Malasaña 32 – Haus des Bösen

Vom hohen Norden geht es heute in den Süden Europas. Spanien ist ja seit vielen Jahren so etwas wie das Südkorea unseres Kontinents, eine starke Filmnation, die alle Genres bedient und dabei immer wieder auch jenseits ihrer Grenzen für Furore sorgt.

Manchmal ignoriere ich den IMDb-Wert eines Films (in diesem Fall schlechte 5,5), wenn der Trailer gut aussieht und mich anspricht oder ich einfach Lust auf das Genre habe. In diesem Fall haben tatsächlich der gelungene Trailer und der starke Look des Films den Ausschlag gegeben, und mit rund hundert Minuten ist die spanische Produktion auch nicht übermäßig lang.

Malasaña 32 – Haus des Bösen

1976 zieht eine Familie vom Land in eine Eigentumswohnung in der Stadt. Um sich ihren Traum vom sozialen Aufstieg zu ermöglichen, verkaufen Candela (Bea Segura) und ihr Lebensgefährte Manolo (Iván Marcos) ihren gesamten Besitz und siedeln mit dem kranken Großvater und ihren drei Kindern in die Stadt um, wo sie Arbeit in einer LKW-Fabrik sowie einem Kaufhaus finden. Die einst luxuriöse Wohnung, die ziemlich düster und in schlechtem Zustand ist, hat einer alten Frau gehört, die dort vor vier Jahren verstorben ist. Und kurz nach ihrem Einzug bemerken die neuen Bewohner, dass hier etwas nicht stimmt …

Selbst wenn man bislang nur ein Dutzend Horrorfilme gesehen haben sollte, ist auf den ersten Blick erkennbar, dass die Grundidee nicht sonderlich originell ist: Eine Familie wird mit übernatürlichen Ereignissen in ihrem neuerworbenem Heim konfrontiert? Hat man schon zigfach gesehen. Und die meisten Produktionen dieser Art sind ihr Eintrittsgeld einfach nicht wert.

Immerhin besitzt dieser spanische Film von Regisseur Albert Pintó ein wirklich gelungenes Set-Design, das die Siebzigerjahre perfekt heraufbeschwört. Auch die Atmosphäre in der abgeschiedenen, verwinkelten Wohnung trägt einiges dazu bei, dass man wohlwollend an die Geschichte herangeht. Und in der ersten halben Stunde, in der schon einige gruselige Dinge passiert sind und man sich bereits ein paarmal erschrecken konnte, kommt man als Zuschauer auch voll auf seine Kosten. Sicher, man weiß, dass die tote Vorbesitzerin vermutlich hinter dem Spuk steckt, schließlich verweisen alle Spuren auf sie, aber so lange es spannend und gruselig genug ist, sollte man in Punkto Originalität nicht zu viel verlangen.

Mit dem spurlosen Verschwinden des jüngsten Kindes scheint die Geschichte dann endlich in Schwung zu kommen. Amparo (Begoña Vargas), die auf ihren kleinen Bruder hatte aufpassen sollen, macht sich auf die Suche nach ihm und gerät als erste in Konflikt mit dem wütenden Geist, doch auch ihr Bruder Pepe (Sergio Castellanos) macht in Form mysteriöser Nachrichten Bekanntschaft mit dem Übernatürlichen. Eine Weile fragt man sich, wie diese Ereignisse zusammenhängen – bis es einem dann mehr oder weniger egal ist.

Das Drehbuch von Ramón Campos, Gema R. Neira und David Orea verlässt sich zu sehr auf gruselige Momente und jump scares, mit denen es den Zuschauer einzulullen versucht, und vernachlässigt darüber die Figuren. Dabei gibt es einige interessante Andeutungen, das spurlose Verschwinden von Candelas Ehemann beispielsweise, das seltsamerweise zwar erwähnt, aber nicht weiter thematisiert wird, oder Amparos unglückliche Liebesbeziehung, die durch den Umzug ein Ende gefunden hat. Auch Pepe, der darunter leidet, dass er stottert, ist an sich eine Figur, aus der man mehr hätte herausholen können, genauso wie der kranke Großvater.

Anstatt sich auf diese Geschichten zu stürzen und dem Film eine psychologische Ebene zu verleihen, beschränken sich die Autoren auf ihre Gruselshow, die sich mit der Zeit schnell abnutzt. Erst in der letzten halben Stunde erwachen die Figuren aus ihrer Passivität und suchen Beistand bei einer seltsamen reichen Seniorin und ihrer behinderten, aber medial begabten Tochter. Auch daraus hätte man viel mehr herausholen können, zumal sich parallel endlich die Hintergrundgeschichte der Vorbesitzerin offenbart, die einiges dessen, was man zu wissen glaubte, auf den Kopf stellt, ohne freilich dieses Geheimnis in den Gesamtkontext der Handlung einzubetten oder einen Bezug zu den gewaltigen politischen und sozialen Umwälzungen jener Zeit herzustellen.

Alles in allem ein schön bebilderter, aber unter seinen Möglichkeiten bleibender Gruselfilm. Wenn man Lust auf eine Geistergeschichte hat, ist er aber sicherlich besser als die meisten Filme dieser Art.

Note: 4+

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Pi Jays Corner und verschlagwortet mit von Pi Jay. Permanenter Link zum Eintrag.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.