Hand, er holt den Sheriff auf seine Seite, der nur an seine Wiederwahl denkt, und bringt den Ingenieur, der die Rettung koordiniert dazu, eine langsamere Methode zu wählen. Gleichzeitig freundet er sich mit dem Verschütteten an, der Chuck bald für seinen besten Freund hält und ihm all seine Geheimnisse anvertraut.

Das Problem, dass das Buch hat, liegt auf der Hand: Die Handlung spitzt sich relativ schnell zu – und tritt dann auf der Stelle. Spannung käme nur auf, wenn Chucks Plan gefährdet wäre, aber das ist nur am Anfang der Fall, danach hat er alles unter seine Kontrolle. Der Reporter wird bald selbst zur Nachricht und zum Sprachrohr des Verschütteten und seiner Familie, und natürlich ist er nach einigen Tagen am Ziel seiner Wünsche und bekommt ein lukratives Jobangebot.

Dass eine solche Geschichte nicht glücklich enden kann, weiß man bereits früh, und so zieht sich die zweite Hälfte ein wenig, bis sie am Ende noch einmal packend und tragisch wird, aber keinerlei Überraschungen mehr bereit hält.

Ein Klassiker der Filmgeschichte, den man kennen sollte, und eine bitterböse Abrechnung mit der Skandalpresse, die aus heutiger Perspektive dennoch relativ harmlos wirkt, weil man weiß, dass die sozialen Medien noch viel schlimmer sind.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.