Die ersten Ausschnitte, die wir auf der Münchner Filmwoche gesehen haben, konnten mich nicht überzeugen. Robotron Crusoe, habe ich die Story über einen gestrandeten Roboter auf einer einsamen Insel genannt, der ums Überleben kämpft und dabei immer mehr verwildert. Als wir dann weitere Szenen zu sehen bekamen, musste ich feststellen, dass ich die Story falsch eingeschätzt hatte, denn es ging vor allem um den Roboter und ein verwaistes Gänseküken, die eine seltsame Mutter-Kind-Beziehung aufbauen. So richtig passte das für mich nicht zusammen, daher wollte ich mir den Film – auch weil er eine gute Mundpropaganda hatte – unbedingt anschauen.
Der wilde Roboter
Roz ist ein intelligenter Roboter, der kreiert wurde, um den Menschen schwere Arbeit im Haus oder auf dem Feld abzunehmen und der nach einem Schiffbruch an den Strand einer einsamen Insel gespült wird. Seiner Programmierung folgend versucht Roz zunächst, einen Benutzer zu finden, dem er zu Diensten sein kann, kommt damit bei den teils verängstigten, teils aggressiven Tieren jedoch nicht gut an. Also geht Roz in sich, lernt die Sprache der Tiere und versucht einen Neuanfang, bleibt jedoch weiter ein Außenseiter. Unbeabsichtigt zerstört Roz das Nest einer Gänsefamilie und kann nur ein einzelnes Ei retten, das er ausbrütet und dessen Küken er aufziehen will. Dabei kommt ihm ein Fuchs namens Fink in die Quere, der Appetit auf Gänse hat, schließlich jedoch zu einem Verbündeten und Gefährten wird. Zusammen mit der Gans Brightbill bilden sie eine seltsame Familie.
Eines vorweg: Trotz des männlichen Pronomens ist Roz eigentlich ein weiblicher Roboter, im Original gesprochen von Lupita Nyong’o, in der Synchronfassung von Judith Rakers. Der Einfachheit halber bleibe ich hier jedoch bei „er“.
Der Animationsfilm von Chris Sanders beruht auf einem Roman von Peter Brown und ist eine reine Wundertüte. Die Geschichte beginnt mit der Ankunft von Roz nach einem Sturm und den Versuchen, sich in der fremden Umgebung zurechtzufinden. Die Natur und vor allem die Tiere sind gleichgültig bis feindselig eingestellt, und niemand braucht einen Roboter, dessen einziger Lebenszweck es ist, gebraucht zu werden. So versucht Roz, eine neue Bestimmung zu finden und muss sich an die ungewöhnliche Umgebung anpassen.
Die Story handelt von Anpassung und der Suche nach einem Sinn im Leben und bekommt damit einen schon philosophischen Unterton. Was macht aber ein Roboter, wenn er aufgrund seiner Programmierung an Grenzen stößt und nicht umsetzen kann, wozu er kreiert wurde? Roz ist entweder dazu verdammt, am ewig Gleichen festzuhalten oder sich weiterzuentwickeln und neue Pfade zu beschreiten und das macht ihn so ungeheuer menschlich und sympathisch. Roz überschreibt seine Programmierung und findet schließlich mit der Geburt von Brightbill eine neue, unerwartete Bestimmung.
Bis dahin vergeht einige Zeit, und die Autoren füllen diese mit einer unglaublichen Menge an Gags, witzigen Situationen und schrägen, aber liebenswerten Figuren. Ob es nun der ehrgeizige Biber, die überforderte Opossum-Mutter oder der gerissene Fuchs ist, jedes Tier bekommt individuelle Züge, die zu seinem Image passen, das dann aber kräftig gegen den Strich gebürstet wird. Und jede tierische Nebenfigur bekommt eine kleine, hübsche Geschichte, die mit den anderen verwoben ist und die allesamt im dramatischen Finale zusammenlaufen. Das ist wunderbar geschrieben, sehr dicht erzählt und ungemein unterhaltsam.
Im emotionalen Zentrum steht aber die Beziehung zwischen Roz und Brightbill, der zu einem jungen Ganter heranwächst und irgendwann mit seinen Artgenossen fortziehen soll. Auch hier gibt es wieder ein Feuerwerk an Gags und witzigen Momenten, gefolgt vom emotionalen Abschied, der das alte Sprichwort mit Leben erfüllt, dass Kinder wie Uhren sind, die man aufziehen und dann gehen lassen muss.
Ganz nebenbei streift der Film noch erste Themen wie Umweltzerstörung und Klimawandel, ohne diese allerdings zu vertiefen. Sie sind nur Teil des Hintergrunds, fügen dem Film aber eine weitere Ebene und verhaltene Gesellschaftskritik hinzu. In erster Linie handelt Der wilde Roboter jedoch vom Mut des Einzelnen, von Außenseitern, die gesellschaftliche Vorurteile überwinden müssen, von Gemeinschaften, die nur überleben können, wenn das Verbindende über das Trennende triumphiert. Vor allem erzählt er einfühlsam, emotional berührend und mit großer Kraft von Freundschaft und Liebe und von der, wie Armistead Maupin einmal sagte, logischen Familie, die wir uns suchen müssen, wenn wir keine biologische haben. Stellenweise wirkt das alles ein wenig überfrachtet, und auch die Animation erscheint an manchen Stellen unfertig, aber das sind Kleinigkeiten, über die man gut hinwegsehen kann.
Insgesamt ist Der wilde Roboter ein fast perfekter, ungemein witziger, aber auch warmer und tröstlicher Film, der einen fest in den Arm nimmt und nicht mehr loslässt.
Note: 2+