Beflügelt – Ein Vogel namens Penguin Bloom

Leider hatte ich keinen weiteren Film mit einem Affen im Repertoire, aber dafür einen mit einem anderen tierischen Helden: Mitten in der Pandemie kam dieser kleine Film in unsere Kinos, der sonst vermutlich direkt bei einem Streamer gelandet wäre, weil es kaum neue Ware gab und die Verleiher wenigstens etwas zeigen wollten, aber der Erfolg hielt sich mit 15.000 Besuchern dann doch arg in Grenzen.

Ich mag solche Motivationsdramen manchmal recht gerne, weil sie viel über die menschliche Natur, die Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit des Menschen erzählen. Auch wenn man „nur“ mit den normalen Herausforderungen des Lebens zu kämpfen hat und nicht durch eine schwere Krankheit oder einen Schicksalsschlag beeinträchtigt wurde, lässt sich für den eigenen Alltag das eine oder andere daraus mitnehmen. Wahrscheinlich sind diese Bücher und Filme deshalb auch so beliebt. Wer ihn sehen will, findet ihn bei Netflix.

Beflügelt – Ein Vogel namens Penguin Bloom

Die Krankenschwester Sam (Naomi Watts), ihr Mann Cam (Andrew Lincoln), der als Fotograf arbeitet, und ihre drei Söhne machen Urlaub in Thailand. Dabei bricht Sam durch ein morsches Geländer und stürzt mehrere Meter in die Tiefe. Ein Jahr später hadert sie noch immer mit ihrem Schicksal. Ihre Querschnittslähmung hat sie in eine Depression gestürzt, sie hat das Gefühl, nicht mehr für ihre Kinder da sein zu können und nutzlos zu sein. Doch eines Tages bringt einer der Söhne eine verletzte Jungelster mit nach Hause, und die Sorge um dieses kleine Wesen gibt Sam letzten Endes neuen Lebensmut.

Selbst wenn man den Trailer nicht gesehen hat, sondern nur die Grundidee dieser Geschichte hört, hat man bereits den gesamten Film vor Augen. Das liegt daran, dass diese Storys immer nach denselben Mustern ablaufen: Ein Schicksalsschlag ändert das bisherige Leben für immer und auf dramatische Weise, die Hauptfigur kann sich nicht damit abfinden, ist wütend auf die ganze Welt, depressiv und verzweifelt, überwindet diese Gefühle aber dank einer neuen, nur widerstrebend angenommenen Aufgabe, durch die sie wieder neuen Lebensmut bekommt. Fertig ist der Lack.

Hat man einen dieser Filme gesehen, kennt man sie alle. Entscheidend ist aber nicht das, was erzählt wird, sondern wie es erzählt wird. Natürlich – das ist vermutlich ein Muss – basiert die Story auf einer wahren Begebenheit und einem Bestseller, sonst würde sich kein Produzent die Mühe machen, einen solchen Film herzustellen. Naomi Watts ist eine der Produzentinnen, die sich der Geschichte angenommen haben, und sie weiß genau, was sie tut. Ihre Darstellung der Sam ist superb, sie transportiert gekonnt und ohne viel Drama die gesamte negative Gefühlspalette ihrer Figur, ohne diese auszuschlachten oder zur Schau zu stellen. Sie ist das Zentrum des Films.

Mindestens genauso wichtig, vielleicht sogar noch wichtiger, ist die Elster (die tatsächlich eigentlich zu den Schwalben zählt, in Australien wegen ihrer Ähnlichkeit mit den Elstern aber so genannt wird). Dieser Vogel stiehlt den menschlichen Akteuren die Show, und man kann verstehen, warum der echte Vogel bald zu einem Familienmitglied wurde.

Damit ist fast alles über den Film gesagt. Überraschungen gibt es nicht, es waren aber auch keine zu erwarten. Die erste Hälfte plätschert sehr ereignislos dahin, so dass man dankbar ist für jede kleine Eskapade des Vogels. Erst im letzten Drittel zeigt sich ein klein wenig Dramatik, wenn Sam die Schuldgefühle ihres Sohnes anspricht, der glaubt, für den Unfall verantwortlich zu sein. Aber dieser „Höhepunkt“ ist wie alles andere sehr zurückhaltend und verhältnismäßig undramatisch erzählt. Man kann über diese Erdung des Geschehens dankbar sein, schließlich hätte das alles auch viel süßlicher und klischeehafter erzählt werden können, doch ist diese tempo- und ereignisarme Darstellung nichts für müde Zuschauer.

Ein netter Film mit guten Schauspielern und einem kecken Vogel, nicht rührselig oder kitschig, aber auch weder spannend noch dramatisch.

Note: 3-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.