The Fall Guy

Der Recyclinghof an der amerikanischen Westküste hat sich erneut einer alten Serie angenommen, sie generalüberholt und grundsaniert und verkauft sie nun als heißen Scheiß. Ich bin alt genug, um als Kind einige Folgen der Serie Ein Colt für alle Fälle im Fernsehen der Achtziger gesehen zu haben, war aber nie ein Fan. Es war eine unterhaltsame Krimiserie mit flotten Sprüchen (oder was man damals dafür hielt), in der Kautionsjäger, die eigentlich Stuntleute sind, Verbrecher jagen. Konnte man sich anschauen, wenn man gerade am frühen Abend nichts Besseres zu tun hatte, und bei nur drei Programmen gab es in der Regel auch keine interessanteren Alternativen. Wir hatten ja nichts.

Über vierzig Jahre später hat Hollywood immer noch nichts, vor allem keine originellen Ideen, aber sie machen das Beste daraus. Der Trailer zu The Fall Guy offenbarte aber schon, dass der Film abgesehen vom Titel und der Profession des Helden absolut nichts mit der Serie zu tun hat. Was ja nichts Schlechtes sein muss, aber die Frage aufwirft, warum man nicht auf einen Originalstoff vertraut, sondern sich krampfhaft bemüht, daraus das Reboot einer uralten Serie zu machen. Wer die Serie liebte, wird sich schaudernd abwenden, und wer sie nicht kennt, wird sich ohnehin nicht dafür interessieren. Was ist also damit gewonnen?

Immerhin war der Trailer spaßig genug, dass ich mir den Film nun, wenn auch mit wochenlanger Verspätung, angesehen habe.

The Fall Guy

Colt Seavers (Ryan Gosling) arbeitet als Stuntdouble für den Actionstar Tom Ryder (Aaron Taylor-Johnson) und ist in einer Beziehung mit der Kamerafrau Jody Moreno (Emily Blunt). Bei den Dreharbeiten zu Ryders neuem Film kommt es jedoch zu einem folgenschweren Unfall, bei dem Colt schwer verletzt wird. In der Folge zieht er sich aus dem Geschäft und von Jody zurück. Anderthalb Jahre später arbeitet er als Einparker für ein Restaurant. Da erreicht ihn ein Anruf der Produzentin Gail Meyer (Hannah Waddingham), die gerade Jodys erste Regiearbeit produziert, in der Tom die Hauptrolle spielt. Doch der Star ist verschwunden, und Colt soll ihn ausfindig machen – um so Jodys Film zu retten.

Kautionsjäger ist der neue Colt nicht, aber immerhin wird auch er auf die Suche nach einem Verschwundenen geschickt. Damit erschöpfen sich aber schon die Ähnlichkeiten in der Handlung, und es geht vor allem darum, ob es dem Helden gelingt, seine Beziehung zu Jody zu kitten. Das Pfund, mit dem der Film wuchern kann, sind seine beiden Hauptdarsteller und die unglaubliche Chemie zwischen den beiden. Es macht großen Spaß, die beiden beim Necken und Flirten zu beobachten, und Drehbuchautor Drew Pearce hat ihnen einige wunderbare Szenen auf den Leib geschrieben.

Leider hat Pearce bei der restlichen Handlung weniger Sorgfalt oder Einfallsreichtum an den Tag gelegt. Die Story ist etwas überfrachtet, steuert auf eine überraschende Enthüllung zu, die man schon meilenweit voraussieht, und besitzt einige Logiklöcher. Aber, wie gesagt, der Thrillerplot um den verschwundenen Star spielt kaum eine Rolle und plätschert mehr oder weniger interessant vor sich hin, ist aber eigentlich nur der Aufhänger, um so viele Actionszenen wie möglich unterzubringen. Diese sind gut gemacht, häufig spaßig inszeniert, aber auch nicht so übertrieben oder aufsehenerregend, dass sie unvergesslich sind. Sie passen sich einfach gut ein.

Über weite Strecken weiß man nicht, was der Film eigentlich sein will. Eine romantische Komödie? Klar, geht es doch in erster Linie darum, wie Colt Jody zurückgewinnt, nachdem er sie zuvor zurückgestoßen hat. Aber selbst ein Blinder sieht von Anfang an, dass die beiden immer noch starke Gefühle füreinander haben und die Hindernisse eher behauptet sind und die Psyche des verletzten Helden als billige Entschuldigung herhalten muss. Realistisch ist das nicht, sind romantische Komödien aber selten, und dass Pearce und Regisseur David Leitch sie mehrfach zitieren und parodieren, ist immerhin nett gemacht. Der Film will aber auch ein Thriller sein, mit, wie gesagt, eher mäßigem Erfolg, ein Actionfilm, was viel besser passt, und eine Parodie auf Hollywood. Viele Defizite des Drehbuchs werden im Film angesprochen, als würde der Hinweis auf sie jede Scharte auswetzen, und Klischees gleichzeitig werden bedient und parodiert.

Alles in allem ist The Fall Guy ein solider Unterhaltungsfilm, eine bunte Tüte mit verschiedenen Süßigkeiten und einigen sauren Drops, vor allem aber eine Liebeserklärung an das traditionelle Stunthandwerk.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.