Die Vorlage gehört zu den besten britischen Romanen des 20. Jahrhunderts, aber ich habe bisher weder ihn noch einen anderen aus der Feder von Evelyn Waugh gelesen. 1981 wurde Wiedersehen mit Brideshead schon einmal adaptiert, als Miniserie mit Jeremy Irons, die überaus erfolgreich war, die ich aber leider nie gesehen habe. Auch die Neuverfilmung ging komplett an mir vorbei, doch als ich sie neulich zufällig auf Kabel eins classics entdeckt habe, war ich neugierig und habe eingeschaltet.
Wiedersehen mit Brideshead
Anfang der 1920er Jahre beginnt Charles Ryder (Matthew Goode) ein Geschichtsstudium in Oxford, obwohl er viel lieber Maler werden möchte. An der Universität freundet er sich mit Sebastian Flyte (Ben Whishaw) an, dem jüngsten Spross einer katholischen Adelsfamilie, der ihn mit nach Schloss Brideshead nimmt. Charles ist von dem prachtvollen Anwesen und dem Leben der Familie beeindruckt, doch Sebastian fühlt sich von den Traditionen und dem Glauben eingeengt. Während sein Vater (Michael Gambon) mit seiner Geliebten in Venedig lebt, führt Sebastians Mutter (Emma Thompson) ein strenges Regiment. Einen Sommer lang genießt Charles das Leben mit der Familie auf Brideshead und in Venedig, doch dann verliebt sich Sebastian in ihn, während Charles sich immer stärker zu dessen Schwester Julia (Hayley Atwell) hingezogen fühlt, die jedoch mit einem anderen verlobt ist.
Was wäre die britische Literatur- und Filmgeschichte nur ohne den Adel und die Gentry? Unzählige Geschichten wurden über sie geschrieben, und sie haben auch heute noch nichts von ihrer Faszination verloren. Kein Wunder, dass auch der aus einer bürgerlichen, verknöcherten Familie stammende Charles hingerissen ist von der Pracht und dem Lebensgefühl des Adels.
Doch die Familie Flyte of Marchmain ist keine typische britische Adelsfamilie. Sie besitzen zwar ein wunderschönes Schloss, gehen auf die standesgemäßen Schulen und Universitäten, folgen den gleichen Regeln und Gepflogenheiten ihrer Klasse, mit der sie bevorzugt verkehren, doch sie sind auch überzeugte Katholiken und damit in einer Minderheit. Noch dazu einer Minderheit, der viele Protestanten immer noch mit einer gewissen Skepsis begegnen. Die Reformation mag zwar schon lange Geschichte sein, die Katholiken seit Ende des 18. Jahrhunderts vom Generalverdacht des Hochverrats befreit, doch gesellschaftlich wurden viele von ihnen gemieden.
Das bekam auch Evelyn Waugh zu spüren, als er zum Katholizismus konvertierte, und wenn man sich seine Biografie ansieht, entdeckt man die eine oder andere Parallele zu Charles Ryder. Auch Waugh war in die Tochter eines Lords verliebt, wurde aber als zu arm und nicht standesgemäß zurückgewiesen. In Wiedersehen mit Brideshead geht es aber nicht nur um eine unglückliche Liebesbeziehung, sondern gleich um zwei, in erster Linie aber um Religion und die Fesseln, die sie den Menschen auferlegt.
Die erste Hälfte des Films ist Charles’ Leben in Oxford und seiner Beziehung zu Sebastian gewidmet, die fröhlich und alkoholselig ist. Eine Bromance wie sie im Buche steht, aus der aber für Sebastian irgendwann mehr wird. Doch Charles erwidert seine Gefühle nicht, viel schlimmer, er verliebt sich in Julia. Sebastian verfällt dem Alkohol, nicht so sehr wegen seiner unerwiderten Liebe, sondern weil er seine sexuelle Orientierung nicht mit seinem Glauben vereinbaren kann. Charles wiederum wird eine Heirat mit Julia verwehrt, weil sie nur einen Katholiken ehelichen soll. Über die Möglichkeit zu konvertieren, so wie Julias späterer Ehemann, denkt der Atheist Charles jedoch nicht einmal nach.
In der zweiten Hälfte des Films wird von dem Wiedersehen von Charles und Julia zehn Jahre später erzählt, als er bereits ein gefeierter Maler und sie eine unglückliche Ehefrau ist. Erneut verlieben sie sich, erneut steht ihr Glaube am Ende zwischen ihnen. Anstatt den Rat von Lord Marchmains italienischer Geliebten Cara (Greta Scacchi) anzunehmen und zu tun, was ihnen gefällt, und regelmäßig ihre Sünden zu beichten, richten sich die englischen Katholiken lieber mit ihrem Liebesverzicht zugrunde.
Es ist ein trübseliges Bild, das Regisseur Julian Jarrold und seine Autoren Andrew Davies und Jeremy Brock hier zeichnen: Religion ist böse, weil sie die Menschen versklavt und mit ihren strengen Regeln ihrer Möglichkeiten und Lebensfreude beraubt. Am Ende, wenn Charles während des Krieges ein letztes Mal Brideshead besucht, kommentiert einer seiner Soldaten, dass die Zukunft ihnen gehöre, Männern mit Tatkraft, aber ohne Glauben. Für Charles scheint es eine trostlose Zukunft zu sein, ohne Liebe und ohne Schönheit. Brideshead und mit ihm die britische Aristokratie gehören der Geschichte an, ebenso wie die Religion.
Das ist allerdings nicht das, was Waugh mit seinem Roman erzählen wollte, der laut seiner eigenen Aussage vom „Wirken der göttlichen Gnade“ handelt. Die Tragödie besteht seiner Lesart nach darin, dass die Figuren sich von ihrem Glauben abwenden und daher unglücklich werden, am Ende aber zu ihm zurückfinden. Ansatzweise geschieht das auch im Film, nur wird es dort eher negativ bewertet, und Charles, der im Roman Agnostiker ist und am Ende tatsächlich zum Gläubigen zu werden scheint, ist im Film eine statische Figur, die nicht so recht zu begreifen scheint, was in den anderen vorgeht.
Der Film bietet aber noch eine weitere Deutungsmöglichkeit. Einer der Schlüsselsätze stammt von Lady Marchmain, die wegen ihrer Strenge von ihren Kindern gehasst wird, aber erklärt, dass sie stets nur ihre Sicherheit im Sinn hatte. Um sie in Sicherheit zu wissen, behütet und beschützt vor einem Leben in Sünde, steckt sie ihre Kinder in einen Käfig, und so kann man Brideshead auch als ein Gefängnis falsch verstandener Mutterliebe betrachten.
Leider wird das Verhältnis zwischen ihr und den Kindern nicht richtig ausgeleuchtet, wie überhaupt die meisten Beziehungen seltsam oberflächlich und konfliktfrei bleiben. Man kann sich nicht vorstellen, dass dies im Roman auch so geschildert wird, und so wäre es vermutlich sinnvoller, sich endlich mit Waughs Meisterwerk zu beschäftigen – oder auf eine bessere Verfilmung des Stoffes zu warten.
Note: 3-