Von Mitte der Achtziger- bis zum Ende der Neunzigerjahre gehörte Luc Besson zu jenen gefeierten Regisseuren, auf deren neue Filme man immer extrem gespannt war. Doch nach Das fünfte Element schien er in seiner Kreativität nachgelassen zu haben, 2006 kündigte er sogar seinen Ruhestand als Regisseur an, von dem er später aber wieder Abstand nahm. Lucy war 2014 noch ein internationaler Erfolg, allerdings nicht sonderlich originell, während Valerian – Die Stadt der tausend Planeten originell war, aber nicht übermäßig erfolgreich.
Nun hat Besson einen neuen Film am Start, und der Trailer sah gut aus, auch wenn man nicht so genau erkennen konnte, worum es genau in der Geschichte geht. Was natürlich ein Vorteil sein kann, da manche Trailer einfach viel zu viel verraten. Wir haben ihn uns vergangenes Wochenende angesehen.
DogMan
Bei einer Verkehrskontrolle gerät Doug (Caleb Landry Jones) ins Visier der Polizei, trägt der in einer Dragshow auftretende junge Mann nicht nur eine blonde Perücke, sondern auch ein Abendkleid – das mit Blut verschmiert ist. Im Laderaum seines Transporters befinden sich zudem zahlreiche Hunde. Die Psychiaterin Evelyn (Jojo T. Gibbs) wird vom Gericht beauftragt, ein Gutachten zu erstellen, und Doug erzählt ihr von seinem Leben: Als Kind wurde er von seinem Vater (Clemens Schick) schwer misshandelt und in den Hundezwinger gesperrt, und Hunde waren fortan seine einzige Familie.
Es scheint, als wollte Besson mit DogMan zurück zu seinen Wurzeln und ein Drama über einen Außenseiter erzählen, der am Rande der Legalität existiert und mit schweren Problemen zu kämpfen hat und dessen Leben immer von brutaler Gewalt überschattet wurde. Auch die Erzählweise mit einer langen, chronologisch erzählten Rückblende passt zu diesem Ansatz und lässt den Film wie ein Arthausdrama der Neunziger aussehen. Was an sich ja nichts Schlechtes ist.
Die Story ist düster, handelt von schwerem Kindesmissbrauch und Vernachlässigung, dennoch wirken die Szenen aus Dougs Kindheit zu grell, zu plakativ, um den Zuschauer wirklich zu erschüttern. Vielleicht liegt es an der Sprunghaftigkeit der Erzählweise, Besson wechselt ständig zwischen der Gegenwart, dem Gespräch mit der Psychiaterin, und der Vergangenheit, die schlaglichtartig erhellt wird. Dadurch entsteht ein etwas holperiges Erzähltempo.
Man erfährt als Zuschauer auch lange nicht, warum Doug überhaupt festgehalten wurde, sieht zwar, wie die Polizei sein Zuhause durchsucht und dabei auf blutige Spuren stößt, die eine gewaltsame Auseinandersetzung nahe legen, aber die Kamera zeigt lediglich die entsetzten Gesichter der Polizisten, so dass man lange im Dunkeln tappt. Später wird dann der Konflikt mit einer Verbrecherbande vorbereitet, so dass immerhin eine gewisse Erwartungsspannung entsteht. Wer Besson kennt, weiß, dass er für spektakuläre Kampfszenen ein Händchen hat, und freut sich auf ein fulminantes Finale.
Bis dahin muss man sich aber Dougs Lebensgeschichte anhören, die voller Enttäuschungen ist. Als der Junge von der Polizei aus den Händen seines brutalen Vaters befreit wurde, traf eine verirrte Kugel seinen Rücken. Doug sitzt seither im Rollstuhl, weil die Kugel, die nahe am Rückenmark steckt, bei zu viel Bewegung sein Leben beenden könnte. Dieses Damoklesschwert hat beinahe eine poetische, fast schon märchenhafte Note.
Auch mit Dougs Talent für das Dressieren von Hunden verlässt das Buch von Besson den Boden der Realität. Doug behauptet, er müsse den Tieren nur sagen, was er wolle, sie würden unmissverständlich begreifen, was er von ihnen verlangt. Damit erinnert die Figur beinahe an Mogli aus Das Dschungelbuch oder Doktor Dolittle. Diese Fähigkeit erlaubt es Doug, seinen Unterhalt mit raffinierten Einbrüchen zu bestreiten, die seine treuen Vierbeiner ausführen. Das wäre der Stoff für eine charmante Komödie gewesen, hätte Besson sich dafür entschieden, und entbehrt in manchen Szenen auch nicht einer gewissen Komik, kippt aber letzten Endes ebenfalls ins Brutale.
Der Film zerfällt in verschiedene Episoden, Lebensstationen von Doug, die dem Zuschauer allesamt vor Augen führen, dass man wahre Liebe und Treue nur bei Tieren finden kann. Das alles ist nicht schlecht erzählt, vor allem dank der phänomenalen Performance von Caleb Landry Jones, der eine solchen Intensität ausstrahlt, dass man ihm auch dann gebannt zuhören würde, wenn er nur aus dem Telefonbuch vorliest. Auch die Dialoge, früher nie Bessons Stärke, sind großartig, obwohl alle Figuren den gleichen Sprachduktus an den Tag legen.
Eine klare Story sucht man jedoch vergebens, DogMan ist die fiktive Lebensgeschichte eines enttäuschten, aber nicht verbitterten Mannes, der von fast allen Menschen im Stich gelassen wurde, in seinen Hunden aber eine Familie gefunden hat, die unverbrüchlich zu ihm steht. Es scheint aber, als wüsste Besson nicht so recht, was er aus dieser Grundidee machen will. Es ist weder ein lupenreines Arthausdrama noch eine Komödie noch ein Action- oder Gangsterfilm, sondern alles ein bisschen, aber letzten Endes nicht genug. Das ist schade, weil man sich mehr erhofft hatte, dennoch ist es ein sehr sehenswerter Film, nicht zuletzt dank des großartigen Hauptdarstellers.
Note: 3+