Was dein Herz dir sagt – Adieu ihr Idioten!

Eigentlich wollten wir uns diese Woche einen Film über einen großen Franzosen ansehen, von dem viele glauben, dass er von relativ kleiner Statur war, aber dann ist uns Corona dazwischen gekommen. Dumm gelaufen, aber ein Beweis dafür, dass die Pandemie zwar schon lange vorbei ist, das Virus sich jedoch noch munter weiterverbreitet.

Stattdessen dachte ich mir, ich lege eine französische Woche ein und stellen ein paar Filme vor, von denen ich zwei bereits vor weit über einem Jahr gesehen habe, aber nie dazu gekommen bin, meine Kritik in den Blog zu stellen.

Was dein Herz dir sagt – Adieu ihr Idioten!

Als die Friseurin Suze (Virginie Efira) erfährt, dass sie unheilbar krank ist und nicht mehr lange zu leben hat, beschließt sie, ihren Sohn ausfindig zu machen, den sie als Teenager vor fast dreißig Jahren zur Adoption freigegeben hat. Doch die Behörden stellen sich quer. Während Suze verzweifelt versucht, an die gewünschten Informationen zu kommen, unternimmt im Nebenzimmer der IT-Chef Jean-Baptiste (Albert Dupontel), der gerade entlassen wurde, einen Selbstmordversuch, der spektakulär scheitert: Statt sich zu erschießen, erwischt er einen Kollegen – und ist plötzlich mit Suze auf der Flucht …

Es ist gar nicht so einfach, den Aufhänger der Geschichte zu vermitteln, ohne auf die vielen kuriosen Details und überraschenden Verwicklungen einzugehen, die zur besagten Flucht von Suze und Jean-Baptiste führen, zu denen sich später noch der blinde Archivar Serge (Nicolas Marié) gesellt, der ihnen hilft, den verschollenen Sohn zu finden. Die Story ist, gelinde gesagt, aberwitzig und ziemlich unglaubwürdig. Sie ist überdreht, schräg, verrückt, voller unwahrscheinlicher Zufälle und absonderlicher Figuren. Ein bisschen so verschroben wie die frühen Filme von Marc Caro und Jean-Pierre Jeunet oder Ben Lewins Der Gefallen, die Uhr und ein sehr großer Fisch.

In Deutschland wäre es vollkommen undenkbar, einen solchen Film zu machen, der sich trotzig den Erwartungen verweigert und konsequent zwischen die Stühle setzt. Das merkt man allein schon am Titel. Während der Film in Frankreich ganz derb Adieu les Cons heißt (was man wörtlich mit „Tschüs, ihr Arschlöcher“ übersetzen müsste), gibt man ihm hier einen eher romantischen, aber unpassenden Touch und mildert die Beschimpfung im verschämt nachgeschobenen Untertitel zu „Idioten“ ab.

Man muss den Ideenreichtum von Albert Dupontel bewundern, der nicht nur die zweite männliche Hauptrolle spielt, sondern auch Regie führt und zusammen mit Marcia Romano und Xavier Nemo das Drehbuch geschrieben hat. Es gibt zahlreiche tolle Einfälle und sehr witzige Szenen, die aber – und das ist das Hauptproblem des Films – auf dem Papier besser funktionieren als auf der Leinwand. Manches Mal wird der Zufall zu sehr strapaziert, manche Idee ist ein bisschen zu unglaubwürdig, und auch das Tempo kommt immer wieder ins Stocken. Hinzu kommt, dass die Story im letzten Drittel noch eine weitere Wendung nimmt, die sie von den Protagonisten wegführt.

Aber wenn man bereit ist, über diese Mängel hinwegzusehen, kann man eine wunderbare französische Farce entdecken, die viele köstliche Momente hat und immer wieder überraschende Volten schlägt. Eine gelungene Alternative zu dem, was das Kino sonst zu bieten hat.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.