Das Buch war Ende der Achtziger Jahre ein Mega-Bestseller und wird auch heute noch gerne gelesen. Eine simple, aber spannende Geschichte, ein farbenprächtiger historischer Hintergrund, ein kleiner Exkurs über die Medizingeschichte des frühen Mittelalters und eine Liebesgeschichte als Sahnehäubchen machen das nahezu perfekte Lesevergnügen aus. Die Filmrechte waren lange Zeit vergeben, aber es gelang nie, den Stoff auf die große Leinwand zu bringen. Bis jetzt…
Der Medicus
Nach dem Tod seiner Mutter zieht Rob Cole (Tom Payne) als Lehrling eines Baders durch das England des elften Jahrhunderts. Als er von Ibn Sina (Ben Kingsley), dem großen Gelehrten der Medizin in Isfahan hört, macht sich der wissbegierige junge Mann auf den Weg nach Persien, um bei ihm zu studieren. Weil keine Christen in dem Land geduldet werden, muss Rob sich als Jude verkleiden. Mit einigen Mühen gelingt es ihm, als Student angenommen zu werden, doch sein Ehrgeiz bringt ihn in Gefahr…
In Deutschland einen solchen Weltbestseller, noch dazu einen historischen Roman, zu verfilmen, ist eine wahre Herkulesaufgabe. Schließlich sind die Budgets kleiner als in Hollywood, wo die Marketingkampagne eines Blockbusters vermutlich mehr kostet als der ganze Film. Doch das Wagnis hat sich gelohnt: Der Medicus ist ein wunderbares, handfestes Stück Kino geworden, so wie man sich einen historischen Film wünscht, opulent bebildert, reich ausgestattet, gut gespielt und spannend umgesetzt. Ein Film, der es einem erlaubt, für zweieinhalb Stunden aus dem Alltagsleben auszusteigen und sich in eine exotische Welt zu träumen.
Dass sich die Geschichte nicht eins zu eins übertragen lässt, ist jedem klar, der das ungefähr achthundert Seiten dicke Buch schon einmal in Händen hielt. Es gibt so viele Figuren, so viele Handlungsstränge, dass man locker einen Mehrteiler daraus machen könnte. Aber die Grundgeschichte ist dicht erzählt und lebt von dem erklärten Ziel des Helden, ein besserer Mediziner zu werden und Einsichten über den menschlichen Körper zu gewinnen. Dieser roten Linie folgen Drehbuch (Jan Berger) und Regie (Philipp Stölzl) auch. In den Details weichen sie aber leider stark und oftmals unnötig von der Vorlage ab. Wer den Roman noch gut in Erinnerung hat, wird sich häufig daran stören, dass fast alle Details ganz anders sind und auch das Ende nur wenig mit dem Buch zu tun hat. Das gilt vor allem für die Glaubensfanatiker, die am Schluss gegen den Helden und den Shah (Olivier Martinez) intrigieren und die wohl vor allem dem Zeitgeist geschuldet sind. Sie passen nicht zu der Geschichte und schon gar nicht zur Historie, wiewohl es gute Gründe gibt, diesen Handlungsstrang einzuflechten.
Alles in allem war ich mit dem Film voll zufrieden, gleichzeitig aber auch ein wenig enttäuscht, weil er zu stark von dem Roman abgewichen ist. Wer aber weniger Wert auf Werktreue denn auf gute Unterhaltung setzt, hat hier den perfekten Film für einen kalten Winterabend gefunden.
Note: 3+