The Pope’s Exorcist

Süßes oder Saures? Halloween hat sich bei uns nie richtig durchgesetzt, und ich habe das Gefühl, dass es vor allem von Erwachsenen zelebriert wird, die einen Grund zum Feiern und Verkleiden suchen. Oder um Horrorfilme zu schauen. Vergangene Woche habe ich drei vorgestellt, die ich in den letzten Monaten gesehen habe, heute kommt noch einer dazu, den ich am Sonntag auf Netflix nachgeholt habe. Quasi als Vorbereitung für Halloween.

The Pope’s Exorcist

Pater Gabriele Amorth (Russell Crowe) ist der oberste Exorzist des Vatikans und bekannt für seine eher unorthodoxen Vorgehensweisen. Auch er gibt zu, dass es Fälle von echter Besessenheit nur sehr selten gibt, weshalb er die meisten an Psychologen verweist. Als nun eine Kommission seinen Posten abschaffen will, weil auch die Kardinäle nicht mehr an die Existenz des Teufels glauben, gerät er ins Kreuzfeuer der Kritik. Gleichzeitig erhält er einen Anruf aus Spanien, wo ein amerikanischer Junge, dessen Familie eine geerbte Abtei renoviert, Anzeichen von Besessenheit zeigt.

Dass die spannendsten Geschichten angeblich das Leben schreibt, scheint wohl auch für Horrorfilme zu gelten. Die Conjuring-Reihe ist das beste Beispiel dafür, und auch William Friedkins Klassiker Der Exorzist beruht auf einer wahren Begebenheit, aus der William Peter Blatty später seinen berühmten Roman gemacht hat. In seiner Adaption hat Friedkin die Bildsprache festgelegt, die seither zum Kanon des Genres gehört, was alle nachfolgenden Filme ein wenig formelhaft erscheinen lässt. Wenn sowohl der Inhalt als auch die Erzählweise bereits festgelegt sind, bleibt nicht mehr viel Raum für Kreativität. Immerhin scheint es dennoch ein kleines Revival zu geben, sind heuer doch mit The Pope’s Exorcist und der späten Friedkin-Fortsetzung Der Exorzist – Bekenntnis doch gleich zwei Horrorfilme dieses Subgenres erschienen.

Gabriele Amorth, auf dessen Memoiren der Film beruht und der einige Bücher über seine Arbeit schrieb, war der Exorzist der Diözese Rom und damit tatsächlich direkt dem Papst unterstellt. Nach eigener Aussage sprach er täglich mit dem Teufel, führte über 100.000 erfolgreiche Exorzismen durch und propagierte seine Tätigkeit in den Medien. Die Produzenten und Regisseur Julius Avery wollten daher nicht einfach einen lose auf seinen Aufzeichnungen beruhenden Horrorfilm drehen, sondern ein unterhaltsames Bio Pic, gepaart mit einem klassischen Exorzistenfilm. Mit Russell Crowe hat man zudem die perfekte Besetzung für Amorth gefunden, der die Rolle mit Gravitas, Schlitzohrigkeit und einem guten Schuss Humor angelegt hat, was dem Film insgesamt guttut.

Der Rest ist der übliche Standard: Eine Familie bezieht eine gruselige Abtei, die eher in die Walachei als nach Kastilien passt, und stößt dort auf das Gefängnis eines mächtigen Dämons, der vom Sohn Besitz ergreift. Wie in Friedkins Vorlage ist es auch hier ein Kind, das mit verzerrter Fratze, Latein sprechend und Obszönitäten ausspuckend, gerettet werden muss. Nur die Erbsensuppe bleibt uns erspart.

Obwohl vieles vorhersehbar ist, bleibt der Film spannend. Avery inszeniert mit sicherer Hand, setzt auf die üblichen Jump-Scares und einen über weite Strecken sparsamen Einsatz von CGI-Effekten, kreiert insgesamt aber eine beklemmende Atmosphäre. Amorth und sein Partner, der lokale Priester Tomás Esquibel (Daniel Zovatto), agieren nicht nur als hehre Glaubensstreiter, sondern haben auch mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen. Das Drehbuch von Michael Petroni und Evan Spiliotopoulos bezieht dabei die Vergangenheit Amorths als Partisan im Zweiten Weltkrieg mit ein, versäumt allerdings, diesen Teil inhaltlich mit der Gegenwart zu verknüpfen oder zum Anlass für eine charakterliche Weiterentwicklung zu nehmen. Da hätte man noch viel tiefer in die Figur eintauchen können und müssen, um die Story von den anderen des Genres abzusetzen.

So gerät der Film in der zweiten Hälfte in die übliche Fahrrinne des Exorzisten-Horrors und trumpft zum Ende hin, das einige Parallelen zu Friedkins Adaption aufweist, mit zu vielen Effekten auf. Die finale Schlacht ist viel zu pathetisch und blutig geraten, um sie ernstnehmen zu können, ohne dabei die Spannung signifikant zu erhöhen. Auch die behaupteten Implikationen auf den Papst (Franco Nero) und die Kirche wirken aufgesetzt, während die Aussage, dass die Inquisition eine List des Teufels war, geradezu dreist und unverschämt ist und die Opfer posthum verhöhnt.

Doch abgesehen von diesem Ausrutscher (der vermutlich auf Amorths Aussagen zurückgeht, der auch das Lesen von Harry Potter als satanischen Akt verurteilt hat) ist The Pope’s Exorzist einer der besseren Horrorfilme diesen Jahres.

Note: 3

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Pi Jays Corner und verschlagwortet mit von Pi Jay. Permanenter Link zum Eintrag.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.