Dieser Film gehört zu jenen, deren Start ich entgegengefiebert habe – nur um den Trailer nicht mehr sehen zu müssen. Vielleicht täuscht mein Gefühl, vielleicht liegt es am immer noch streikbedingt etwas mageren Angebot, aber zurzeit findet ein Über-Trailering statt, das meine Nerven ganz schön auf die Probe stellt. Was natürlich nicht bedeutet, dass ich mich auf manche dieser Filme nicht freuen würde.
Das Prequel zu den beiden ersten A Quiet Place-Filmen gehört sicherlich dazu. Der erste Teil war ungemein spannend und originell, den zweiten habe ich als etwas schwächer in Erinnerung, obwohl ich ihm die gleiche Note gegeben habe, unterlief er doch bei aller Spannung und Dramatik, die er zweifelsohne besitzt, meine Erwartungen.
Aus diesem Grund war ich auch ein klein wenig enttäuscht, dass der dritte Film ein reines Prequel ist, das von den ersten Tagen der Monsterangriffe erzählt, womit bekanntlich schon Teil zwei begonnen hat. Dabei wollen wir alle doch wissen, wie es mit Familie Abbott weitergeht und ob es der dezimierten Menschheit gelingt, den Monstern in den Allerwertesten zu treten. Aber nun gut … Ein Prequel bietet immerhin die Möglichkeit zu erzählen, woher die gefräßigen Biester stammen, außerdem haben wir schon lange nicht mehr gesehen, wie New York zerstört wurde.
A Quiet Place: Tag Eins
Die schwer krebskranke Dichterin Sam (Lupita Nyong’o) wohnt in einem Hospiz und wartet auf den Tod. Ihr bleibt nur noch wenig Zeit, und sie hat mit ihrem Leben abgeschlossen. Als die Bewohner einen Ausflug nach Manhattan unternehmen, um sich die Vorstellung eines Marionettentheaters anzuschauen, fährt sie nur mit, weil sie im Anschluss eine richtige Pizza essen will. Die vermutlich letzte ihres Lebens. Doch nach der Vorstellung werden die Menschen plötzlich von Monstern angegriffen, die vom Himmel fallen.
Wer erwartet hatte, dass dies die Geschichte eines Überlebenskampfes ist, in der sich die Hauptfigur gegen die Monster zur Wehr setzen und ihren Weg aus Manhattan herauskämpfen muss, wird schon in den ersten Minuten enttäuscht, denn Sam wird sterben. Selbst ohne die Monster ist ihr Leben zu Ende, und von Schmerzen gequält und geschwächt ist sie die letzte Frau auf Erden, die ein Monster zur Strecke bringen könnte. Selbst in einem Hollywoodfilm, in dem eine Heldin stets über sich hinauswächst.
Die zweite Enttäuschung kommt mit den Monstern, über die man auch im dritten Teil nicht sehr viel mehr erfährt. Sie scheinen vom Himmel zu fallen, aber das wusste man schon, und weitere Hinweise, wie in Teil zwei, bleiben diesmal aus. Sie sind plötzlich da und töten jeden, der ein Geräusch macht. Daher wird einem vermutlich vor allem das in stummem Entsetzen erstarrte Gesicht von Lupita Nyong’o in Erinnerung bleiben, das man im ersten Drittel recht häufig zu sehen bekommt.
Regisseur und Drehbuchautor Michael Samoski fängt sehr geschickt das Chaos dieses Überfalls ein, der in vielen Momenten an das New Yorker Trauma schlechthin erinnert, die Anschläge vom 11. September. Auch hier ist nach einer gewaltigen Explosion plötzlich die Luft voller Staub, der sich auf die Gesichter der Menschen legt und sie in Totenmasken verwandelt. Wie damals irren die Überlebenden ziellos durch die Häuserschluchten, unfähig zu begreifen, was gerade geschieht.
Diese Momente des Terrors sind ungemein stark und erschütternd. Auf ihnen folgen Szenen der Ruhe, in der Sam und die anderen Überlebenden im Theater, zu denen auch Henri (Djimon Hounsou) gehört, sich sammeln und über Fluchtmöglichkeiten nachdenken. Inzwischen wissen die Menschen, dass sie vollkommen still sein müssen, um zu überleben, und wie Samoski Geräusche einsetzt, um Spannung zu erzeugen, und dabei in seinen Bildern andere Genreklassiker wie etwa Alien zitiert, ist mindestens genauso gut gemacht wie in den ersten beiden Filmen.
An dieser Stelle schleichen sich ein paar kleinere Längen ein, die jedoch nicht allzu stark ins Gewicht fallen. Die Menschen erfahren schließlich von einer Fluchtmöglichkeit übers Wasser – Achtung, Spoiler! – weil die Monster nicht schwimmen können. Aber Sam denkt nicht an Flucht. Wohin sollte sie auch gehen, wenn ihre Tage ohnehin gezählt sind? Und so beschließt sie, in ihre alte Nachbarschaft zurückzukehren, auf der Suche nach dem vielleicht letzten Stück Pizza in New York.
Das klingt vielleicht etwas verrückt, macht für die Figur aber Sinn und ist gleichzeitig eine Suche nach einem kleinen Stück Normalität in einer aus den Fugen geratenen Welt und Trost im Angesicht des Todes. Denn Sam erinnert sich dabei an ihren verstorbenen Vater, einen Musiker, den sie bei seinen Auftritten begleitet hat, und sie will ein letztes Mal ihr New York sehen, bevor sie stirbt – und bevor auch die Stadt stirbt. Auf diese Weise verwandelt sich der Film geradezu in eine Meditation über das Sterben.
Aber es wäre keine typische Hollywoodproduktion, ginge es nicht unterwegs etwas handfester zu. So muss Sam sich mit einem verstörten Briten namens Eric (Joseph Quinn) herumschlagen, der sich in seiner Panik an sie klammert wie ein Ertrinkender an einen Baumstamm. Zuerst will sie ihn nur loswerden, doch dann wird aus ihm ein Freund für das Ende der Welt. Wie die beiden zusammen mit Sams Katze durch ein zerstörtes Manhattan laufen, das trotz all der Zerstörung immer noch von betörender Schönheit ist, hat etwas Poetisches.
Wer das kitschig findet, hat sich vermutlich von seinen enttäuschten Erwartungen leiten lassen. Wer glaubt, dies sei ein dystopischer Science-Fiction, in dem die Erde von fiesen Monstern aus dem All zerstört wird, wird zwangsläufig nichts Gutes an diesem Film finden. Wer sich aber auf den Zauber in der Zerstörung einlässt, auf die Suche nach einem letzten Rest von Freude inmitten der Hoffnungslosigkeit und auf den Kampf, nicht gegen äußere Feinde, sondern gegen den Verlust von Würde und Menschlichkeit im Angesicht des unvermeidbaren Todes, wird hier einen großartigen Film finden, der seinen Vorgängern in nichts nachsteht.
Man kann A Quiet Place: Tag Eins vielleicht auch als Allegorie auf eine chaotische Welt sehen, die von Kräften außerhalb unserer Kontrolle auseinandergerissen wird, während wir in sprachlosem Entsetzen zusehen müssen. Es gibt zurzeit vieles, auf das wir keinen Einfluss nehmen können, sei es der Terror, der Krieg oder der erneut aufkommende Faschismus, und vielleicht ist das Beste, was wir tun können, uns auf die Schönheit im Leben zu besinnen, auf die kleinen Dinge, die uns Freude bereiten und die auch im Chaos zu finden sind. Und seien sie nur ein Stück Pizza, das man mit einem guten Freund teilt.
Note: 2-