The Creator

Als der erste Trailer erschien, fanden ihn sowohl Mark G. als auch ich nur so mittelprächtig. Der zweite, relativ spät herausgekommene Trailer hatte dann endlich den gewünschten Wow-Effekt: atemberaubende Bilder und viele Emotionen. Außerdem muss man es unbedingt unterstützen, wenn mal ein großer Science-Fiction-Film in die Kinos kommt, der nicht auf irgendeiner Vorlage beruht und kein Sequel oder Prequel ist. Also sind wir gleich am Starttag ins Kino gegangen.

The Creator

2064 befinden sich die USA im Krieg gegen die KI, nachdem eine Atombombe L.A. zerstört hat, weil eine Künstliche Intelligenz eine Fehlfunktion hatte. Das Ziel ist, sämtliche KIs zu vernichten, was zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Ländern in Asien führt, in denen Roboter, die teilweise sogar wie Menschen aussehen, gleichberechtigt behandelt werden. Joshua (John David Washington) wurde als Undercoveragent in eine Widerstandsgruppe eingeschleust, um Nirmata, den geheimnisvollen Schöpfer der fortschrittlichsten KI, aufzuspüren. Dabei verliebt er sich in Maya (Gemma Chan) und heiratet sie. Als sie hochschwanger ist, greift eine Spezialeinheit der USA die Gruppe an, und Maya stirbt. Jahre später kontaktiert das US-Militär Joshua erneut, um Nirmata und eine Waffe mit künstlicher Intelligenz zu finden, bevor diese Nomad, das Prestige-Waffensystem der USA, vernichten kann. Als Joshua erfährt, dass Maya noch lebt und bei Nirmata ist, nimmt er den Auftrag an. Doch als er schließlich die Waffe entdeckt, entpuppt diese sich als kleines Robotermädchen (Madeleine Yuna Voyles).

Auf den ersten Blick erscheint die Geschichte recht komplex, was daran liegt, dass Autor und Regisseur Gareth Edwards, der das Buch zusammen mit Chris Weitz geschrieben hat, den Zuschauer gleich zu Beginn mit zahllosen Informationen bombardiert. Man erfährt in einem Nachrichten-Zusammenschnitt von der schrittweisen Entwicklung der Künstlichen Intelligenz, der Zerstörung L.A.s bis hin zum Krieg in Asien. Dann wird man mitten hineingeworfen in Joshuas Undercovereinsatz, der durch eine militärische Operation beendet wird, bevor er Erfolg hat.

Im Nachhinein versteht man, warum diese Backstory wichtig ist und wie komplex sie über das bereits Gezeigte hinaus noch ist, denn Joshuas Mission enthält noch weitere Aspekte, die erst später enthüllt werden. Aber im Grunde ist das alles nicht so wichtig, denn die eigentliche Geschichte ist simpel und handelt von Joshuas Suche nach Maya, auf der er an ein Roboterkind gerät, das einerseits gefährlicher ist als jede bekannte Waffe, weil sie mittels „Gedankenkraft“ elektronische Geräte manipulieren kann, das sich aber andererseits wie ein kleines Kind verhält, das neugierig, offen und vertrauensvoll in die Welt blickt und in Joshua bald eine Vaterfigur erkennt.

Weil Joshua kein Herz aus Stein hat, widersetzt er sich den Befehlen seiner Vorgesetzten (Allison Janney), die daraufhin Jagd auf ihn macht. Gleichzeitig sind auch Nirmatas Leute hinter ihnen her, weil Joshua ihre wichtigste Waffe entführt hat, und da alles in Asien spielt, stehen Polizei und Militär auf Seiten der KI. Daraus entwickelt sich eine spannende Flucht, auf der Joshua nach alten und neuen Verbündeten sucht.

Das Worldbuilding des Films ist das größte Pfund, mit dem er wuchern kann. Das Design der Roboter ist toll gemacht, die Kulissen mit ihren monströsen Bauten sind atemberaubend, und sogar die Waffen wie Nomad sehen richtig cool aus. Hinzukommt eine exotische Landschaft, die eine schöne Abwechslung zu den zahlreichen eher kargen Wüstengegenden anderer Science-Fiction-Filme darstellt.

Bereits in Westworld (in der Serie noch mehr als in den Filmen) wurde der philosophischen Tragweite von Künstlicher Intelligenz nachgespürt und wurden Fragen nach der Menschlichkeit von Maschinen gestellt. Können Roboter trauern oder lieben? Die Antwort, die Edwards hier gibt, ist ein klares Ja. Seine Roboter sind beinahe menschlicher als ihre militärischen Gegenspieler, die eiskalt und mit skrupelloser Effizienz alles daransetzen, ihre erklärten Feinde zu zerstören.

Der Brite Edwards seziert hier die Überheblichkeit und Verlogenheit amerikanischer Politik, die unter dem Deckmantel der Rechtschaffenheit rücksichtslos Krieg führt. Teilweise wird man an den Irak-Krieg erinnert, vor allem aber an Vietnam. Immerhin am Rande werden einige Demonstranten erwähnt, die gegen diese Aggression auf die Straße gehen, zu sehen sind aber ausschließlich die Vertreter des militärisch-industriellen Komplexes, das heißt, alte Weiße (meist Männer) in Uniformen.

Im Gegensatz dazu sind Roboter wahre Lichtgestalten, gütig, mitfühlend und fromm. Nicht wenige von ihnen haben sich dem Buddhismus verschrieben, glauben an Wiedergeburt und Karma und gebären sich wie tibetische Mönche, die sich mit passivem Widerstand gegen feindliche Aggressoren zur Wehr setzen. Man fühlt sich an den Einmarsch der chinesischen Armee in Tibet erinnert, wenn am Ende das friedliche Dorf, in dem sich Nirmata befindet, von den Amerikanern angegriffen wird.

Die Geschichte selbst ist sehr vorhersehbar, fast so, als wäre sie von einer KI geschrieben worden. Man weiß schon lange im Voraus, was passieren wird, und bis zum Abspann gibt es auch keinerlei Überraschung. Auch ist die Erzählökonomie nicht ganz stimmig. Gerade zu Beginn nimmt sich Edwards etwas zu viel Zeit mit der Flucht der beiden Helden, die er zudem nicht sinnvoll nutzt, um sie stärker aneinander (und an den Zuschauer) zu binden, um zum Schluss dann durch die finalen Szenen zu hetzen. So ist Joshuas Beziehung zum Robotermädchen, das er Alfie nennt, bisschen zu lange unterkühlt und am Ende dann etwas zu schnell zu emotional (was dem „großen Geheimnis“ geschuldet ist, das jeder Zuschauer freilich von Anfang an durchschaut). Gerade das recht pathetische Ende hätte in seiner Emotionalität besser vorbereitet werden müssen, funktioniert aber gut, selbst wenn es dem Zuschauer keine Tränen in die Augen treibt.

Ansonsten fühlt man sich an viele Filme erinnert, die man kennt und liebt. Ein bisschen ist The Creator wie Terminator, Star Wars (mit Nomad als Todesstern) oder Spielbergs A.I.: Künstliche Intelligenz. So schön es auch ist, einen Originalfilm zu sehen, etwas mehr Originalität hätte ihm nicht geschadet. Deshalb bleibt am Ende trotz aller beeindruckenden Bilder und spannender Action ein leicht unbefriedigendes Gefühl zurück. Der Eindruck, dass dies schon ziemlich gut war, aber noch viel besser hätte sein können. Ein Gefühl, das man in letzter Zeit leider viel zu häufig im Kino verspürt hat.

Note: 2-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.