Wie vielen Kinder war mir der Nikolaus am Anfang nicht geheuer. Ein großer, bärtiger Mann im roten Mantel, wahlweise mit Zipfelmütze oder Mitra, der ein goldenes Buch mit sich trägt, in dem jede Unartigkeit, die man im vergangenen Jahr verbrochen hat, vermerkt ist, ist eine beeindruckende und einschüchternde Erscheinung.
In Westdeutschland wird er gelegentlich von Knecht Ruprecht begleitet, ein finsterer Geselle, der die unartigen Kinder mit der Rute schlägt. Ich glaube, in meiner Kindergartenzeit ist er einmal aufgetaucht, und schon damals habe ich mich gefragt: Wer ist das und warum ist er hier? Wirklich bekannt ist er also nicht, zumindest in meiner Kindheit war das so, und vom Krampus hatte ich erst recht nichts gehört, schließlich ist er im Voralpenraum beheimatet. Umso erstaunlicher ist es, dass Hollywood 2015 einen Film über ihn in die Kinos gebracht hat.
Krampus
Tom (Adam Scott) und seine Frau Sarah (Toni Collette) erwarten wie jedes Jahr die Familie zum gemeinsamen Weihnachtsfest. Doch die Kinder Beth (Stefanie LaVie Owen) und Max (Emjay Anthony) sind nicht gerade begeistert, denn die Kinder von Tante Linda (Allison Tolman) und Onkel Howard (David Koechner) sind gemein und niederträchtig. Als sie Max wegen seines Briefes an den Weihnachtsmann aufziehen, zerreißt er diesen wütend und wirft ihn fort. Weihnachten kann ihm gestohlen bleiben. In der Nacht zieht ein gewaltiger Schneesturm auf, der Strom fällt aus, und dann erscheinen gruselige Gestalten in der Dunkelheit, die Jagd auf die Familie machen …
Der Anfang des Films besitzt nicht nur einen altmodischen Vorspann, sondern erinnert zugleich an die in ähnlichen Filmen thematisierten vorweihnachtlichen Einkaufsorgien, die angesichts einer Verknappung im Spielwarensegment schnell in eine handfeste Klopperei enden. Die ersten Momente des Films erinnern an Komödien wie Versprochen ist Versprochen oder Schöne Bescherung, doch nach dem ersten Drittel wird es dann todernst.
Neben Violent Night ist dies eine weitere Seltenheit, eine weihnachtliche Horrorkomödie, die noch dazu auf einer deutschsprachigen Folkloregestalt basiert. Entsprechend braucht es eine Figur, die die kulturell ahnungslosen Amerikaner (gibt es noch andere?) aufklärt: Omi (Krista Stadler), Toms Mutter, weiß eine Menge über den Krampus, schließlich ist sie ihm als Kind bereits einmal begegnet.
Woher die Autoren Todd Casey, Michael Dougherty, der auch Regie geführt hat, und Zach Shields ihre Inspiration für den Film hatten, konnte ich nicht ermitteln, es würde mich aber nicht wundern, hätten sie einfach „internationale Adventsfolklore“ gegoogelt und dann verschiedene Elemente miteinander kombiniert. So tauchen in Krampus’ Gefolge auch skandinavische Gestalten und Accessoires auf, und die titelgebende Schreckgestalt wird als der Schatten des Weihnachtsmanns beschrieben.
Im Kern ist die Story, wie praktisch jede Weihnachtsgeschichte, jedoch zutiefst sentimental. Max sehnt sich nach einem Weihnachten, wie es früher war, mit liebenden Eltern und netten Verwandten, und auch wenn dieser Nostalgiefaktor für einen Achtjährigen erstaunlich ist, kann man mit ihm mitfühlen. Schließlich war früher mehr Lametta. Die Atmosphäre, die als harmlose Familienkomödie beginnt, in der die Angehörigen sich gegenseitig auf die Nerven gehen und der proletenhafte Teil der Sippe sich derb über die eingebildeten Schnösel lustig macht, kippt schließlich in eine gruselige Heimsuchung, bei der ein Verwandter nach dem anderen ins Gras oder vielmehr den Schnee beißt.
Grundsätzlich ist das unterhaltsam in Szene gesetzt, doch der Komödienteil könnte mehr Witz vertragen, der Horrorpart hingegen mehr Grusel. So sitzt der Film, der in den USA irgendwie noch jugendfrei sein musste, komplett zwischen den Stühlen.
Note: 4+