Die Täuschung

Ein weiteres Beispiel für die allgemein bekannte Tatsache, dass die besten Geschichten das Leben selbst schreibt, ist Die Täuschung, der vor ein paar Jahren in unsere Kinos kam. Da es die x-te Story aus dem Zweiten Weltkrieg in den letzten Jahren war, war der Erfolg eher übersichtlich, doch die Besetzung kann sich sehen lassen, und der Trailer versprach Spannung und eine gute Prise Humor. Kürzlich ist Film auf Prime Video gelandet.

Die Täuschung

Der Marineoffizier und Jurist Ewen Montagu (Colin Firth) wird vom Hauptquartier der Navy zum Geheimdienst versetzt, um an einer groß angelegten Täuschungsaktion zu arbeiten, die die Landung der Alliierten auf Sizilien verschleiern soll. Gemeinsam mit seiner Sekretärin Hester (Penelope Wilton) und Charles Cholmondeley (Matthew Macfadyen), einem Offizier der Royal Air Force, arbeitet er einen raffinierten Plan aus, bei dem eine in Spanien an Land getriebene Leiche im Mittelpunkt steht. Das Ziel ist, die Nazis dahingehend zu täuschen, dass die Landung nicht in Italien, sondern Griechenland stattfinden soll.

Die Story ist so absurd, dass sie nur wahr sein kann, denn sonst würde sie vermutlich keiner glauben. Operation Mincemeat, wie sie benannt wurde und wie der Originaltitel lautet, ist tatsächlich einer der größten und erfolgreichsten Spionageakte der Geschichte, und dass kein Geringerer als Ian Fleming (Johnny Flynn) daran mitgewirkt hat, sorgt zusätzlich noch für das gewisse Etwas.

In einigen Momenten, wenn Fleming an der Schreibmaschine sitzt und an seinem Spionagethriller arbeitet (was damals groß in Mode gewesen zu sein scheint, denn die Tatsache, dass nahezu jeder Akteur an einem Roman arbeitet, ist ein netter Running Gag), kann man ihn geradezu denken hören, wie er das soeben Erlebte in Fiktion ummünzt. Die Idee, für die Täuschungsaktion auf eine Leiche zurückzugreifen, ist ebenso makaber wie originell und sorgt verständlicherweise für einige Komplikationen.

Um die Vita des toten Offiziers, der einige gefälschte Geheimdokumente bei sich trägt, so wasserdicht wie möglich zu machen, denken sich die Beteiligten eine komplette Lebensgeschichte aus, inklusive einer Liebesbeziehung. Und hier kommt bei dem ansonsten recht männerlastigen Ensemble endlich eine Frau als fiktive Geliebte ins Spiel: Jean Leslie (Kelly Macdonald) arbeitet als Sekretärin für die Gruppe und wird vor allem von Cholmondeley hofiert, doch im Verlauf der Geschichte entwickeln sich zwischen ihr und Ewen zarte Gefühle. Problematisch ist nur, dass dieser bereits verheiratet ist.

So gibt es zusätzlich zur Spionagestory noch eine kleine Liebes- und Dreiecksromanze, die aber insgesamt recht harmlos erzählt wird. Der Film lebt in erster Linie von seiner irrwitzigen Idee und ihrer Ausführung, bei der sich einige unerwartete Hindernisse ergeben. Das Ganze wird von Michelle Ashford mit viel Humor und eloquenten Dialogen erzählt, stützt sich vor allem auf das Sachbuch von Ben Macintyre, aber auch auf den Erinnerungen Ewens, die bereits 1956 unter dem Titel Der Mann, den es nie gab verfilmt wurden. Insofern ist Die Täuschung ein Remake.

John Madden setzt die Geschichte geschickt in Szene, gibt den großartigen Akteuren Raum, sich zu entfalten und ihre gut geschriebenen Figuren mit Leben zu erfüllen. Der Film ist über weite Strecken ungeheuer amüsant, lässt dann aber leider in der zweiten Hälfte, wenn die Operation gestartet wird, etwas nach. Das ist kein Wunder, schließlich sind alle Beteiligten von diesem Zeitpunkt an zur Passivität verdonnert. Zusammen mit dem Zuschauer warten sie, ob ihr Plan aufgeht, und verfolgen die weiteren absurden Entwicklungen, auf die sie nun keinen Einfluss mehr haben. Diese sind immer noch unterhaltsam, aber haben kaum noch mit den Protagonisten zu tun, und die etwas dürftige Liebesgeschichte kann dieses Defizit leider nicht ausgleichen.

Insgesamt eine sehr amüsante, absurde und bisweilen sogar spannende Geschichtsstunde mit einer tollen ersten Hälfte und einer etwas schwachen zweiten. Einer der besseren Weltkriegsfilme der letzten Jahre.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.