Im Januar erschien bei uns der Film American Fiction, der von einem afroamerikanischen Autor handelt, der sich darüber ärgert, dass Bücher von schwarzen Autoren nur dann überaus erfolgreich sind, wenn sie Stereotype behandeln. Deshalb schreibt er als Parodie einen Roman, der lauter Klischees beinhaltet – und plötzlich zu einem riesigen Bestseller wird. Wenige Stunden, nachdem ich mir den Trailer zu American Fiction angesehen habe, habe ich Beale Street auf Wow angeschaut und fühlte mich prompt daran erinnert.
Beale Street
Im New York der frühen Siebzigerjahre ist aus Fonny (Stephan James) und Tish (KiKi Layne), die zusammen aufgewachsen sind, ein Liebespaar geworden. Doch dunkle Wolken ziehen auf, als Fonny verhaftet wird, weil er angeblich eine Puerto-Ricanerin vergewaltigt haben soll. Obwohl er ein Alibi hat, behauptet sie, ihn erkannt zu haben, und auch ein Polizist (Ed Skrein) identifiziert ihn als Täter. Tish, die schwanger ist, engagiert einen teuren Anwalt (Finn Wittrock), doch das System ist gegen das junge Paar.
Der Film von Barry Jenkins, der auch das Drehbuch schrieb, basiert auf dem Roman von James Baldwin und ist eine tragische Liebesgeschichte, auch wenn der Inhalt eher ein Justizdrama suggeriert. Ist der Roman aus der Sicht von Tish geschrieben, fungiert sie im Film als Erzählerin, die Zusammenhänge erklärt und das Geschehen kommentiert. Das ist manchmal hilfreich, manchmal überflüssig, erlaubt Jenkins aber auch, einige der poetischeren Passagen aus Baldwins Buch unterzubringen.
Von Anfang an wird das Paar verklärt, beginnend mit dem elegischen Abschied, gefolgt von Tishs erstem Gefängnisbesuch, in dem sie Fonny von ihrer Schwangerschaft erzählt. Ihre Eltern (Regina King und Coleman Domingo) unterstützen das junge Paar nach Kräften, ihr Vater begeht sogar Diebstähle, um die hohen Anwaltskosten bezahlen zu können. Er rechtfertigt diese damit, dass ein System, das sie so eklatant benachteiligt, keine Ehrlichkeit und Loyalität verdient hat.
Auch Regina King als Mutter zeigt sich von der kämpferischen Seite. Während Fonnys Vater ebenfalls das Paar unterstützt, verdammt seine streng religiöse Mutter die außereheliche Beziehung. King erhielt sogar den Oscar für ihre Darstellung, den man allerdings als eine Art „Trostpreis“ für den Film ansehen muss, der ansonsten leer ausging. King agiert wie immer sehr gut, hat aber kaum Screen Time und nur zwei starke Szenen, die auch nicht so herausragend sind, dass eine Auszeichnung zwingend gewesen wäre.
Insgesamt ist die schauspielerische Leistung des Ensembles großartig, vor allem KiKi Layne überzeugt als junge Mater Dolorosa, die eine schmerzhafte Schwangerschaft über sich ergehen lassen muss und nicht sicher sein kann, ob sie Fonny jemals wiedersehen wird. Aber sie erhält liebevolle Unterstützung von ihrer Familie, die fest zu ihr hält. Dies ist auch das zentrale Element von Baldwins Roman, der Liebe und Zusammenhalt in stürmischen Zeiten predigt.
Die Handlung ist ein knappes Jahrzehnt nach dem Höhepunkt der Bürgerrechtsbewegung in den Sechzigern angesiedelt, zu einem Zeitpunkt, an dem die ersten Erfolge zwar noch sichtbar sind, die Erkenntnis, dass die Nachteile aber nach wie vor überwiegen, allerdings immer deutlicher wird. Der weiße Mann ist ein Teufel, heißt es irgendwann, und genau so wird die Welt in schwarz und weiß unterteilt. Zwar gibt es ein paar gute weiße Männer wie den Anwalt, der aber von den Schwarzen nicht ernstgenommen wird und auch bald an seine Grenzen stößt, oder einen jüdischen Vermieter, der Fonny und Tish in einer Rückblende eine Wohnung vermitteln will, die sie dann wegen der Verhaftung nicht beziehen können, und der als Mitglied einer weiteren Minderheit vermutlich nicht als typischer Weißer zählt. Ansonsten gibt es nur den rassistischen Polizisten, der Fonny mit einer Falschaussage ins Gefängnis bringt, weil dieser sich ihm einmal widersetzt hat.
Zumindest wird das suggeriert. Aber Fonnys Fall spielt ohnehin kaum eine Rolle, und die Geschichte ist kein Justizdrama, auch wenn sie von Ungerechtigkeit und systemimmanentem Rassismus handelt. Im Zentrum steht die Liebesgeschichte, die sich in zahlreichen Rückblenden vor den Augen der Zuschauer entfaltet, poetisch umgesetzt und schön bebildert.
In der Summe ist das allerdings leider etwas langweilig. Es mangelt der sanft vor sich hinplätschernden Handlung entschieden an dramatischen Ereignissen. So anmutig die beginnende Beziehung zwischen Fonny und Tish geschildert wird, der erste Sex, die Suche nach einer gemeinsamen Wohnung, so emotional kraftlos fallen die Momente aus, in denen das Paar getrennt ist. Die Empörung über die Ungerechtigkeit bleibt ebenso aus wie die Hoffnung, dass am Ende alles gut werden könnte. Das System ist böse, der weiße Mann ist böse, die Welt ist böse. Baldwin ist in seinem Roman noch viel radikaler und verbitterter, und bedient damit genau jene Sujets, über die sich heute ein Film wie American Fiction lustig macht. Insofern hat sich doch etwas in den letzten vierzig, fünfzig Jahren verändert.
Jenkins mildert Baldwins Version deutlich ab und beschwört einen Optimismus, von dem man sich fragt, woher er angesichts all der Ungerechtigkeit stammt. Er liefert ein Plädoyer für Liebe und familiären Zusammenhalt ab, das wunderschön aussieht und mit traumhafter Musik untermalt ist, das aber seltsam märchenhaft und ein Stück weit sogar naiv wirkt.
Note: 3-