Alien: Romulus

Der Film könnte auch Alien 7 heißen oder sogar Alien 2, weil er zeitlich zwischen dem Originalfilm von 1979 und seiner Fortsetzung von 1986, die lediglich Aliens hieß, angesiedelt ist. Die Handlung spielt zwanzig Jahre nach Ripleys Kampf auf der Nostromo und 37 Jahre bevor sie gefunden und aus dem Kälteschlaf geweckt wird, während der Film 45 Jahre nach seinem chronologischer Vorgänger in die Kinos kam. Also könnte man den Film sogar Während du schliefst betiteln. Das Universum ist schon ein verwirrender Ort.

Mit dem Trailer zum neuen Monsterfilm im All bin ich nie warm geworden, die Story war zu dünn, was man gesehen hat, viel zu blutig, und das titelgebende Alien tauchte viel zu häufig auf. Klar, inzwischen weiß jeder, wie das Biest ausschaut, aber man muss es dennoch nicht ständig zeigen. Meine Erwartungen waren nicht allzu hoch, als ich letzte Woche ins Kino ging (in dem es übrigens fast so kalt wie im Weltraum war, so dass ich bei dreißig Grad mit einer Jacke an der Kasse aufgetaucht bin und schräge Blicke auf mich gezogen habe).

Alien: Romulus

Rain (Cailee Spaeny) hat früh ihre Eltern verloren, die auf einem in ständiger Dunkelheit gehüllten Planeten als Minenarbeiter für den Konzern Weyland-Yutani gearbeitet haben. Inzwischen hat Rain ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllt und stellt einen Ausreise-Antrag, um auf dem benachbarten Planeten Yvaga endlich einmal die Sonne sehen zu können. Doch dieser wird abgelehnt. Ihr einziger Halt im Leben ist ihr „Bruder“ Andy (David Jonsson), ein ausgemusterter Android des Konzerns. Dessen Hilfe brauchen ein paar Bekannte von Rain, die eine im Orbit treibende Raumstation ausgemacht haben und auf dieser nach Cryostasekapseln suchen wollen, um mit ihnen nach Yvaga zu reisen. Für eine Passage ist Rain bereit, ihnen Andy zu leihen, und so machen sich die ungleichen Geschwister zusammen mit Tyler (Archie Renaux), seiner schwangeren Schwester Kay (Isabela Merced), dem Grobian Bjorn (Spike Fearn) und dessen Freundin Navarro (Aileen Wu) auf den Weg ins All.

Der aus Uruguay stammende Regisseur Fede Álvarez hat mit seinen ersten beiden Langfilmen, dem Reboot Evil Dead und dem Thriller Don’t Breathe, für Aufsehen gesorgt und auch bei diesem Projekt wieder zusammen mit seinem Co-Autor Rodo Sayagues gearbeitet. Gemeinsam haben sie ein Skript entwickelt, das halb Remake, halb Fortsetzung von Alien ist und sich vor allem an die Fans des Franchises richtet. Ob es die Ausstattung, das Aliendesign oder auch die Musik ist, alles ist stimmig und weckt nostalgische Gefühle, und mit Ian Holm ist sogar ein Typ des unberechenbaren Androiden mit dabei, der schon Ripley genervt hat (freilich computeranimiert, da der Mime vor vier Jahren verstorben ist).

Die Story ist sehr effizient erzählt, etabliert Rain und ihren „Bruder“ Andy, der aufgrund fehlender Updates ein wenig wie ein Autist wirkt, als liebevolle, vom Schicksal arg gebeutelte Figuren, die nur den unschuldigen Wunsch haben, einen Platz an der Sonne zu ergattern. Buchstäblich. Irgendwann heißt es, die Menschen seien für die Besiedelung des Universums nicht geschaffen, da sie zu anfällig seien, und tatsächlich erfährt man von immer neuen Krankheiten und Katastrophen, die die Minenarbeiter dezimieren.

Entfernt erinnert diese feindselige, brutale und gnadenlos kapitalistische Welt des Weyland-Yutani-Konzerns natürlich an die USA, wo ebenfalls hart arbeitende Einwanderer für die Erfüllung ihrer Träume kämpfen. Und da alle Figuren sehr jung sind, kann man die Geschichte auch als Blaupause des Kampfes einer jungen Generation für eine sichere und saubere Umwelt sehen, während um sie herum das System zusammenbricht. Dazu passt perfekt das Weltbild von Alien mit seinen schrottigen Raumschiffen, der abgewrackten Technik und den düsteren Gängen, das seinerzeit das Post-Vietnam-Amerika widerspiegelte.

Leider verwenden die Autoren nicht so viel Geschick und Zeit auf die Vorstellung der anderen Figuren, die eher mit dem groben Pinsel gezeichnet sind. Tyler erscheint noch als Love-Interest von Rain, doch eine Romanze entfaltet sich nicht, und mit Bjorn gibt es noch den obligatorischen Fiesling, der für Spannungen innerhalb der Gruppe sorgt. Der wahre Übeltäter lauert jedoch in der aufgegebenen Raumstation, die natürlich innerhalb weniger Stunden zerstört werden wird. Eine tickende Uhr macht sich immer gut, um für Suspense zu sorgen.

Tatsächlich ist der Film flott inszeniert, macht es den Protagonisten immer so schwer wie möglich, ihr Ziel zu erreichen, und bringt sie schon bald in Konflikt mit den gefräßigen Aliens. Hier und da wird man von Jump-Scares überrascht, ansonsten setzt der Regisseur auf die bekannten Ekel-Effekte, die Facehugger und aus dem Brustkorb herausbrechende Monster erzeugen. Álvarez hat so gut wie nichts Neues dem Alien-Universum hinzuzufügen, spielt aber gekonnt auf der Klaviatur der Ängste, weiß, wie man die Spannungsschraube gekonnt anzieht, und spart nicht mit dem, was die Genrefans lieben.

Im Grunde macht der Film alles richtig. Es gibt zwar ein paar Aliens zu viel (was wohl der Inflation geschuldet ist), ein paar kleinere Ungereimtheiten und einen zu sehr in die Länge gezogenen Showdown, aber alles in allem wird man ungemein gut unterhalten. Da der Film auch an den Kassen sehr erfolgreich ist, weil er relativ wenig gekostet hat, aber viel teurer ausschaut, dürfte Alien 8 wohl nichts mehr im Wege stehen.

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.