Dass der Titel des Films ins Deutsche übersetzt wurde, habe ich erst gemerkt, als ich seine imdB-Seite aufgerufen habe, um nach den Namen der Darsteller zu suchen. Ich finde es zwar unnötig, aber man kann froh sein, dass er wenigstens keinen völlig anderen oder einen merkwürdigen Untertitel bekommen hat. Da die Produktion einige Oscarnominierungen ergattert hat, war ich neugierig und habe sie mir auf Prime Video angeschaut – im Kino lief der Film ja leider nicht.
Amerikanische Fiktion
Thelonious „Monk“ Ellison (Jeffrey Wright) ist ein angesehener Autor und Dozent an einer Hochschule, dessen jüngstes Werk jedoch von allen Verlagen abgelehnt wird. Seine früheren Bücher stehen meist in der Rubrik „Afroamerikanische Studien“, obwohl sie nichts mit diesem Thema zu tun haben und er sie auch nicht als „schwarze“ Bücher betrachtet. Aber seine Hautfarbe ist hier ausschlaggebend. Dass eine schwarze Autorin mit einem Roman über sozial benachteiligte Afroamerikaner, der vor Slang und Stereotypen nur so strotzt, gerade überall gefeiert wird, stößt Monk dermaßen sauer auf, dass er einen ähnlichen Text als eine Art Parodie verfasst, um die Verlagswelt damit vorzuführen. Doch plötzlich bekommt er einen üppigen Vorschuss für sein Werk angeboten und ein Hollywoodproduzent (Adam Brody) will die Filmrechte daran erwerben.
Das Bild, das wir uns von der Welt machen, beruht entweder auf unseren eigenen Erfahrungen oder auf dem, was wir aus den Medien entnehmen, und die Art und Weise, wie über bestimmte ethnische Gruppen berichtet wird, beeinflusst entsprechend unsere Sicht auf sie. Monk regt sich darüber auf, dass Schwarze in Büchern (und Filmen bzw. Serien) häufig als Gangster und Ghettobewohner dargestellt werden, als ungebildete, viel zu viele Kinder produzierende und mit Drogen handelnde Individuen, und dass die weißen, bürgerlichen Leser und Zuschauer inzwischen auch keine andere Darstellung in der Kunst mehr dulden. Denn nur auf diese Weise haben sie das Gefühl, sich zu engagieren und offen zu sein für die Belange weniger privilegierter Mitmenschen, um so ihr schlechtes Gewissen wegen Jahrhunderte der Unterdrückung und Diskriminierung zu beruhigen. Weiße Menschen, sagt Monk, sehnen sich nach Absolution.
Monk behauptet jedoch, nicht an Rasse zu glauben, er will kluge, gelehrte Bücher über Dinge schreiben, die ihm am Herzen liegen, er will sich aber nicht auf seine Hautfarbe reduzieren oder vorschreiben lassen, welche Themen er bearbeiten darf. Darf ein schwarzer Autor nur über „schwarze Themen“ schreiben, und wer definiert diese – der vornehmlich von Weißen dominierte Kulturbetrieb? Ist unter diesen Voraussetzungen überhaupt noch künstlerische Freiheit möglich?
Amerikanische Fiktion stellt viele interessante Fragen und ist eine kluge, nachdenkliche, aber auch scharfsinnige und ungemein witzige Satire auf den literarischen Betrieb der USA, mit einem kleinen Seitenhieb auf Hollywood. Nur leider trägt diese Idee nicht den ganzen Film und macht auch nur eine Hälfte der Geschichte aus. Die andere Hälfte handelt von Monks Familie, von der er sich weitgehend zurückgezogen hat, weil er zu sehr mit sich und seinen Angelegenheiten beschäftigt ist.
Anlässlich einer Buchmesse reist Monk jedoch in seine alte Heimatstadt im Osten und besucht seine betagte Mutter (Leslie Uggams), die an Alzheimer erkrankt ist, und seine Schwester Lisa (Tracee Ellis Ross), eine geschiedene Ärztin. Sein Bruder Clifford (Sterling K. Brown) ist ebenfalls Arzt, hatte erst vor wenigen Jahren sein Coming-Out und befindet sich in einer Selbstfindungsphase mit vielen Drogen und Sex.
Als Lisa etwas zustößt, bleibt die Verantwortung für die Mutter plötzlich allein an Monk hängen, der auf diese Weise zudem gezwungen wird, sich mit seiner Vergangenheit und Familiengeschichte auseinanderzusetzen. Monk fragt sich, wie gut er eigentlich die Menschen kennt, die ihm am nächsten stehen, wie viel er über seinen längst verstorbenen Vater weiß und wie stark ihn sein Elternhaus geprägt hat. Darüber hinaus begegnet er einer attraktiven benachbarten Anwältin namens Coraline (Erika Alexander), zu der er sich überaus hingezogen fühlt.
Der Trailer betont vor allem die Satire, unterschlägt dabei jedoch komplett die dramatische Familiengeschichte, die anfangs eher nebenher läuft, im Mittelteil aber immer mehr in den Vordergrund drängt. Mittelpunkt beider Storys ist Monk, der mit ungeahnten Schwierigkeiten konfrontiert wird und einige, zum Teil unangenehme Wahrheiten über sich selbst lernen muss, um am Ende – vielleicht – ein besserer Mensch zu werden. Das alles wird von Regisseur Cord Jefferson, der auch das Drehbuch nach dem Roman von Percival Everett schrieb, sehr schön umgesetzt.
Sowohl die bissige Satire als auch das melodramatische Familiendrama sind überaus gelungen, und Jefferson bemüht sich, beides so geschickt miteinander zu verzahnen, dass sich daraus eine Geschichte wie aus einem Guss ergibt, nur funktioniert das leider nicht in jedem Moment. Die Tonalität ist leider grundverschieden, und der häufige Wechsel von der überdrehten Satire zum ernsten Drama führt insgesamt zu einem etwas unrunden Eindruck.
Das zweite Manko des Films ist sein unentschlossenes und leider viel zu beliebiges Ende. Jefferson wusste anscheinend nicht, für welches er sich entscheiden sollte, und hat schließlich jede Idee hineingepackt, die ihm im Entwicklungsprozess gekommen ist. Oder es ist so bereits in der literarischen Vorlage angelegt. In jedem Fall ist es enttäuschend.
Alles in allem ist Amerikanische Fiktion trotz seiner kleineren Schwächen ein ungemein starker, witziger und berührender Film, und Jeffrey Wright hätte für seine Darstellung durchaus den Oscar verdient gehabt, doch leider bekam stattdessen Jefferson ausgerechnet den Preis für das beste adaptierte Drehbuch. Verdient ist er nicht.
Note: 2-