Bottoms

Von den beiden britischen Dramen der letzten Tage den Bogen zu einer schrillen US-Indie-Komödie zu spannen, überfordert meine Fähigkeiten. Die einzige Gemeinsamkeit ist, dass auch dieser Film in den letzten Tagen in Deutschland gestartet ist (bei Prime Video), ich ihn aber schon vor einiger Zeit gesehen habe.

In den USA lief der Film ganz ordentlich in den Kinos, zumindest für einen kleinen No-Budget-Film. Ich muss gestehen, dass ich ihn überhaupt nicht auf den Schirm hatte und ein verwirrtes Gesicht gemacht habe, als Mark G. auf dem Weg nach New York sagte, dass er ihn unbedingt im Kino sehen wolle. Tatsächlich mögen wir Teenie-Filme und noch mehr Komödien, von denen es ja praktisch kaum noch welche gibt, zumindest keine, die ihr Pulver wert sind, daher war ich sofort einverstanden, mich auf dieses Blind Date einzulassen. Ich war gewillt, positiv und offen zu sein.

Als ich im Kino dann jedoch das Plakat sah, das damit warb, der Film sei von den Produzenten von Pitch Perfect und Cocaine Bear, „a movie about empowering women (the hot ones)“, war ich allerdings ein klitzekleines bisschen skeptisch. Dann begann das Vorprogramm, und gezeigt wurden viele Trailer, die entweder misslungen waren, oder kleine, obskure Filme mit fragwürdiger oder unverständlicher Handlung bewarben (The Origin of Evil oder Foe zum Beispiel). So richtig Stimmung kam dadurch jedenfalls nicht auf. Tja, und dann kam der Hauptfilm …

Bottoms

Josie (Ayo Edebiri) und PJ (Rachel Sennott) sind nicht nur beste Freundinnen, sondern auch die einzigen offen lesbischen Schülerinnen an ihrer High School, dazu weder hübsch noch besonders talentiert. Gewissermaßen die Außenseiter der Außenseiter. Beide sind heimlich in zwei überaus beliebte Klassenkameradinnen verliebt: Josies Crush Isabel (Havana Rose Liu) ist mit dem Quarterback Jeff (Nicholas Galitzine) liiert, während PJ scharf auf deren beste Freundin Brittany (Kaia Gerber) ist. Als Isabel einen heftigen Streit mit Jeff hat, bieten Josie und PJ ihre Hilfe an, wobei es zu einem harmlosen Vorfall kommt, den Jeff ausnutzt, um die beiden als gewalttätig darzustellen. Weil ihnen eine Suspendierung droht, behaupten die beiden Freundinnen, nur für einen Selbstverteidigungskurs geprobt zu haben. Sie greifen diese Idee auf, um einen „Fight Club für Frauen“ ins Leben zu rufen, in der Hoffnung, auf diese Weise den beiden Objekten ihrer Begierde nahezukommen.

Auch auf die Gefahr hin, mich hier bei einigen sehr unbeliebt zu machen: Fight Club gehört für mich zu den überschätztesten Filmen der Kinogeschichte. Visuell toll gemacht und gut gespielt, keine Frage, auch mit einer interessanten konsumkritischen Botschaft, aber mit einer vollkommen dämlichen Auflösung, die ich nicht eine Sekunde lang gekauft habe und die den gesamten Film ruiniert. Meine Meinung.

Fight Club für Frauen bzw. Teenagerinnen klingt für mich daher auf den ersten Blick nicht überzeugend. Tatsächlich funktioniert diese Idee dann überraschend gut, weil sie gekonnt mit der Erwartungshaltung der Zuschauer spielt, die die Vorstellung, dass sich sechzehnjährige Mädchen das Hirn aus dem Leib prügeln, irgendwie lustig finden. Teilweise ist der Film das sogar, in einigen wenigen Momenten. Was vor allem an den überdrehten Nebenfiguren liegt, die man in jeder Komödie findet. Wichtiger ist jedoch, dass man den jungen Frauen abnimmt, durch die Prügeleien zu mehr Selbstbewusstsein zu finden. Das hätte aber mit einem Karatekurs genauso gut funktioniert.

Leider verfügt der Film aber über zwei Hauptfiguren, die man weder ernstnehmen noch sympathisch finden kann. PJ ist eine furchtbare Nervensäge, und Rachel Sennott, die zusammen mit Regisseurin Emma Seligman das Drehbuch geschrieben und produziert hat, ist – man muss es so deutlich sagen – viel zu alt für ihre Rolle als Teenagerin. Überhaupt wimmelt es in dieser Schulkomödie von Fehlbesetzungen, Schauspieler*innen, die entweder zu alt oder zu untalentiert, meistens jedoch beides sind. Was vielleicht auch damit zu tun hat, dass die Figuren ganz bewusst als Stereotype angelegt sind. Jeff beispielsweise ist der Inbegriff des schönen, dummen und männlich-dominanten Quarterbacks, der seine Freundin betrügt und ein divenhaftes Verhalten an den Tag legt. Das sind keine authentischen Figuren, sondern Karikaturen des typischen High School-Film-Personals.

Damit kommen wir zum eigentlich Problem, einem völlig uninspirierten Drehbuch, das die üblichen Plotmuster aneinanderreiht, ohne sich auch nur um einen Hauch von Originalität zu bemühen. Hollywoods Standard-Blaupause dient einmal mehr als Grundlage dieser effizient durchgetakteten, aber völlig seelenlosen Story, die glaubt, durch das bloße Ansprechen und Überzeichnen der gängigen Klischeevorstellungen und des stereotypen Rollenverhaltens bereits alle Auflagen für eine Satire zu erfüllen. Hier und da gelingt den Autorinnen dabei zwar ein halbwegs witziges Bonmot, die meiste Zeit aber windet man sich fremdschämend im Kinosessel. Warum so viele Kritiker und Zuschauer das Werk toll finden, erklärt sich nur dadurch, dass mit der Komödie wohl auch jeglicher Sinn für Humor bei den Zuschauern gestorben ist. Oder um erneut ein Lieblingszitat (von Karl Kraus) zu bemühen: „Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen auch Zwerge lange Schatten.“

Es gibt im gesamten Film nur eine halbwegs befriedigende Szene, nämlich der ersehnte finale Kampf, der dank einer überraschenden, aber leider vollkommen unglaubwürdigen und ziemlich bescheuerten Prämisse anders ausfällt als erwartet. Dass man auf diese Weise am Ende noch überrascht wird, könnte tatsächlich für den Film sprechen, dass dies jedoch nur auf der Behauptungsebene funktioniert, hebt diesen positiven Effekt sofort wieder auf.

Lobenswert ist ebenfalls, dass die Autorinnen sich ein paarmal die Mühe machen, die Tiefen ihrer Figuren auszuloten und zumindest ansatzweise deren Psychologie zu ergründen. Das ist in der Summe zwar weder ausreichend noch gelungen, aber die gute Absicht muss man definitiv anerkennen.

Weibliche Selbstermächtigung als Thema zu wählen, ist nicht mehr mutig, sondern trendig, obwohl die Notwendigkeit für solche Filme nach wie vor besteht. Das Problem ist nur, dass dieses Thema vorgeschoben wirkt und schlichtweg nicht überzeugen kann. Bei einem Streamer ist dieses Werk definitiv am besten aufgehoben, da fällt es wenigstens nicht so unangenehm auf.

Note: 4-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.