Platoon

Im Kino, falls ich damals überhaupt alt genug für den Film war, hat mich Platoon nicht interessiert. Der Vietnamkrieg war zu weit weg und zu sehr ein amerikanisches Thema, um einen Jugendlichen diesseits des großen Teichs zu begeistern, und ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich wusste, dass er mit vier Oscars, darunter für den besten Film, ausgezeichnet worden war.

Viele Filme, die ich aus welchen Gründen auch immer in meiner Jugend versäumt habe, habe ich in späteren Jahren nachgeholt, aber ich konnte mich nie überwinden, Platoon anzuschauen, weil ich das Gefühl hatte, dass er mir nichts Neues über den Vietnamkrieg erzählen kann. Aber als oscarprämiertes Meisterwerk, das sich immerhin gegen starke Titel wie Mission, Zimmer mit Aussicht und Hannah und ihre Schwestern durchgesetzt hat, befand sich der Film dennoch auf meiner Liste mit sehenswerten Filmen. Nun habe ich mich endlich durchgerungen.

Platoon

1967 meldet sich Chris (Charlie Sheen) freiwillig zum Einsatz in Vietnam. Der College-Abbrecher weiß nicht so recht, was er mit seinem Leben anfangen soll, und hofft auf Abenteuer und einen frischeren Blick auf die Welt. Doch schnell stellt er fest, dass der Krieg in erster Linie ein schmutziges Geschäft ist und wenig mit seinen romantischen Vorstellungen zu tun hat. Sein Platoon wird dominiert von zwei erfahrenen Sergeants: Barnes (Tom Berenger) ist ein knallharter Soldat, der auch vor Kriegsverbrechen nicht zurückschreckt. Elias (Willem Dafoe) dagegen hält an seinen moralischen Werten fest, hält den Krieg nach drei Jahren Einsatz inzwischen für verloren und legt sich deshalb mit Barnes an. Dieser Konflikt spaltet die gesamte Einheit und führt schließlich zu einer Katastrophe.

Chris ist das Alter Ego von Regisseur und Drehbuchautor Oliver Stone, der ebenfalls sein Studium abbrach, um in Vietnam zu kämpfen, beeinflusst von den romantischen Erzählungen seines Großvaters und Vater, die im Ersten bzw. Zweiten Weltkrieg gedient hatten. Man kann verstehen, dass ihn dieses Thema seither beschäftigt hat, so sehr, dass daraus mit Geboren am 4. Juli und Zwischen Himmel und Hölle eine Trilogie geworden ist.

Der Zuschauer wird zusammen mit diesem Neuling in die Wirren des Krieges geworfen, versteht nicht so recht, worum es bei den diversen Kampagnen, die die Geschichte episodisch gliedern, eigentlich geht, und wird bald wie Chris Teil dieser zusammengewürfelten Gruppe. Einige wenige lernt man besser kennen, aber keinen so gut, dass er herausstechen würde. Mit Johnny Depp und Forest Whitaker sind immerhin zwei bekannte Hollywoodgrößen in ihren ersten Rollen dabei, die aber nur in zwei oder drei Szenen auftauchen.

Die Handlung konzentriert sich bald auf die Auseinandersetzung zwischen Barnes und Elias, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und die für die gegensätzlichen Haltungen zum Krieg stehen. Barnes versucht, seine Ziele mit allen Mitteln zu erreichen, er foltert und ermordet Zivilisten, die er der Kooperation mit dem Vietcong verdächtigt, in der Hoffnung auf Informationen über den Feind. Elias will ihn deswegen vors Kriegsgericht bringen und gerät daher ins Fadenkreuz. Chris steht anfangs zwischen den beiden Männern, die ihn stärker prägen werden als sein Vater oder Großvater, weil sie dieselben Erfahrungen teilen, schlägt sich aber schnell auf Elias’ Seite. Der Sergeant führt ihn zudem in die Gruppe der Potheads ein und macht ihn mit Drogen bekannt.

Die Stärken des Films sind seine intensiven Momente im Kriegseinsatz, das spannungsgetriebene Marschieren im Dschungel, wo jederzeit mit einem Angriff aus dem Hinterhalt gerechnet werden muss, und die Kampfeinsätze gegen einen nahezu unsichtbaren Feind. Ein erster Höhepunkt ist die Zerstörung eines Dorfes, in dem das Übel des Krieges in wenigen Szenen zusammengefasst wird, gefolgt von einem verlustreichen Finale, in dem das Platoon einer feindlichen Übermacht hilflos gegenübersteht.

Stone erzählt in diesen Szenen gekonnt von den Schrecken des Krieges, fügt dem, was andere vor ihm gesagt haben, aber nichts Neues hinzu. Unter bestimmten Umständen kann wohl jeder zum Monster werden, und Stärke besitzt nicht derjenige, der besonders skrupellos ist, sondern an seinen moralischen Prinzipien festhält und sein Menschsein nicht aufgibt. Das ist eine gute Botschaft.

Die größten Schwächen besitzt das Buch, das es nur unzureichend schafft, die vielen Figuren zu bedienen und ihnen Konturen zu verleihen. So kommt man den Männern nicht nahe, die sich meist über Belanglosigkeiten äußern oder von der Heimat träumen. Deutlich wird immerhin der Rassismus, der unterschwellig mitschwingt, der farbige Soldaten ausgrenzt und größerer Gefahr aussetzt. Das ist zumindest ein Thema, das überrascht.

Insgesamt ist Platoon ein guter Film, sehr solide inszeniert, oft packend und emotional aufwühlend, aber nicht so intensiv, wie man es sich bei dem Thema vielleicht wünschen würde. In erster Linie liegt das an den unzureichend geschilderten Figuren, denen man nicht wirklich nahe kommt.

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.