She Said

Die Serie The Good Fight, ein Spin-off von The Good Wife, war eine bitterböse, aber auch etwas hilflose Abrechnung mit der Trump-Präsidentschaft. In der ersten Folge der vierten Staffel erwacht die Hauptdarstellerin in einer Parallelwelt, in der nicht Trump, sondern Hillary Clinton die Wahl gewonnen hat – und es die #MeToo-Bewegung nie gegeben hat. Womit einmal mehr bewiesen wäre, dass nichts so schlecht ist, dass nicht auch etwas Gutes daraus erwachsen könnte.

Daran musste ich jedenfalls denken, als ich nun mit etwas Verspätung den Film angeschaut habe, der die Recherchen zweier New Yorker Journalistinnen zum Weinstein-Skandal beschreibt, deren Artikel maßgeblich zur Gründung von #MeToo beigetragen hat.

She Said

Ihr Artikel über die Vorwürfe einiger Frauen, vom Präsidentschaftskandidaten Donald Trump sexuell bedrängt worden zu sein, bringt der Journalistin Megan Twohey (Carrey Mulligan) etliche Morddrohungen ein, verhindert aber nicht seine Wahl. Als ein Jahr später der Fox-Moderator Billy O’Reilly wegen der sexuellen Belästigung von Kolleginnen zu Fall gebracht wird, beschließt die Redaktion der New York Times unter Rebecca Corbett (Patricia Clarkson), sich Hollywood näher anzusehen. Im Raum stehen Beschuldigungen von bekannten Schauspielerinnen wie Ashley Judd und Rose McGowan, die den Miramax-Boss Harvey Weinstein schwer belasten. Zusammen mit ihrer Kollegin Jodi Kantor (Zoe Kazan) beginnt Megan zu recherchieren.

Donald Trump ist ein Rätsel. Jeder andere Präsidentschaftskandidat wäre wegen ähnlicher Beschuldigungen zu Fall gebracht worden, aber Mr. Teflon scheint nichts anzuhaften. Vielleicht liegt es an seiner Basis, die unverbrüchlich zu ihm hält, egal was passiert. Vielleicht liegt es auch daran, dass er einen Skandal nach dem anderen verursacht hat, so dass jede Aufregung über eine Entgleisung von einer weiteren, noch extremeren Entgleisung abgelöst wurde, bis alles in einem weißen Rauschen unterging. Und je empörter die Öffentlichkeit reagierte, desto begeisterter waren seine Fans.

Aber auch ein Trump kommt irgendwann zu Fall. Zufällig sah ich She Said letzten Freitag, als das Strafmaß im zweiten Verleumdungsprozess von E. Jean Carroll verkündet wurde, und perfekter hätte das Timing nicht sein können. Aber zurück zur Geschichte.

Das Drehbuch von Rebecca Lenkiewicz, das auf einem Sachbuch von Twohey und Kantor basiert, folgt streng der Chronologie der Ereignisse und schildert, wie die beiden Journalistinnen mit verschiedenen Schauspielerinnen und ehemaligen Mitarbeiterinnen von Miramax sprechen und dabei schnell auf eine Mauer erzwungenen Schweigens stoßen. Denn alle Frauen mussten Verschwiegenheitserklärungen unterschreiben, die juristisch nur schwer anfechtbar sind. Und sie alle haben Angst.

Es ist die Geschichte einer geduldigen Jagd, die Regisseurin Maria Schrader hier routiniert erzählt, und das Monster, hinter dem die Frauen her sind, taucht praktisch nie auf. Nur in einer Szene gegen Ende sieht man Weinstein, allerdings nur von hinten, als er der New York Times einige Fragen zum Sachverhalt beantwortet. Ansonsten lernt man ihn nur durch die Aussagen seiner Opfer kennen.

She Said ist eine Geschichte über vorbildlichen Investigativ-Journalismus, wie es ihn heute kaum noch gibt, weil er aufwändig und teuer ist. Aber er ist heute noch genauso notwendig wie in den Siebzigern, als über Watergate (Die Unbestechlichen) oder die Vietnampapiere (Die Verlegerin) berichtet wurde, angesichts gesteuerter Desinformationskampagnen und Fake News sogar wichtiger denn je. Insofern reiht sich She Said in eine lange Reihe ähnlicher Filme ein, die in den letzten Jahren erschienen sind und sich vor allem mit Machtmissbrauch und sexueller Belästigung beschäftigten, wie Spotlight über Missbrauch in der katholischen Kirche oder Bombshell über Roger Ailes.

Das nimmt dem Film zwar das Alleinstellungsmerkmal, macht ihn aber nicht weniger wichtig. Auch wenn er von Anfang bis Ende in einem gleichmäßig ruhigen, unaufgeregten Tempo erzählt wird, wenn er keine Spannungsmomente besitzt, sondern allein von der Beharrlichkeit seiner beiden Hauptdarstellerinnen lebt, die darum kämpfen, den betroffenen Frauen eine Stimme zu geben und ihnen zu Gerechtigkeit zu verhelfen, ist er keine Sekunde langweilig.

Alles in allem eine durch und durch solide Arbeit, die viele Details eines Falls zu Tage fördert, den jeder zu kennen meint. Da die Ereignisse weitgehend nur aus zweiter Hand erzählt werden, fehlt ihm insgesamt die emotionale Wucht und die Eindringlichkeit, aber das machen die guten Schauspielerinnen wieder wett.

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.