In den letzten sieben Jahren ist es still geworden um Kathryn Bigelow, die seit Detroit keinen Spielfilm mehr gedreht hat. Zwar sind zwei neue Projekte von ihr in Planung, darunter ein Netflix-Film, aber wer weiß, wie lange es dauern wird, bis sie erscheinen. Zeit also, sich noch einmal ihren zweiten Langfilm aus dem Jahr 1987 anzuschauen, von dem ich heute nicht mehr sagen kann, ob ich ihn damals im Kino oder auf Video gesehen habe. Als er kürzlich im Fernsehen lief, war ich neugierig, wie er mir heute gefallen würde, und auch wenn von diesem keine späte Fortsetzung geplant ist, würde ich mir ein Remake von dem Stoff wünschen.
Near Dark – Die Nacht hat ihren Preis
Caleb (Adrian Pasdar) ist der Sohn eines Ranchers und Tierarztes in Oklahoma, der nach Abwechslung in seinem langweiligen Kleinstadtleben sucht. Eines Nachts begegnet er der hübschen Mae (Jenny Wright), die er hartnäckig anmacht. Als er sie nach Hause fährt, kommt es zum Austausch von Zärtlichkeiten, wobei Mae ihm in den Hals beißt und dann in die Nacht hinaus flieht. Calebs Wagen bleibt kurz darauf liegen, und er muss in der Morgendämmerung nach Hause laufen. Als die Sonne aufgeht, geht es ihm schlecht, sein Körper scheint zu verbrennen, und bevor er weiß, wie ihm geschieht, wird er von Mae und ihrer Clique entführt.
Das Wort Vampir fällt nicht ein einziges Mal in diesem romantisch angehauchten Horrorfilm mit Neo Noir- und Western-Elementen, dabei weiß der einschlägig gebildete Zuschauer sofort, womit er es zu tun hat. Nur Caleb braucht natürlich etwas länger dafür. Adrian Pasdar spielt den Kleinstadt-Casanova überzeugend, für heutige Betrachter allerdings ein wenig zu machohaft und forsch. Wie er über Mae herfällt und einen Kuss einfordert, ist so übergriffig, dass er heute dafür verhaftet werden könnte. Aber es waren halt andere Zeiten, und Oklahoma ist wie Texas die Heimat harter Kerle.
Zu diesen gehören auch die Vampire, die ruhelos durch das Land ziehen. Ihr Anführer ist Jesse (Lance Henrikson), ein ehemaliger Südstaatensoldat, der mit Diamondneck (Jenette Goldstein) zusammen eine Familie gegründet hat. Mit Homer (Joshua Miller) gibt es sogar einen Kinder-Vampir und mit Severen (Bill Paxton) das schwarze Schaf. Vor allem der psychopathische Severen macht Caleb lange das Leben schwer, der nur dann von der Gruppe akzeptiert und aufgenommen wird, wenn er einen Menschen tötet.
Kathryn Bigelow, die zusammen mit Eric Red auch das Drehbuch schrieb, stellt Calebs Dilemma in den Mittelpunkt: Einerseits ist er ein harter Kerl, andererseits ein gut erzogener Junge mit einem starken moralischen Kompass, für den Mord keine Option ist. Selbst die zarte Mae hat weniger Skrupel, aber ein weiches Herz, weshalb sie Caleb durchfüttert, obwohl die anderen ihn bereits loswerden wollen.
Die Vampire in dieser Geschichte unterscheiden sich stark von den campen Figuren einer Anne Rice oder den goldglitzernden Boys aus der Twilight-Saga, sie sind wilde Outlaws und irren wie die Geister früherer Westernlegenden durch das ländliche Amerika, wobei sie eine Spur aus Blut und Gewalt hinter sich herziehen. Sie wirken wie die fleischgewordene Heimsuchung amerikanischer Geschichte, und ihre einzige Verbündete ist die Nacht, die vor allem Mae romantisch verklärt. Diese Lebensumstände, der Zwang, ständig unterwegs sein zu müssen, um neue Nahrung und Verstecke zu finden, die Unbarmherzigkeit der Sonne, die sie sofort in Flammen aufgehen lässt, und die Feindseligkeit der Menschen, die sie instinktiv bekämpfen, werden von Bigelow eindringlich beschrieben. Hier gibt es keine Romantik, keine Familienidylle, diese Vampire sind gefährlich und wild.
Vielleicht wird der Film deshalb als einer der besten Vampirfilme aller Zeiten gehandelt. Vielleicht auch wegen zwei sehr intensiver Szenen, in denen sich die Helden einen erbitterten Kampf gegen Menschen liefern. Oder wegen der romantischen Liebesgeschichte zwischen Caleb und Mae, die nach einem Ausweg suchen aus ihrem Dilemma.
Damals hat mir die Geschichte nicht allzu gut gefallen, und auch heute sieht man klar die Mängel, die sowohl das Drehbuch als auch der Film besitzen: Das Tempo ist zu langsam, Caleb zu passiv, die Liebesbeziehung nicht ganz überzeugend. Near Dark – Die Nacht hat ihren Preis hat aber auch seine Stärken, zu denen tolle Darsteller und einige ungeheuer intensive Szenen gehören sowie ein überraschend positives Ende. Ein Remake könnte all die Stärken herausarbeiten und auf die Schwächen verzichten. Hollywood sollte mal darüber nachdenken.
Note: 3