Sprechen wir über guilty pleasures, die nur unzureichend mit „schuldige Vergnügen“ übersetzt werden können. Wir alle haben sie, die meisten bekennen sich nicht zu ihnen und frönen ihnen lieber heimlich, und das ist durchaus in Ordnung. Vermutlich haben sie, psychologisch betrachtet, sogar ihre Existenzberechtigung, brauchen wir doch alle von Zeit zu Zeit etwas, von dem wir wissen, dass es nicht unbedingt gut für uns ist, uns aber zu einer bestimmten Zeit guttun kann.
Ein guilty pleasure kann eine gelegentliche Zigarette sein, ein lustiges YouTube-Video über schmerzhafte Unfälle oder ein Film, Buch oder Song, die man als trashig oder künstlerisch wenig wertvoll erachtet, uns aber irgendwie abartige Freude bereiten. Ich habe neulich einem guilty pleasure nachgegeben und mir einen Film angesehen, obwohl ich wusste, dass er mir vermutlich nicht gefallen würde, weil er ein peinlicher Jane-Austen-Verschnitt ist. Aber Kostümfilme gehen bei mir ja eigentlich immer, und irgendwie war auch ich neugierig darauf, wie schlecht er sein würde.
Mr. Malcolms Liste
Julia Thistlewaite (Zawe Ashton) stammt aus einer reichen Familie und sucht einen standesgemäßen Ehemann. Den glaubt sie in Mr. Malcolm (Sope Dirisu) gefunden zu haben, dem jüngeren Sohn eines Earls, doch als sie bei einem Opernbesuch ihre Unwissenheit über bestimmte politische Themen offenbart, wendet er sich vor ihr ab. Viel schlimmer: Sie wird zum Gespött der Klatschblätter. Als ihr Cousin, Lord Cassidy (Oliver Jackson-Cohen), ihr erzählt, dass Mr. Malcolm eine Liste mit potentiellen Eigenschaften seiner zukünftigen Frau besitzt und sie diese offensichtlich nicht besitzt, beschließt die zutiefst gedemütigte Julia, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen: Ihre hübsche, aber arme Freundin Selina (Freida Pinto) soll vortäuschen, die perfekte Kandidatin für ihn zu sein, um ihn dann eiskalt abzuservieren. Dummerweise findet Celina Mr. Malcolm auf Anhieb sympathisch, und auch er fühlt sich zu ihr hingezogen, vor allem, als mit Captain Ossery (Theo James) noch ein weiterer Verehrer auftaucht.
Vermutlich kann man Jane Austen die Schuld an dem Schlammassel geben. Sie war nicht nur die bekannteste Autorin der Regency Ära, sondern bei ihrem weiblichen Publikum vor allem wegen der romantischen Verstrickungen ihrer Helden sehr beliebt. Tatsächlich muss man aber wohl Georgette Heyer verantwortlich machen, die 1935 das Genre der Regency Romance aus der Taufe gehoben und zahllose romantische Heldinnen mit viel Witz und Verve auf die Suche nach einer Liebesheirat geschickt hat, wodurch sie zum Vorbild vieler weiterer Autorinnen wurde. Seltsamerweise vor allem in den USA. Immerhin verfügten Heyers Bücher bei aller inhaltlicher Seichtigkeit über historische Akkuratesse und detailreiche Kenntnisse der britischen Gesellschaft, ihrer Sitten, Gepflogenheiten und sozialen Strukturen.
Veränderungen im Publikumsgeschmack hin zu mehr Erotik und Figuren mit modernen Ansichten und Charakterzügen haben vor einem Vierteljahrhundert dann zu einem grundlegenden Wandel im Genre geführt – Julia Quinns Bridgerton-Romane sind nur ein Beispiel für die Diversifikation des Genres. Die Geschichten geben zwar vor, in der Regency Ära zu spielen und orientieren sich oberflächlich an den gesellschaftlichen Gepflogenheiten und Regeln, ihre Figuren stehen uns Heutigen jedoch näher als Jane Austen.
Man darf diese Geschichten, egal ob als Roman oder Film, nicht als Historienerzählungen im klassischen Sinn betrachten, sondern muss in ihnen die romantischen Märchen sehen, die sie sind. Dass auch in Mr. Malcolms Liste das Colourblind-Casting zu einer grotesken Verzerrung der historischen Wirklichkeit geführt hat, kann man dabei fast schon als Bonus betrachten. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Story selbst für ein solches Produkt unglaublich einfältig und oberflächlich und eher an eine schlechte High-School-Romanze angelehnt ist.
Julias Rache erinnert an die verschlagene Marquise in Gefährliche Liebschaften, die ebenfalls aus gekränkter Eitelkeit Menschen für ihre Pläne benutzt hat, aber wo diese sinister und einfallsreich ist, agiert Julia wie ein trotziger Teenager. Das Drehbuch von Suzanne Allain basiert übrigens auf ihrem gleichnamigen Roman, den sie im Selbstverlag veröffentlicht hat – was bereits alles über die Qualität der Vorlage aussagt.
Regisseurin Emma Holly Jones hat zunächst einen Kurzfilm daraus gemacht und sich dann an die Langfassung gewagt, und man kann verstehen, warum sie die Finanzierung dafür bekommen hat. In seinen besten Momenten verfügt der Film tatsächlich über einen gewissen Charme und – trotz allgemein ziemlich schlechter Dialoge – so viel Witz, dass man sich leidlich unterhalten fühlt. Gewiss, die Story ist banal und vorhersehbar, aber die Ausstattung und die Kostüme sind gediegen, und Jane-Austen-Fans müssen bekanntlich nehmen, was sie kriegen können.
Mit Selina gibt es zudem eine sympathische Heldin, der man gerne folgt, auch wenn sie bei weitem nicht so gewitzt oder einfühlsam wie eine Elizabeth Bennett ist, aber Freida Pinto macht ihre Sache ausgezeichnet. Leider ist Sope Dirisu, der in Gangs of London so großartig seine Qualitäten als Actionheld demonstriert, in der Rolle des romantischen Helden viel zu hölzern, und es gibt auch keinerlei Chemie zwischen dem Paar. Oliver Jackson-Cohen scheint seine Figur schon beinahe als Parodie angelegt zu haben, während Theo James seinen Charme voll aufdreht und sichtlich Spaß an der Posse zu haben scheint. Oder er denkt an seinen Gehaltsscheck.
Alles in allem ein Film mit zahlreichen Schwächen, aber immerhin auch einigen wenigen Pluspunkten. Fans von Bridgerton sollten hier allemal auf ihre Kosten kommen.
Note: 3-