Cocaine Bear

In einer Tageszeitung würde eine Geschichte wie diese vermutlich in die Rubrik „Tier macht Sachen“ fallen, in der kuriose, makabre und ungewöhnliche Anekdoten mit tierischen Protagonisten versammelt sind. Tatsächlich beruht die Idee des Films auf einer wahren Begebenheit, und irgendjemand dachte, ein zugekokster Bär könnte lustig sein.

Als der Trailer veröffentlicht wurde, war ich ziemlich neugierig auf den Film, versprach er doch spannende Action und eine ordentliche Prise Humor. Doch dann sahen wir auf einer Tradeshow einige Ausschnitte, insbesondere jenen, in dem der Bär in den Kopf eines Rettungssanitäters beißt, und danach hatte ich schlagartig keine Lust mehr, den Film auf der großen Leinwand zu sehen. Aber nun, im heimischen Wohnzimmer wollte ich ihm dennoch eine Chance geben.

Cocaine Bear

1985 gerät das Flugzeug eines Drogenschmugglers (Matthew Rhys) in Schwierigkeiten und stürzt ab. Zuvor gelingt es dem zugedröhnten Piloten noch, die Taschen mit Kokain über einem abgelegenen Waldgebiet abzuwerfen, bevor er mit dem Fallschirm abspringt und dabei ums Leben kommt. Als eine Schwarzbärin die Pakete findet und konsumiert, entwickelt sie nicht nur schlagartig eine massive Abhängigkeit, die sie nach immer mehr Koks suchen lässt, sondern auch ein überaus aggressives Verhalten, das sich gegen Menschen richtet, insbesondere gegen solche, die in Berührung mit der Droge geraten sind.

Der Weiße Hai ist wohl einer der erfolgreichsten Tier-Horrorfilme der Geschichte, der bei den Zuschauern tiefsitzende Ängste vor dem Schwimmen im offenen Meer ausgelöst hat – und wohl für zahllose tote Haie verantwortlich ist. Vor allem der Autor der Romanvorlage Peter Benchley bedauerte es später sehr, das Tier so grausam dargestellt zu haben, denn auch wenn es gelegentlich vorkommt, dass Haie Menschen angreifen, sind sie nicht per se die bösen Killer, als die sie der Film darstellt.

Dass es den Schwarzbären nun nicht ähnlich ergeht, verdanken sie der Tatsache, dass Cocaine Bear erstens eine rabenschwarze Komödie ist und zweitens bei weitem nicht so erfolgreich war wie Der weiße Hai. Der Film war zwar an den Kassen kein Flop und hat mehr eingespielt, als er gekostet hat, aber gemessen am Hype, den er im Vorfeld erfahren hat, hätte man mit mehr Zuschauern rechnen können. Damit teilt er das Schicksal vieler Horrorkomödien. Es scheint, als könne das Publikum diesem Genremix nicht allzu viel abgewinnen und würde Humor und Horror lieber sauber so voneinander trennen wie ein Serienmörder die Gliedmaßen seiner Opfer.

Interessanterweise beginnt der Film allerdings weder wie ein klassischer Horrorfilm noch wie eine typische Komödie, sondern eher wie ein Katastrophenfilm. Es werden eine ganze Reihe von Figuren vorgestellt, die allesamt ihre eigenen kleinen Alltagssorgen mit sich herumtragen und die nur eines gemeinsam haben: Jeder von ihnen wird in den kommenden neunzig Minuten dem zugedröhnten Bären begegnen, und die Frage, wer dies überleben wird, sorgt für die meiste Spannung in einer ansonsten überschaubaren Handlung.

Da gibt es die alleinerziehende Mutter Sari (Keri Russell), die nach ihrer 13jährigen Tochter und deren Freund sucht, die unterwegs zu einem Wasserfall sind. Die Rangerin Liz (Margo Martindale), die an dem Tag im Park Dienst hat, muss sich mit einer kriminellen Jugendgang herumschlagen, würde aber lieber mit dem Tierforscher Peter (Jesse Tyler Ferguson) flirten. Und dann gibt es noch den Gangsterboss (Ray Liotta in einer seiner letzten Rollen), der seine Drogen wiederfinden möchte und deshalb seinen Sohn (Alden Ehrenreich) und Daveed (O’Shea Jackson) auf die Suche danach schickt.

Regisseurin Elizabeth Banks versammelt eine illustre Darstellerschar, die auch wunderbar agiert und die recht dünnen Stories ihrer Figuren am Leben erhält, es aber insgesamt leider nicht schafft, den Film zu retten. Dafür sind weder die Einzelgeschichten noch die übergeordnete Story über einen amoklaufenden Bären originell genug. Der Film besteht letzten Endes nur aus einer Reihe von Anekdoten, die immer mehr oder weniger gleich ablaufen: Mensch trifft Bär, Bär nimmt Drogen, Bär frisst Mensch.

Natürlich kommt es dabei auf die Details an. Nicht die Tatsache, dass so viele Leute dem Bären zum Opfer fallen, ist interessant, sondern die Art und Weise, wie das geschieht. Und hier gibt es durchaus den einen oder anderen Todesfall, der überraschend, witzig und spannend inszeniert ist. Doch diese Szenen sind leider die Ausnahmen, und viele Todesfälle sind überdies extrem gewalttätig.

Banks macht zwar das Beste aus dem etwas einfallslosen Drehbuch von Jimmy Warden, das nie so witzig ist wie man es sich von einer Komödie wünschen würde und nie so packend wie es ein reiner Horrorfilm wäre. Aber es fehlen leider die guten Einfälle, die überraschenden Wendungen, und auch manche CIG-Effekte sehen nicht besonders gut aus.

Der reale Bär starb übrigens am Drogenkonsum, ohne einen Menschen zu verletzen, aber das wäre tatsächlich nur eine kurze Zeitungsmitteilung wert.

Note: 3-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.