Seit ungefähr zehn Jahren erlebt dieses Sub-Genre ein spürbares Revival, auch dank A24, die ein Händchen für ungewöhnliche Stoffe und schräge Ideen haben: Arthaus-Horror ist in. Doch was definiert einen Arthaus-Horrorfilm und unterscheidet ihn von einem gewöhnlichen Wald-und-Wiesen-Horrorfilm? Diese Frage ist nicht ganz leicht zu beantworten. Eine künstlerische Ästhetik mit bestechenden Bildern gehört sicherlich dazu, eine größere Sorgfalt bei der Charakterisierung der handelnden Figuren sowie ein gesellschaftlich relevantes Thema. Man könnte dies noch weiter ausführen. Oder einfach Potter Stewart zitieren, einen Richter des US-Supreme Courts, der vor Jahrzehnten zu beurteilen hatte, was Pornografie ist und konstatierte: „I know it when I see it.“
Künstlerisch anspruchsvolle Horrorfilme gab es schon immer: Das Cabinet des Dr. Caligari, Nosferatu, Psycho, Rosemaries Baby, Wenn die Gondeln Trauer tragen, Picknick am Valentinstag oder Shining, um nur einige der bekannteren Titel zu nennen. Wirklich out war das Genre nie, aber seit einigen Jahren habe ich das Gefühl, dass mehr Filme dieser Art produziert werden als jemals zuvor.
Einer der jüngeren Filme ist Men – Was dich sucht, wird dich finden von Alex Garland, mit dessen Filmen ich bislang nie richtig warm geworden bin. Aber die Hauptrolle wird von Jessie Buckley gespielt, und deshalb war ich neugierig.
Men – Was dich sucht, wird dich finden
Harper (Jessie Buckley) wird Zeugin, wie ihr Mann James (Paapa Essiedu) vom Dach ihres Hauses in den Tod stürzt. Einige Zeit später mietet sie ein abgelegenes Landhaus, um dort zur Ruhe zu kommen. Sie erinnert sich an einen eskalierenden Streit mit dem psychisch kranken James, der mit seinem Selbstmord gedroht hat, um sie daran zu hindern, sich von ihm scheiden zu lassen. Harper plagen seit seinem Tod, von dem sie nicht weiß, ob er Absicht oder ein Unfall war, Schuldgefühle.
Bei einem Spaziergang im Wald entdeckt Harper einen nackten Mann in einem Tunnel, der sie verfolgt und schließlich in ihrem Garten auftaucht. Sie lässt ihn verhaften, der Vorfall beschäftigt und beunruhigt sie aber weiterhin. Dann geschehen weitere unheimliche Dinge, und Harper fühlt sich verfolgt.
Alle Männer im Dorf, von ihrem skurrilen Vermieter, über den Vikar, dem sie sich anvertraut und der ihr eine Mitschuld an James’ Tod gibt, bis hin zu einem jugendlichen Rumtreiber, sehen gleich aus (und werden von Rory Kinnear gespielt). Das legt den Schluss nahe, dass es in der Geschichte nicht um einen bestimmten Mann geht, sondern um den Prototyp des Mannes, um Männlichkeit an sich. Toxische Männlichkeit, um ein zeitgenössisches Schlagwort zu benutzen, denn sowohl James als auch die Männer im Dorf versuchen, Harper zu manipulieren und klein zu halten. Entsprechend handelt die Story nicht nur davon, dass Harper den Tod ihres Mannes und ihre Schuldgefühle verarbeiten, sondern sich vor allem gegen diese vereinnahmenden Männer verteidigen muss.
In dieser wenig subtilen Verbreitung seiner Botschaft ist der Film in guter Gesellschaft. Get out war ebenfalls ein etwas zu plumper Versuch, dem Publikum sein Anliegen einzuhämmern, dabei aber wesentlich erfolgreicher. Dabei sind beide Filme visuell ansprechend, besitzen eine beklemmende und ungemein dichte Atmosphäre und brillante Darsteller. Manchmal scheint dies aber nicht genug zu sein.
Garland hat sich bei der Ausgestaltung seines Antagonisten bei der britischen Folklore bedient und den Grünen Mann als Anregung benutzt. Sein Ursprung geht vermutlich auf die Kelten zurück, und vereinzelt findet man ihn als „Blattgesicht“ noch als ornamentalen Schmuck in Kirchen. So auch in der Dorfkirche, die Harper aufsucht, um vielleicht hier etwas Trost zu finden.
Rory Kinnear, der mir zuerst in Penny Dreadful aufgefallen ist, spielt die unterschiedlichen Männer äußerst nuanciert und dank CGI-Technik und geschickter Maskenbildner auch optisch überzeugend. Nur so richtig bedrohlich ist er dabei nicht. Das liegt weniger an seinem schauspielerischen Talent als vielmehr an Garlands Inszenierung, die etwas zu behäbig und tempoarm ist. Obwohl Harper verfolgt wird, kommt nie ein Gefühl der Bedrohung und Gefahr auf, weil man von Anfang ahnt, dass es in erster Linie um eine Auseinandersetzung der Figur mit ihrer Vergangenheit geht. Die dann aber leider nicht stattfindet.
Das Ende ist seltsam. Es ist blutig und gewalttätig, gleichzeitig aber auch viel zu harmlos und spannungsarm. Man kann nicht sagen, ob Harper wirklich etwas aus ihren Erlebnissen gelernt hat oder worauf diese abgezielt haben, aber es ist einem zu diesem Zeitpunkt auch schon egal. Insgesamt ist Men – Was dich sucht, wird dich finden einer der schwächeren Arthaus-Horrorfilme der letzten Zeit, doch wer auf dieses Genre steht, wird hier definitiv vieles finden, was es auszeichnet.
Note: 4+