Der Februar ist Black History Month in den USA, und auch wenn der Monat schon seinen Zenit überschritten hat, dachte ich mir, es wäre passend, aus diesem Anlass ein paar Filme zum Thema vorzustellen, die ich in den vergangenen drei, vier Monaten gesehen habe.
In seiner verzweifelten Suche nach verfilmbaren Stoffen lässt Hollywood bekanntlich nichts unversucht. Waren es früher vor allem Theaterstücke und Romane, die man herangezogen hat, sind es heute auch Videospiele und sogar, Barbie und die Transformer lassen grüßen, Spielzeuge oder Fahrgeschäfte in Vergnügungsparks (wie jüngst Die Geistervilla). Fotografien dienen eher selten als Vorlage.
In diesem Fall geht es nicht nur um eine Propagandafotografie, die auch hierzulande im Geschichtsunterricht eingesetzt wird, um die Brutalität der Sklaverei zu verdeutlichen, sondern zugleich um die Lebensgeschichte des Mannes, der darauf abgebildet ist. Auf dem Foto sieht man vor allem seinen furchtbar vernarbten Rücken, der an ein geologisches Relief erinnert, während sein Name und sein Gesicht weitgehend unbekannt blieben. Umso wichtiger, dass ihm nun ein filmisches Denkmal gesetzt wird, um den Menschen kennenzulernen, der häufig nur auf das reduziert wurde, was ihm zugestoßen ist.
Der von Apple produzierte Film geriet mit seinem Thema natürlich mitten in den Kulturkampf, der seit Jahren in den USA wütet, und wieder einmal schlägt sich dieser Umstand in der IMDb-Wertung nieder. Dabei ist das Thema Sklaverei im Augenblick dank der umstrittenen Gesetzgebung Floridas aktueller denn je. Ich hatte den Film, der schon länger bei Apple+ zu finden ist, irgendwie nicht mehr auf dem Schirm, bis mich ein Neffe gefragt hat, ob ich ihn mir mit ihm anschauen möchte.
Emancipation
Peter (Will Smith) ist ein Sklave, der von seinem Besitzer an die Südstaaten-Armee abgetreten wird, um beim Bau der Eisenbahn zu helfen. Im Militärcamp herrschen unmenschliche Bedingungen, und viele Männer sterben an Entkräftung. Als sich die Gelegenheit zur Flucht ergibt, setzt Peter sich mit ein paar weiteren Sklaven in die Sümpfe ab, in denen er sich gut auskennt. Jim Fassel (Ben Foster), ein brutaler Sklavenjäger, nimmt mit seiner Hundemeute die Verfolgung auf.
Das Drehbuch von William Collage greift die wenigen bekannten Fakten auf, die über den historischen Peter Gordon bekannt sind. Der Film beginnt mit dem herzzerreißenden Abschied von seiner Familie, der er schwört, eines Tages zu ihnen zurückzukehren, bevor er brutal in einen Wagen verfrachtet und zum Militärcamp gebracht wird. Diese ersten, in kontrastreichem Schwarzweiß gefilmten Momente sind so stark, dass sie einen geradezu in die Welt der Sklaverei hineinsaugen.
Überhaupt ist die eindrucksvolle Kamera von Robert Richardson mit Abstand das Beste am Film. Meiste Zeit gefilmt in schwarz-weiß, schimmern immer wieder bestimmte Farben durch, meist das Rot des Blutes oder das Gelb von Flammen, dann wieder ein verblasstes Grün, wodurch die Szenen im Sumpf an alte Aufnahmen aus dem Vietnamkrieg erinnern. Am Anfang erscheint es noch, als würde immer mehr Farbe in die Geschichte einziehen, als hätte Regisseur Antoine Fuqua sich ein ausgeklügeltes Farbsystem ausgedacht, um damit die Dramaturgie zu unterstützen, ähnlich wie es Spielberg in Schindlers Liste getan hat, aber falls eine Absicht dahintersteckt, ist sie nicht erkennbar. Es scheint, als wäre es eine rein ästhetische Entscheidung gewesen.
Und damit ist ein grundlegendes Problem des Films benannt, der sich vor allem auf den Effekt um des Effekts willen konzentriert. Mit Peters Flucht in den Sumpf beginnt der Hauptteil, der ausschließlich von der Verfolgungsjagd handelt. Peter rennt, versteckt sich, verletzt sich, wird beinahe entdeckt und rennt weiter, während Fassel mit der leidenschaftslosen Programmierung eines Terminators hinter ihm her ist. Diese Momente sind ungeheuer dicht und spannend erzählt, bieten aber keine Gelegenheit, den beiden Figuren einmal näher zu kommen. Man würde sich wünschen, mehr über sie zu erfahren, über die Dinge, die sie womöglich verbinden, wie es häufig bei Gejagten und Verfolgern vorkommt, aber das bleibt leider aus, und auch das Ende der Flucht ist so prosaisch und belanglos, dass man sich fragt, warum ihr ein so breiter Raum gewidmet wurde.
Nur einmal lässt sich Fassel am Lagerfeuer über seine Weltsicht aus, die eine sehr schlichte ist: Wenn man die Schwarzen nicht unterdrückt, sondern ihnen gleiche Rechte gewährt, werden sie eines Tages selbst die Herrschaft ergreifen und die Weißen unterdrücken. Man kann nicht sagen, dass sich das Gedankengut der Rassisten in den letzten zwei Jahrhunderten weiterentwickelt hätte. Auch Peter kommt man erst nach der endlosen Verfolgungsjagd näher, wenn er sich der Nordstaatenarmee anschließt und dort ebenfalls herablassend behandelt wird. Seine Narben werden fotografiert, weil die Abolitionisten sie für ihre Zwecke ausnutzen wollen, einem Offizier erscheinen sie jedoch als Hinweis darauf, dass ihr Träger nicht gehorchen kann. Peter muss sich erneut beweisen, muss zeigen, was für ein Kämpfer er ist, eine Wahl hat er dabei nicht.
Im letzten Drittel geht es daher um seine ersten Erfahrungen auf dem Schlachtfeld, und die Inszenierung ist ungemein packend und visuell spektakulär. Die Kamera schwebt über dem Gemetzel, Nebel taucht alles in eine geradezu mystische Szenerie, und Peter und seine schwarzen Kameraden werden als Kanonenfutter verheizt. Ein bitterer, zynischer Kommentar zu Lincolns Emanzipations-Proklamation.
Optisch gehört der Film sicherlich zu den besten der letzten Jahre, er ist bildgewaltig, düster und eindrucksvoll. Ein wiederkehrendes Motiv sind die über den Himmel ziehenden Vögel, ein plakatives Symbol für die Freiheit, um die es geht. Mit der schonungslosen Darstellung der Weißen, die entweder brutale Sklavenhalter oder herablassende Nordstaatler sind, den Schwarzen aber nie volle Gleichberechtigung anbieten, ist er auf der Höhe der Zeit und bezieht klar Stellung in einem zunehmend feindseligen politischen Klima in den USA. Alles richtig, alles wichtig.
Aber hat der Film unabhängig davon auch wirklich was zu erzählen? Dass Sklaverei menschenverachtend und böse ist, haben wir inzwischen begriffen, dazu brauchen wir die grausamen Bilder von Mord und Verstümmelung nicht. Den Figuren kommt man nicht allzu nahe, Fassel bleibt ein Fanatiker, der nicht aus seiner Rolle herauskann oder will, und Peter macht ebenfalls keine Wandlung durch. Im Kern geht es um einen Mann, der zu seiner Familie zurückkehren will, ein typisch amerikanisches Motiv, das am Ende mit einem gehörigen Maß an Pathos verbrämt wird. Doch über weite Strecken ist die Geschichte „nur“ eine packende Verfolgungsjagd. Das ist nicht nichts, aber weniger als man bei dem Thema vielleicht verlangen könnte.
Note: 3+