Smile – Siehst du es auch?

Als der Film gestartet ist, waren wir gerade in den USA und genossen unsere letzten Tage in La-La-Land. Obwohl wir auch in L.A. fleißige Kinogänger sind, haben wir es nicht mehr geschafft, uns den Horrorfilm anzuschauen, der für Furore und volle Lichtspielhäuser gesorgt hat. In Deutschland waren wir dann mit Jetlag und all den Dingen beschäftigt, die in der Abwesenheit liegengeblieben sind, und irgendwie ist der Film dann bei mir in Vergessenheit geraten.

Seit einem halben Jahr ist er jedoch bei Paramount+ zu sehen, und nun dachte ich mir, passend zu Halloween wird es Zeit, den Hit vom letzten Jahr nachzuholen.

Smile – Siehst du es auch?

Als Kind hat Dr. Rose Cotter (Sosie Bacon) ihre tote Mutter gefunden, die unter einer psychischen Erkrankung litt und sich das Leben genommen hat. Dieses Trauma hat sie nie überwunden. Inzwischen arbeitet sie als Psychologin in einem Krankenhaus und kümmert sich engagiert um Patienten in Not. Eines Tages wird eine junge Frau eingeliefert, die den Selbstmord ihres Professors mitangesehen hat und sich seither von einem übernatürlichen Wesen verfolgt fühlt, das jedwede Gestalt annehmen kann, das man aber immer an seinem unheimlichen Lächeln erkennen kann. Bevor Rose ihr helfen kann, nimmt die Patientin sich das Leben – und kurz darauf fühlt sich auch die Ärztin verfolgt.

Für die Kinos war der Film ein Glücksfall, denn ursprünglich sollte er ausschließlich im Stream gezeigt werden, da die Testscreenings aber außerordentlich gut ankamen, entschied sich das Studio dagegen. Letzten Endes hat der Film weltweit über 200 Millionen und damit ein Vielfaches seiner Produktionskosten eingespielt.

Der Trailer war sehr effektiv und schaffte es, die bedrohliche Atmosphäre des Films wiederzugeben, verriet aber leider auch ein bisschen zu viel von der Handlung. Andererseits gibt es im Horrorgenre schon seit langem nichts Neues mehr unter der Sonne (dem Mond?), also spielt es vermutlich keine Rolle mehr, wie viel man verrät. Die Story erinnert stark an It Follows, in dem ebenfalls eine unheimliche Präsenz in unterschiedlichen Gestalten Jagd auf bestimmte Menschen macht und nur von diesen gesehen werden kann. Dies alles sind im Grunde Variationen einer klassischen Story über eine Heimsuchung. Ob es sich nun um einen Geist oder Dämon handelt, der die Bewohner eines Hauses bedroht, ob man den Namen des Wesens aussprechen, ein Video anschauen oder mit dem Fahrstuhl fahren muss, um es auf den Plan zu rufen, spielt letzten Endes keine Rolle.

Auch sonst verarbeitet Regisseur und Drehbuchautor Parker Finn, der mit dem Film sein Langfilmdebüt gibt, eine Menge Stereotype des Genres. Dadurch ist die gesamte Geschichte arg vorhersehbar, bis hin zum offensichtlichen Ende, das genauso deprimierend ist, wie man es sich von der ersten Minute an vorgestellt hat. Auf der anderen Seite gibt es nur ein oder zwei mögliche alternative Enden, die auch nicht viel besser sind. Es scheint, dass bei diesen Gesetzmäßigkeiten das Gute von Anfang an keine Chance hat.

Zu den bekannten Versatzstücken gehört auch Roses Backstory, die – wie könnte es anders sein – von einem traumatischen Erlebnis überschattet wird. Immerhin gibt es mit Sosie Bacon eine solide Darstellerin, der man die Seelenqualen ohne Weiteres abnimmt und die auch überzeugend die Isolation und zunehmende Hoffnungslosigkeit der Figur vermittelt. Als Zuschauer leidet man mit ihr, fühlt sich ebenfalls isoliert und verzweifelt – und fragt sich, warum sie sich anderen anvertraut und damit riskiert, für verrückt gehalten zu werden, wenn sie als Psychiaterin schon ähnliche obskure Geschichten gehört haben muss. Aber wer sagt denn, dass sich die Figuren in einem Horrorfilm logisch verhalten?

Smile lebt vor allem von seiner bedrückenden Atmosphäre. Obwohl man jede Wendung erahnt, dank des Trailers zu viel weiß und schon früh klar ist, wie das alles enden wird, sind die Szenen mitunter sehr spannend inszeniert. Es gibt einige gelungene Jump-Scares und Überraschungsmomente, allerdings auch eine Menge Ekelhorror, bei dem man (ich zumindest) die Augen verschließen muss. Einige dieser Elemente stammen aus Finns Kurzfilm Laura Hasn’t Slept, auf dem Smile basiert.

Zur gelungenen Wirkung von Smile trägt auch die bisweilen atonale oder mit Soundeffekten durchmischte Musik von Cristobal Tapia de Veer bei, die ebenso wie die defätistische Grundhaltung an die Horrorfilme der Siebziger- und Achtzigerjahre erinnert. Das Gefühl, einem unbarmherzigen Schicksal hilflos ausgeliefert zu sein, wird immer häufiger zum Grundton im zeitgenössischen Horrorfilm, der auf diese Weise gesellschaftliche Ängste widerspiegelt. Es scheint, dass man vor allem in den USA nicht mehr an den Triumph des Guten zu glauben vermag.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.