Blue Beetle

DC Comics und ihr Partnerstudio Warner Bros. waren in den letzten Jahren stets die ewige Nummer Zwei hinter Marvel und Disney, obwohl sie zwischenzeitlich einige schöne Erfolge verbuchen konnten. Nur konnten die Bestrebungen, die Geschichten zu einem Franchise-Universum zu verknüpfen, nie so richtig fruchten, und selbst wenn sie mit Wonder Woman und Aquaman gut an den Kassen abgeschnitten haben, fielen spätestens deren Fortsetzungen enttäuschend aus.

Das ist zum Teil ein selbstgemachtes Problem, wurde doch versäumt, eine Strategie festzulegen, bevor man die Produktionen in Auftrag gab, und wurden selbst später, als es ein DC-Universum gab, Ausnahmen wie The Joker und The Batman erlaubt, die zwar erfolgreich waren, aber in einem Paralleluniversum spielen. Irgendwie wirkt der gesamte Ansatz stümperhaft und wenig durchdacht.

Deshalb soll es nächstes Jahr einen Neustart geben, unter der Leitung von James Gunn, der bei Marvel mit den Guardians of the Galaxy-Filmen gezeigt hat, wie supercoole und erfolgreiche Superheldenfilme auszusehen haben. Auch wenn besagte Ausnahmen bestehen bleiben werden und ein cineastisches Eigenleben zu führen scheinen, was im besten Fall ein irritierendes Störfeuer, im schlimmsten Fall aber eine Sabotage der Bemühungen bedeutet, weil man sich als Zuschauer unwillkürlich fragt, ob es nun zwei Batman und zwei Joker gibt, ist dies ein Schritt in die richtige Richtung. Vielleicht gelingt es Gunn ja, Ordnung in das Chaos zu bringen und ein neues Universum zu kreieren.

Zu den letzten Filmen des alten DC-Universums gehörte Blue Beetle, der an den Kassen gefloppt ist wie etliche andere Produktionen auch. Der Trailer war eher mau, die Kritiken verhalten bis negativ, und so habe ich den Film im Kino links liegenlassen. Nun ist er jedoch bei Wow erschienen, und da sich das Abo gerade mangels attraktiver Neuerscheinungen (die meisten habe ich bereits im Kino gesehen) kaum lohnt, wollte ich diesem Spektakel wenigstens eine Chance geben.

Blue Beetle

Nachdem Jaime Reyes (Xolo Maridueña) das College abgeschlossen hat, kehrt er zu seiner Familie nach Palmera City zurück. Die steckt jedoch in finanziellen Schwierigkeiten, weil ihre Miete drastisch erhöht wurde und die mehrheitlich von Latinos bewohnte Nachbarschaft von der Gentrifizierung bedroht ist. Durch Zufall lernt Jaime Jenny Kord (Bruna Marquezine) kennen, die Nichte der Konzernchefin Victoria Kord (Susan Sarandon). Jenny ist mit der Neuausrichtung des Familienkonzerns seit dem spurlosen Verschwinden ihres Vaters nicht einverstanden, setzt Victoria doch vor allem auf die Produktion von Waffen. Zu diesem Zweck hat sie ein außerirdisches Artefakt, einen blauen Skarabäus, geborgen, um dessen Technologie auszubeuten. Jenny stiehlt den Käfer und vertraut ihn Jaime an, der prompt von diesem als neuer Träger auserkoren wird.

Blue Beetle gehört zu den ältesten Comichelden, deren Abenteuer immer noch erzählt werden, und erblickte 1939 das Licht der Welt. Doch während man Superman, Batman und Konsorten kennt, stößt der Name bei den meisten Leuten außerhalb der Community wohl auf Unverständnis. Zum Teil liegt das daran, dass die Hefte mit dem Helden nicht kontinuierlich erschienen sind, sondern immer größere Lücken zwischen den einzelnen Serien lagen, die sich teilweise über Jahrzehnte erstreckten. Auch gehört der Superheld, dessen Aussehen entfernt an einen blauen Käfer erinnert, erst seit Mitte der Achtzigerjahre zum DC-Universum, nachdem der Verlag die Rechte an der Figur erworben hatte.

Jaime ist der dritte Blue Beetle, der erst mit der siebten Serie in Erscheinung trat, die von 2006 bis 2009 erschien. Davor war es Ted Kord, der im Film Jennys Vater ist und ebenfalls eine geheime Superheldenidentität hatte. Drehbuchautor Gareth Dunnet-Alcocer orientiert sich demnach ein wenig an der Entwicklung der Comicfigur, die zahlreiche Parallelen zu Batman aufweist. Der erste Blue Beetle war ein desillusionierter Polizist, der das Verbrechen außerhalb des Systems bekämpfen wollte und lediglich über einen kugelsicheren Anzug und ein potentes Vitaminpräparat zur Unterstützung verfügte. Der ihm seine Kräfte verleihende Skarabäus kam erst später hinzu, als die Figur überarbeitet wurde und sich vom Polizisten in einen Archäologen verwandelte.

Sein Nachfolger war dann ein exzentrischer Millionär mit High-Tech-Spielzeug, der den magischen Käfer nur als Talisman benutzte und nichts von seinen Kräften wusste. In den Comics versteckt er ihn vor seinen Tod bei Shazam, im Film wird er von Victoria in einer Steinkugel gefunden. In beiden Fällen verschmilzt der Käfer mit Jaimes Körper und stattet ihn mit einem besonderen Anzug aus, der Iron Man vor Neid erblassen lassen würde.

Regisseur Angel Manuel Soto erzählt eine klassische Origin-Story, in der wir das Erwachen eines neuen Superhelden erleben, und auch wenn er dabei auf bekannte Plotmuster setzt und wir alle diese Art von Geschichte zur Genüge kennen, macht es doch Spaß, zu sehen, wie ein Nobody plötzlich mit Superkräften zurechtkommen muss. Als Bonus gibt es einen sympathischen Hauptdarsteller, dem man die Hilflosigkeit und Überforderung problemlos abnimmt.

Problematischer sind vor allem die Nebenfiguren. Jaimes Familie besteht aus lauter Nervensägen, die ständig kreischen, sämtliche Latino-Klischees bedienen und rein zufällig über spezielle Fähigkeiten verfügen, die gerade für die Handlung benötigt werden. Da hat es sich der Autor viel zu einfach gemacht. Das gilt auch für Jaimes farblosen Love-Interest Jenny und noch mehr für die Gegenspielerin Victoria. Susan Sarandon wirkt zwar nicht gerade lustlos, sprüht aber auch nicht vor Energie und schrammt in manchen Szenen hart am Chargieren vorbei.

Die Geschichte ist, man muss es so deutlich sagen, ziemlich einfallslos und wird routiniert abgespult. Hin und wieder kann man schmunzeln, und auch das Finale, das etwas unter einem zu niedrigen Budget leidet (die Produktion war zunächst für HBO Max vorgesehen), ist trotz endloser Kämpfe kein Highlight, besitzt aber immerhin einen emotional starken Moment. Der Film ist alles in allem halbwegs solide. Für einen netten Abend auf der Couch reicht es allemal.

Note: 4+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.