Mit Blick aufs Meer

Liegt es an mir und dem Mangel an Sport, oder sind die Hoteltüren in den USA wirklich schwerer als im Rest der Welt? Die Zimmermädchen müssen einen Bizeps wie Schwarzenegger in seinen besten Jahren haben, und ich habe sogar kurz überlegt, die Tür zehnmal auf und wieder zuzumachen, um einen Ersatz für mein Hanteltraining zu haben. Der weitaus größere Nachteil besteht jedoch darin, dass jeder Zimmernachbar, der in der Nacht spät ins Hotel zurückkehrt, die gesamte Etage weckt, wenn er seine Tür zuknallen lässt. Sogar die Wände wackeln dann.

Unser zweiter Tag im Big Easy begann mit Besorgungen. Zuerst mussten wir einen Optiker suchen, weil jemand bereits zum dritten Mal seine Brille beschädigt hat (jedes Mal an einer anderen Stelle), und weil der Laden in einer Mall lag, sind wir noch ein wenig bummeln gegangen. Es ist sowieso viel zu heiß, um lange durch die Straßen zu laufen. Nach einer kleinen Shoppingtour – der Rest der Gruppe war zu einer Sumpftour aufgebrochen, die wir bereits vor fünf Jahren gemacht hatten – ging es nochmal kurz ins Hotel, um uns frisch zu machen. Leider sind wir immer noch ein wenig erschöpft von unserer Erkrankung, weshalb ein kleines Mittagsschläfchen notwendig war.

Tja, und dann fing es wieder an zu gewittern. Schuld ist möglicherweise der Hurrikan Idalia, der gerade auf Florida zusteuert, wohin auch wir morgen fahren werden. Mal sehen, wer zuerst ankommt. In New Orleans hat es den ganzen Nachmittag geregnet, weshalb ich nicht mehr zu einem letzten Spaziergang gekommen bin. Dafür waren wir am Abend noch einmal landestypisch essen. Inzwischen weiß ich, dass die kreolische Küche vor allem in New Orleans beheimatet ist, während sich die Cajunküche westlich von hier entwickelt hat, dass die einen gerne mit Tomaten kochen, die anderen eher nicht. Natürlich gibt es inzwischen viele Überschneidungen und Mischformen, aber gut gewürzt ist das Essen überall.

Ausgerechnet auf der Bourbon Street, die auch an diesem Tag mit den leeren Clubs und wenigen Nachtschwärmern einen eher traurigen Anblick bot, fanden wir ein Restaurant mit Cajun-Küche: Nola Cookery. Wie in den meisten Lokalen gab es auch hier Probleme mit dem Service, so dass wir relativ lange warten mussten, aber das Essen war ausgezeichnet. Wir starteten mit Cajun Fries, die an das kanadische Poutine erinnerten, wurden sie doch mit Käse und einer sämigen Sauce, die mit Crawfishstücken angereichert war, serviert. Anschließend hatten wir beide ein Blackened-Gericht, also ein scharf angebratenes, aber dennoch ungemein zartes Stück Filet mit rauchigen Röstaromen. Für mich gab es Fisch, Mark G. hatte das Hühnchen, andere am Tisch versuchten sich an Aligatorwurst. Zu unseren Mahlzeiten gab es noch Red Beans und den typischen Blattkohl, Collard Green, der mich an den westfälischen Grünkohl erinnerte und recht pikant gewürzt war (wenn ich mich nicht geirrt habe, hatte er sogar eine leichte Dillnote).

Nach dem Essen marschierten wir noch zu einem Jazzclub in der Frenchmen Street, wo eher die Einheimischen zu finden sind – und weit weniger Betrunkene als im French Quarter. Im Vergleich zur Bourbon Street sind die Straßen ruhiger und sauberer, die Menschen gesitteter, es gibt weniger bis keine Obdachlose und vor allem keine unangenehmen Gerüche. Die Häuser sind schöner, an den Wänden prangen hübsche Graffitis, und auch die Musik war besser. Irgendwie sah sogar der Vollmond romantischer aus, aber das sollte besser niemand Sting verraten. Hätten wir das nur schon vorher gewusst …

Am nächsten Morgen ging es schon recht früh weiter nach Florida. Idalia hat das Wettrennen allerdings knapp gewonnen und für zahlreiche überflutete Landstriche gesorgt. Wir haben zum Glück nur ihren Ausläufer mitbekommen, in Form von Starkregen an unserem Zielort Panama City Beach, der damit wirbt, die schönsten Strände der Welt zu besitzen. Bis Sonntag haben wir eine Wohnung in einer Ferienanlage gemietet, direkt am Strand und mit einem fantastischen Blick aufs Meer (s. erstes Foto). Da wir hier vor allem faulenzen, schwimmen und spazieren gehen werden, spare ich mir einen allzu detaillierten Bericht.

Für jene, die es interessiert, erwähne ich aber einige unserer kulinarischen Exkursionen. Gleich am ersten Abend, nachdem wir uns eingerichtet hatten, waren wir in der Honduras Kitchen, um uns mit Enchiladas, die wie mexikanische Tostadas aussahen, einem vorzüglich gewürzten Hähnchenbrustfilet und Pupusas, die eigentlich salvadorianisch sind, verwöhnen zu lassen. Obwohl das Essen sehr gut war, hatte das Restaurant (eigentlich eher ein Imbiss mit Sitzgelegenheiten) eine schlechte Bewertung. Der Grund waren die langen Wartezeiten: Von unserer Ankunft bis zum Eintreffen des Essen vergingen 50 Minuten, obwohl nicht viel los war. Aber, wie gesagt, der Servicemangel stellt nach wie vor überall in den USA ein großes Problem dar.

Der zweite Tag begann wie im Paradies: Die Sonne strahlte von einem mit malerischen Wolken behangenen Himmel auf ein aufgewühltes Meer, das in zahllosen Blau- und Grünschattierungen schimmerte. Und gerade, als wir dachten, es kann gar nicht besser werden, schwammen drei Delphine vorbei. Nach dem Frühstück ging es dann zum Strand, der so früh noch nahezu leer war. Leider durfte man nicht weit hinausschwimmen, da die Strömung wegen des vorbeigezogenen Hurrikans immer noch sehr stark war, aber das Planschen in der Brandung hat auch viel Spaß gemacht. Das Wasser ist nicht besonders tief, selbst zwanzig bis dreißig Meter vom Ufer entfernt reicht es mir höchstens bis zur Brust, und überraschend warm. Am Nachmittag, während unserer zweiten Runde, hatte es sogar fast Körpertemperatur. Dazwischen waren wir noch am Pool, der über mehr Schatten verfügt als der Strand, und hier konnte man sogar richtig schwimmen (keine Selbstverständlichkeit, wenn man schon mal in Las Vegas war und die flachen Becken in den Hotels kennt).

So viele Freizeitaktivitäten machen natürlich hungrig, weshalb wir am Abend einen Abstecher zum Back Beach Barbeque gemacht haben. Gegrillt wurde allerdings nicht im Hinterhof, sondern vorne auf dem Parkplatz, und schon bei unserer Ankunft duftete es verführerisch. Der Imbiss ist bei den Einheimischen enorm beliebt, und wenn sie ausverkauft sind, machen sie zu. Wir waren zum Glück früh genug, um noch die freie Auswahl zu haben: Leckere Rippchen (die vielleicht besten, die ich je gegessen habe), eine Backkartoffel, Chili und Kartoffelsalat wanderten auf unser Tablett sowie ein gegrilltes Käsesandwich für den Vegetarier (der hier in den Südstaaten nur selten auf seine Kosten kommt). Dazu gab es Ananas-Limonade, vermutlich so ein Hipstergesöff, da ich die Marke noch nie gesehen hatte, aber gar nicht mal schlecht.

Der Sonnenuntergang ereignet sich hier bereits um kurz nach sieben Uhr, viel zu früh für meinen Geschmack, aber spektakulär. Wenn es nicht gerade anfängt zu regnen …

Der Freitag war unser zweiter Strandtag, und der Wetterbericht war leider alles andere als optimistisch. Doch überraschenderweise schien am Morgen noch die Sonne, weshalb wir nach dem Frühstück erneut an den Strand gingen. Doch am Horizont braute sich etwas zusammen, Blitze zuckten ins Meer, und nach einer Weile fing es an zu regnen. Immerhin konnten wir vorher noch ein bisschen schwimmen, und zu viel Sonne ist ohnehin nicht gesund. Der Sonnenbrand auf unseren Schultern ist der beste Beweis dafür. Daher geht es jetzt nur noch mit T-Shirt und Hut ins Wasser. Ob man hier wohl Burkinis kaufen kann?

Am Abend haben wir eine lokale Kette getestet, die ein bisschen an Islands erinnert: Amerikanisches Essen, ein bisschen Tex Mex und ein paar Südstaatengerichte standen auf der Karte. Eigentlich hatten wir zu einem Mexikaner gehen wollen, aber nach dem Einkaufen regnete es stark, und das Lokal lag praktischerweise gleich gegenüber. Belohnt wurden wir mit erstaunlich leckeren Wraps und Sliders als Vorspeise, gefolgt von Fajitas und einem Burger mit „Spezialsauce“, die ein bisschen nichtssagend war. Alles in allem solide, aber nicht aufregend. Als wir danach wieder ins Freie traten, war es, als wären wir in einer Sauna und jemand hätte einen frischen Aufguss gemacht. Es war so heiß und dampfig, dass sogar die Brillengläser beschlugen.

entspannt am Strand

Der Samstag war eine relativ exakte Kopie des Freitags, nur mit dem Unterschied, dass die Temperaturen endlich auf ein erträgliches Maß gefallen waren und es auch nicht mehr so schwül war. Wenn das so bleiben sollte, holen Floridianer vermutlich in wenigen Tagen ihre Winterjacken raus. Immerhin das Wasser war noch immer schön warm (definitiv wärmer als die Luft), dafür herrschte eine so starke Strömung, dass man selbst mit größter Kraftanstrengung beim Schwimmen abgedriftet ist.

Es ist das Labor-Day-Wochenende, mit dem offiziell der Sommer in den USA endet, und entsprechend füllte sich der Strand. Da er jedoch nahezu ausschließlich von den Bewohnern und Gästen der Ferienanlage frequentiert wird, gibt es immer noch jede Menge Platz. Kein Vergleich mit europäischen Stränden in der Hochsaison. Alles in allem hat es uns sehr gut gefallen, ebenso wie vor fünf Jahren, als wir schon einmal hier waren.

Am Abend haben wir noch einmal am Back Beach Barbeque Halt gemacht und diesmal Beef Rippchen (nicht so gut wie die Schweinevariante) und gebackene Kartoffeln gegessen. So fleischlastig wie das Essen hier in den USA ist, wird es in Deutschland mindestens eine Woche lang nur Salat und Gemüse geben. Aber wenn in Rom …

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. und Pi Jay in La-La-Land 2023 von Pi Jay. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.