Normalerweise zeugt es nicht gerade von großem Einfallsreichtum, ein Franchise immer wieder neu zu beleben. Doch mit Mad Max: Fury Road hat George Miller vor neun Jahren bewiesen, dass er erstens noch lange nicht zum alten Eisen gehört und zweitens selbst dem ausgelutschten Endzeit-Genre noch ein Meisterwerk abtrotzen kann. Dennoch war ich zunächst etwas skeptisch, ob er sich mit diesem Prequel einen Gefallen getan hat, weiß man doch bereits, wie die Geschichte von Furiosa endet.
Aber der Trailer machte dann doch Lust, erneut in die Welt des verrückten Mäxchens einzusteigen, zumal der Meister der Motoren wieder Vollgas zu geben scheint.
Furiosa: A Mad Max Saga
Mitten in der australischen Wüste gibt es eine fruchtbare, idyllische Oase mit Wasserfällen, schattigen Wäldern und üppigem Nahrungsangebot. Hier lebt eine zurückgezogene Gesellschaft, die ihre Heimat vor der feindlichen Umwelt verborgen hält. Eines Tages dringen dennoch einige Biker ein und rauben die junge Furiosa (Alyla Browne). Ihre Mutter versucht, sie zu retten, kann aber nicht verhindern, dass das Mädchen dem ehrgeizigen und verrückten Dementus (Chris Hemsworth) in die Hände fällt. Dieser überlässt sie Jahre später Immortan Joe (Lachy Hulme), in dessen Zitadelle sie aufwächst. Aber auch als junge Frau (Anya Taylor-Joy) träumt sie noch davon, in ihre alte Heimat zurückzukehren.
Während des Abspanns, um hier einmal ganz bis zum Ende vorzugreifen, sieht man Bilder und kurze Ausschnitte aus Mad Max: Fury Road, die das weitere Schicksal von Furiosa schildern. Insofern kann man beide Filme als zwei Teile einer Geschichte betrachten. Sogar Mad Max taucht in einer Szene einmal kurz auf.
Man kann die Story aber auch als Geschichte von Dementus begreifen, eines Mannes, der den Verlust seiner Frau und Kinder betrauert, indem er einen Teddybären mit sich herumträgt, und der darüber wohl seinen Verstand verloren hat. Dementus wird von dem brennenden Ehrgeiz getrieben, zur alleinigen Macht in der Wüste zu werden, weswegen er versucht, sich der drei Festungen zu bemächtigen, die sie beherrschen: Neben Immortan Joes Lebensmittel liefernder Zitadelle gibt es noch Gastown, das das Benzin für die Motorräder und Wagen, und die Bullet Farm, die die Munition produziert. Also genau die Dinge, die man in jeder Apokalypse am dringendsten braucht. Zwischen diesem Dreieck der Macht herrscht ein fragiles Gleichgewicht aus Handel und Kooperation, das Dementus gefährdet.
George Miller, der zusammen mit Nico Lathouris das Drehbuch schrieb, hat anscheinend so großen Gefallen an seiner Welt nach dem Untergang der Welt gefunden, dass er sie unbedingt weiter ausschmücken musste. Im Grunde wiederholt er aber nur, was man bereits aus dem Vorgänger kennt. Wer gehofft hatte, mehr über Immortan Joe und seine schrägen Gesellen oder die Entstehung ihrer Bräuche zu erfahren, dürfte enttäuscht werden. Nicht einmal Dementus, der immerhin die Geschichte am Laufen hält, bekommt eine richtige Backstory oder ein menschlicheres Antlitz. Wie schon bei Mad Max sind alle Figuren in dieser Welt verrückt, und je durchgeknallter, desto unterhaltsamer scheinen sie.
Dagegen erscheint die kühl kalkulierende, beherrschte Furiosa wie eine Quelle der Vernunft. Doch auch sie wird von dunklen Trieben und unstillbaren Sehnsüchten getrieben. Im Gegensatz zu den männlichen Allmachtsfantasien und Welteroberungsplänen sind ihre Ziele jedoch deutlich bescheidener: Sie will nur nach Hause zurückkehren.
Das erste Drittel, in dem es um Furiosas Entführung und ihre Zeit bei Dementus geht, ist überaus spannend und sogar bewegend inszeniert. Alyla Browne spielt Furiosa mit tapferer Wildheit und großer Entschlossenheit – und insgesamt nuancierter als Anya Taylor-Joy, deren erwachsene Furiosa vor allem grimmig und unzugänglich ist. Der Übergang von der einen zur anderen Lebensphase fällt leider mit dem schwächsten Teil des Films zusammen, in dem es einige Längen gibt und in dessen Folge die Geschichte nicht mehr komplett in ihre Fahrspur zurückkehren kann.
Doch Miller schafft es trotz dieser kleinen Schwächen, das Publikum bereits kurze Zeit später mit zwei grandiosen Action-Szenen umzuhauen, denen zwar die Raffinesse und Verrücktheit von Fury Road fehlt, die aber ungemein spannend anzuschauen sind. Leider schwächelt er immer dann, wenn es weniger handfest und dafür emotionaler werden soll. So bekommt Furiosa eine kleine Love-Story angedichtet, mit der die Figur nicht viel anfangen zu können scheint, deren tragisches Ende aber dann als Motiv für die geradezu biblische Rache im dritten Akt herhalten muss. Als ob die Frau nicht schon genug andere Gründe für ihre Rache hätte.
So fährt der Film in der zweiten Hälfte einen leichten Schlingerkurs, der ihn insgesamt etwas schwächer aussehen lässt als seinen Vorgänger. Das liegt vor allem an den vielen Einfällen, die Miller unbedingt noch unterbringen wollte und die die Geschichte überfrachten. Selbst ein kompletter Krieg wird hier nur nebenbei und in Andeutungen erzählt, so als hätte Miller ursprünglich eine Miniserie oder wenigstens eine Trilogie im Kopf gehabt, sei aber dann gezwungen worden, alles in einen Film zu pressen. Das Finale selbst, das aus unterschiedlichen Versionen der Ereignisse besteht und dadurch leicht hilflos und unentschlossen wirkt, ist gemessen am Rest sogar eine Enttäuschung.
Alles in allem ist Furiosa: A Max Max Saga eine gelungene Ergänzung zu Mad Max: Fury Road, ähnlich spannend und packend inszeniert, mit großartigen Bildern, aber leider auch mit einigen Schwächen, vor allem in der zweiten Hälfte.
Note: 2