Dass ich diesen Film entdeckt habe, habe ich meiner Neugier zu verdanken, gelegentlich nachzusehen, welche Titel einem noch vorgeschlagen werden, wenn man einen bestimmten Film gesehen hat. Von The Colour Room hatte ich noch nie gehört, noch weniger von Clarice Cliffe, aber mir reichte das historische Setting und ein netter Trailer, um dem Film eine Chance zu geben. Der Film ist bei Wow zu sehen.
The Colour Room
In den 1920er Jahren arbeitet Clarice Cliffe (Phoebe Dynevor) als Malerin in einer britischen Porzellanfabrik. Als sie entlassen wird, weil sie weggeworfene Tonreste mitgehen ließ, um an ihnen das Modellieren zu üben, nimmt sie einen schlechter bezahlten Job in einer Konkurrenzfirma an. Dort wird einer der beiden Chefs, Colley Shorter (Matthew Goode), auf sie aufmerksam und erkennt ihr Talent. Als erste weibliche Designerin besticht sich mit ungewöhnlichen Ideen, doch die Zeiten sind hart, und viele alteingesessene Unternehmen stehen vor dem Ruin.
Clarice wird als ungestüme, wissbegierige junge Frau beschrieben, die selten lange in einem Job arbeitet. Auf diese Weise gelingt es ihr, eine Menge Erfahrungen auf dem Gebiet der Porzellanherstellung zu erlangen, was ihr wiederum hilft, ihre Projekte zu verwirklichen. Doch als Frau in dieser Zeit nach dem Ersten Weltkrieg hat sie es schwer, ernst genommen zu werden. Viel schlimmer ist jedoch, dass sie eine Frau mit Ideen ist, noch dazu mit ausgesprochen guten Ideen. Als es in der Firma einen Unfall gibt und die Produktion ausfällt, rät sie dazu, Ausschussware zu bemalen, um auf diese Weise für Ersatz zu sorgen, und dank ihrer Erfahrungen und Kenntnisse über den Produktionsprozess weiß sie auch, wie man kosteneffizient arbeiten kann.
Das alles wird von den Männern nicht gern gesehen. Die Designer sind sehr konservativ und halten an den viktorianischen Mustern fest, außerdem glauben sie auch zu wissen, was die weiblichen Konsumenten kaufen wollen, obwohl die Bilanzen etwas ganz anderes sagen, die Importwaren immer beliebter werden und eine Fabrik nach der anderen schließen muss. Es ist der ewige Kampf der Innovativen gegen die Traditionalisten.
Insofern kann man sich gut mit Clarice identifizieren, denn man kann diesen Mechanismus sehr gut auf viele Branchen übertragen, in denen einige wenige mit Einfluss glauben, alle Weisheit gepachtet zu haben und sich gegen jede noch so kleine Veränderung stemmen. Überdies spielt Phoebe Deynevor, die mit Bridgerton bekannt wurde, Clarice mit so viel Verve, dass man sie unentwegt anfeuern möchte. Sie schafft es sogar, eine ungeahnte Begeisterung fürs Töpfern zu wecken.
Natürlich würde ihre Lebensgeschichte allein nicht ausreichen für einen abendfüllenden Spielfilm, auch wenn es spannend zu verfolgen ist, wie diese junge Frau sich in einer Männerdomäne nach oben boxt. Deshalb gibt es noch zwei persönliche Handlungsstränge, die sich zum einen um Clarices Liebesbeziehung zu Colley dreht, zum anderen um ihre Schwester, die unheilbar erkrankt. Doch leider gelingt es weder der Autorin Claire Peate, diese angemessen zu verfolgen, noch der Regisseurin Claire McCarthy, sie emotional berührend in Szene zu setzen. Hier hätte es dem Film gutgetan, wenn beide den Figuren mehr Raum gegeben hätten.
The Colour Room erzählt von menschlichem Wagemut, der Liebe zu schönen Dingen und dem vielleicht etwas einfältigen Glauben daran, dass sich am Ende eine gute Idee auch immer durchsetzen wird. Es ist ein im besten Sinne kleiner Film und ein Bio-Pic über eine Pionierin, über die man ansonsten hierzulande wohl nie etwas erfahren hätte. Empfehlenswert.
Note: 3+
Nächste Woche findet wieder die Münchner Filmwoche statt, weshalb es keine frischen Beiträge geben wird. In welchem Umfang wir berichten werden (dürfen), muss noch geklärt werden, da sich in diesem Jahr einiges verändert hat.