Der Babadook

Der Film befand sich gefühlt Jahrzehnte auf meiner Watchlist, obwohl er gerade mal zehn Jahre alt ist. Irgendwie hatte ich in Erinnerungen, dass es ein europäischer Horrorfilm ist, zumindest definitiv kein amerikanischer. Tatsächlich stammt er aus Australien. Und zusammen mit Talk to me ist Der Babadook ein weiterer Horrorfilm von Down Under, den ich kürzlich gesehen habe.

Damit nicht genug. Ungeplant sind mir in letzter Zeit noch weitere interessante Produktionen aus dem Reich der Kängurus untergekommen: Vor ein paar Wochen habe ich mir die zweite Staffel von Upright angesehen, einer witzigen, nachdenklichen Serie über einen skurrilen Roadtrip. Ebenso witzig, feinfühlig inszeniert und sehenswert ist Bump, eine Serie über eine schwangere Teenagerin. Und Total Control über eine indigene Frau, die unverhofft Senatorin wird und die australische Politik aufmischt, war für mich tatsächlich die spannendste und intelligenteste Serie des Jahre. Es tut sich was in Down Under.

Der Babadook

Auf dem Weg zur Entbindung verunglückt der Wagen, und Amelias (Essie Davis) Ehemann (Benjamin Winspear) kommt ums Leben. Sechs Jahre später hat Amelia, die inzwischen ihren Beruf als Autorin aufgegeben hat und in einem Altersheim arbeitet, dieses Trauma noch immer nicht verkraftet. Zum Teil gibt sie ihrem Sohn Samuel (Noah Wiseman) die Schuld, der ein sehr herausforderndes Kind ist. Der hyperaktive Junge, der die nervige Angewohnheit besitzt, alles auszusprechen, was ihm gerade durch den Kopf geht, fürchtet sich seit einiger Zeit vor Monstern und baut Apparate, um sie zu bekämpfen. Als er eine dieser gefährlichen Konstruktionen mit in die Schule nimmt, wird er prompt suspendiert.

Amelia ist mit ihrer Kraft am Ende, nicht einmal ihre Schwester (Hayley McElhinny) will sie mehr unterstützen. Da taucht eines Tages ein Pop-Art-Kinderbuch im Regal auf, das die Geschichte vom Babadook erzählt, einem Monster, das sich zuerst Zugang zum Heim und dann zum Kopf seiner Bewohner verschafft, um sie zu quälen und zu töten. Amelia wirft es weg, aber dann geschehen seltsame Dinge, die auf die Ankunft des Babadook hindeuten.

Gruselige Pop-Art-Kunst taucht auch in der Serie Evil auf, und man fragt sich, ob sie sich vielleicht von diesem Film dazu inspirieren ließen. Woher dieses unheimliche Kinderbuch stammt, wird nie aufgeklärt, was die Heimsuchung noch heimtückischer macht. In den meisten Filmen sind die Protagonisten ja selbst schuld, weil sie entweder ein verfluchtes Objekt von Flohmarkt mit nach Hause nehmen oder den Namen eines Monsters laut aussprechen. Hier reicht ein unschuldiger Griff ins eigene Bücherregal, um den Horror heraufzubeschwören.

In seinem gruseligen Kern ist die Geschichte von Jennifer Kent, die nicht nur Regie führt, sondern auch das Drehbuch schrieb, eine typische Heimsuchung durch einen Dämon, wie man sie schon oft gesehen hat. Aber wie bei The Conjuring kommt es auf die Details an. Während in jenem Film auf spektakuläre Effekte und ein geniales Sounddesign gesetzt wird, lebt Der Babadook vor allem von seiner beklemmenden Atmosphäre. Natürlich spielt Kent auch mit einigen Soundeffekten und Special Effekts, doch diese erinnern eher an verspielte Animationen und orientieren sich an den frühen Horror- und Fantasyfilmen, die Amelia in ihren schlaflosen Nächten im Fernsehen sieht. Visuell ist das beeindruckend, und die unheimliche Atmosphäre ist stellenweise kaum auszuhalten.

Doch die Story funktioniert auch hervorragend als Mutter-Kind-Drama. Essie Davis’ Darstellung der überforderten und vermutlich depressiven Mutter ist großartig, die des Kindes aber nicht weniger gelungen. Samuels Hyperaktivität ist so meisterhaft inszeniert, dass diese Momente auf ihre Weise den Zuschauer ebenso mitnehmen wie die Horrorszenen. Insbesondere die erste Hälfte ist von einer Intensität wie man sie lange nicht gesehen hat. Leider flacht der Film danach ein klein wenig ab, bevor er im Showdown beinahe wieder zu alter Kraft zurückfindet.

Wie alle Horrorfilme ist die Handlung weitgehend vorhersehbar, doch Kent gelingt am Ende dennoch eine Überraschung, die man geradezu als Geniestreich werten muss.

Note: 2-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.