Es gibt Bücher, die einen so großen Einfluss auf die Popkultur genommen haben, dass man zumindest ihre Titel schon mal in dem einen oder anderen Zusammenhang gehört hat, selbst wenn man die Bücher selbst nicht gelesen hat. Der Fänger im Roggen von J.D. Salinger gehört dazu, Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen von Joanne Greenberg – oder Bist du da, Gott? Ich bin’s, Margaret von Judy Blume. Alle drei handeln vom Erwachsenwerden und den kleinen, großen und sogar gewaltigen Problemen, die damit einher gehen, und alle sind bereits viele Jahrzehnte alt.
Letzteren habe ich tatsächlich nie gelesen, aber das Werk gehört zu den bekanntesten Titeln der Siebzigerjahre und wurde vom Time-Magazin zu einem der besten englischsprachigen Bücher der letzten hundert Jahre gewählt. Verfilmt wurde es erst vergangenes Jahr – und damit schneller als der um einiges ältere Der Fänger im Roggen. Der Film ist bei Netflix.
Are You There, God? It’s Me, Margaret.
Kaum aus dem Sommercamp nach New York City zurückgekehrt, erfährt die elfjährige Margaret (Abby Ryder Fortson), dass ihre Eltern (Rachel McAdams und Benny Safdie) beschlossen haben, nach New Jersey zu ziehen. Weder das Mädchen noch seine Großmutter (Kathy Bates) sind davon begeistert. Doch Margaret findet schnell neue Freundinnen, mit denen sie darum wetteifert, wer als erste einen BH trägt oder ihre Periode bekommt. Und mit dem Nachbarjungen Moose (Aidan Wojtak-Hissong) gibt es sogar einen niedlichen Jungen, in den sie sich verguckt.
Der etwas ungewöhnliche und sperrige Titel rührt daher, dass Margaret eine christliche Mutter und einen jüdischen Vater hat und selbst konfessionslos aufwächst. Ihre Eltern meinen, sie solle sich eine Religion aussuchen, wenn sie alt genug ist, und als ihr Lehrer (Echo Kellum) ihr als Schulprojekt aufträgt, einen Aufsatz über die verschiedenen Religionen und ihre spirituelle Suche zu schreiben, geht sie mit ihrer Großmutter in die Synagoge und mit ihren Freundinnen in diverse Kirchengemeinden. Doch nirgends findet sie, wonach sie sucht. Hinzukommt, dass ihre mütterlichen Großeltern, erzkonservative Christen, den Kontakt mit ihrer Tochter abgebrochen haben, nun aber Einfluss auf Margarets Entscheidung nehmen wollen, was zu einem Konflikt in der Familie führt.
Im Kern ist die Geschichte ein typischer Coming-of-Age-Film, der von der Suche nach Identität und Zugehörigkeit handelt. Margaret sucht ihren Platz in der Welt, nachdem sie aus ihrem bekannten Umfeld verpflanzt wurde. Außerdem erreicht sie in dem Jahr, in dem die Story spielt, die Pubertät mit all ihren unbekannten Schrecken.
Es werden dabei viele unterschiedliche, aber zusammenhängende Themen angesprochen. Die erste Periode, das Tragen eines BHs, der erste Kuss, das erste Verliebtsein und vieles mehr. Leider werden all diese Aspekte meist nur angerissen und nicht vertieft, das gilt auch für die verschiedenen Nebenstränge, die beispielsweise von der Suche der Mutter nach Erfüllung handeln. Manches wird auch viel zu schnell abgehakt, etwa die Einsamkeit der Großmutter, die sie Hals über Kopf in einer neuen Beziehung zu überwinden versucht. Das alles wird auf eine ruhige, unaufgeregte Art erzählt, nett, aber nicht spektakulär und vor allem auch nicht übermäßig originell.
Eine Reduktion auf einige wenige Themen hätte dem Drehbuch der Regisseurin Kelly Fremon Craig sicherlich gut getan, es hätte aber auch nicht geschadet, die vorhandenen Konflikte weiter auszubauen. Etwa das komplizierte Verhältnis Margarets zu ihren Freundinnen oder zu der Außenseiterin Laura (Isol Young), aber auch zum Nachbarsjungen Moose. Obwohl es viele gelungene Szenen gibt und man insgesamt gut unterhalten wird, bleibt das Gefühl, dass man aus all dem mehr hätte machen können und dass die Geschichte in ihrer Summe nicht ganz rund ist.
Note: 3