Früher war mehr Lametta!

Wenn man älter wird und in Erinnerungen schwelgt, läuft man schnell Gefahr, sich in jene nörgelnde Zeitgenossen zu verwandeln, für die früher einfach alles besser war. Das gilt übrigens schon für Zwanzigjährige, die auf ihre Kindergartenzeit zurückblicken, und ist vermutlich ziemlich menschlich. Als ich mir heute das Fernsehprogramm für die Weihnachtsfeiertage angesehen habe, war auch mein erster Gedanke: Früher war alles besser. Oder um es mit Opa Hoppenstedt alias Loriot zu sagen: „Früher war mehr Lametta!“

Lametta, das sollte man den jüngeren Lesern vielleicht erklären, war über Jahrzehnte ein kaum wegzudenkender Christbaumschmuck aus Stanniol. Da es Blei enthält, ist es nicht gerade umweltverträglich und wurde, als in den Achtzigern das grüne Gewissen erwachte, aus den deutschen Wohnstuben weitgehend verbannt. Handel und Benutzung sind bis heute zwar nicht verboten worden (es könnte aber irgendwann ein großes Thema in der EU werden, sobald sie mit den Glühbirnen und Schokozigaretten durch sind), aber niemand, der auch nur ansatzweise darüber nachdenkt, die Grünen zu wählen, würde es wagen, sich mit Lametta an seinem Baum erwischen zu lassen.

Es begab sich nun aber zu der Zeit, als man noch Lametta verwendete, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen Sender an den hohen Feiertagen gegenseitig mit einem besonders attraktiven Programm Konkurrenz machten. Die erfolgreichsten und beliebtesten Kinofilme des Vorjahres wurden heimlich eingekauft und den Zuschauern an den beiden Weihnachtsfeiertagen wie Weihrauch, Myrrhe und Gold kredenzt. (Nur Heiligabend lief schon damals nichts Vernünftiges, weil alle mit dem Auspacken ihrer Geschenke beschäftigt waren). Es war eine schwere Entscheidung, was man sich anschauen sollte, und erst die Einführung des Videorekorders brachte eine spürbare Erleichterung.

Und als Zuckerstange obendrauf gab es im ZDF noch einen aufwändig produzierten Mehrteiler, der bis Silvester täglich im Vorabendprogramm lief: Tim Thaler, Silas, Jack Holborn oder Patrick Pacard gab es für die Jungen, für die Mädels Nesthäkchen oder Anna, um nur mal die bekanntesten zu nennen. Irgendwann in den Neunzigern wurde diese Tradition dann leider abgeschafft.

Vielleicht sind die Privatsender schuld, weil sie Weihnachten lauter Action- und Horrorfilme gezeigt haben, vielleicht liegt es auch daran, dass ARD und ZDF nur noch Seniorensender sind, die mit den eingekauften Filmen nichts Besseres anzufangen wissen, als sie um Mitternacht auszustrahlen. In diesem Jahr scheint aber definitiv der Tiefpunkt erreicht zu sein.

Entweder es laufen nur Märchenfilme (Drei Haselnüsse für Aschenbrödel allein drei Mal an Heiligabend, ansonsten deutsche Billigproduktionen) oder Streifen, die man schon so oft gesehen hat, dass man die Dialoge mitsprechen kann. Indiana Jones zum Beispiel, allerdings kein einziger Stirb Langsam, obwohl mindestens einer einen Weihnachtsbezug hat und bereits als Festtags-Klassiker gilt. Nicht einmal die Sissi-Trilogie läuft.

Lediglich Die Schlümpfe, Der gestiefelte Kater und Cowboys & Aliens sind etwas jüngeren Datums, aber ARD und ZDF verschrecken mit Musikshows und Specials zu ihren Serienhits konsequent jeden Zuschauer unter 55 Jahren. Als wären die Singles an diesen Tagen nicht ohnehin schon depressiv…

Viel besser ist das Programm in den Tagen davor allerdings auch nicht. So sah ich aus Mangel an Alternativen vergangenen Sonntag:

Die Chroniken von Narnia – Die Reise auf der Morgenröte

Während ihre älteren Geschwister in die USA reisen durften, müssen Lucy (Georgie Henley) und Edmund (Skandar Keynes) bei einem Onkel in England bleiben. Edmund würde am liebsten als Soldat in den Zweiten Weltkrieg ziehen, ist aber zu jung. Und obendrein nervt sie ihr besserwisserischer Cousin Eustace (Will Poulter), der ihre Abenteuer in Narnia für Ausgeburten ihrer kindlichen Fantasie hält. Bis die drei eines Tages durch ein geheimnisvolles Gemälde direkt in den Ozean von Narnia plumpsen. Dort begegnen sie Prinz Kaspian (Ben Barnes) wieder, der auf einer Mission unterwegs ist: Er sucht sieben legendäre Lords, die von einem bösartigen grünen Nebel gefangen gehalten werden…

Im Gegensatz zu den Tolkien-Büchern sind die Geschichten aus Narnia nicht besonders gut gealtert. Selbst behutsame Modernisierungen und teure Spezialeffekte können daran nichts ändern, und so dümpelt die Schnitzeljagd auf hoher See auch relativ ereignislos vor sich hin. Hin und wieder gibt es ein paar flotte Kämpfe, und die sprechende Ratte Reepicheep und der beschränkte Cousin sind auch für den einen oder anderen Schmunzler gut. Ein grüner Nebel macht als „Bösewicht“ allerdings nicht viel her, auch wenn er gelegentlich die Gestalt der von Tilda Swinton gespielten bösen Hexe aus dem ersten Teil annimmt. Die Schauwerte sind jedoch toll, die Bilder fantasiereich, nur das Ende ist wieder einmal arg mystisch geraten.

Alles in allem ordentliche Mittelware für die Weihnachtszeit.

Note: 3-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.