Nach einer angenehmen Nacht ohne Klimaanlage, die ungefähr so laut wie ein Flugzeugtriebwerk ist, starteten wir erfrischt in den neuen Tag. Okay, manche von uns waren immer noch krank, und wir fühlten uns ebenfalls noch etwas schlapp, aber wir wollten auch die Stadt erkunden. Zuerst machten wir einen Ausflug zum Friedhof Lafayette No. 2, da die Nummer 1 gerade wegen Renovierung geschlossen ist.
Leider ist die drittbeliebteste Ruhestätte nicht ganz so hübsch wie die beiden Erstplatzierten (St. Louis Cemetery, die eigentliche Nummer Eins, nicht dem Namen, sondern der Rangfolge nach, ist nur mit einer Führung zu besichtigen). Viele Gräber sind aufgelassen, Unkraut wuchert in den Mauerrissen, und die Mausoleen des 19. Jahrhunderts werden weitgehend dem Verfall anheimgegeben. Anscheinend hat die Stadt nicht das Geld, ihre Geschichte zu bewahren.
Die Fahrt mit der Straßenbahn war jedoch erneut ein Erlebnis. Ein sehr lautes, aber definitiv ein Erlebnis. Der Fahrer hatte alle Fenster und sogar die Windschutzscheibe heruntergelassen, so dass eine angenehme Brise durch das Fahrzeug strich, und von unserem Fensterplatz aus hatte man eine gute Sicht auf die hübschen alten Holzhäuser. Nicht ganz wie Cabriofahren, aber dicht dran, nur mit Holzbänken und mehr Fahrgästen.
Vom Friedhof ging es dann zum French Market, einer großen Verkaufshalle mit zahlreichen Ständen, an denen vor allem Kleidung und Schmuck verkauft wird, aber auch jede Menge Essen. Wir hatten Appetit auf was Süßes und wollten den Beignets noch eine Chance geben. Vor fünf Jahren waren wir von den zu fettigen, trockenen Südstaaten-Krapfen ziemlich enttäuscht, aber diesmal hatten wir uns vorbereitet: Loretta’s soll angeblich die besten Beignets der Stadt haben, manche sogar mit einer herzhaften Füllung aus Crawfish, aber so mutig waren wir dann doch nicht. Stattdessen haben wir welche mit Pralines, einer mit Pecannussstückchen angereicherten Karamellcreme, gefüllte Beignets probiert, die zwar unglaublich süß, aber auch verdammt lecker waren.
Überall in der Stadt sieht man Shops, die mit Pralines werben, und wirklich jeder davon behauptet, die besten zu verkaufen. Mein erster Gedanke war, dass die Leute verrückt sein müssen, bei dieser Hitze Pralinen mit sich herumzutragen, bis wir auf dem Markt welche entdeckt haben und diese gar nicht aussahen wie unsere Pralinen. Tatsächlich sind Pralines oder Pralinières keine schokolierten Kalorienbomben, sondern eine gekochte Mischung aus Nüssen (häufig Pecannüssen), Zucker und Vanille. Unsere Peanut Praline war mürbe wie ein Keks und mit Erdnüssen in einer Art Karamell bedeckt. Es gibt wahrscheinlich unzählige Variationen davon, und alle sind unglaublich süß und mächtig. Aber soooo gut.
Danach waren wir noch einige Zeit im French Quarter unterwegs, um New Orleans auf uns wirken zu lassen. Die Straßen und Gehwege kommen uns ein wenig ordentlicher vor als vor fünf Jahren, dafür noch verfallener. Im Asphalt klaffen riesige Schlaglöcher, und der Gehweg ist uneben und voller Stolperfallen. Man muss den Blick fest auf den Boden richten, um nicht über eine zerschmetterte Bodenplatte zu fallen oder in einen offenen Schacht zu stürzen, was schade ist, denn der Blick nach oben ist immer noch spektakulär. Schmiedeeiserne Balkone, reichverzierte Fassaden und üppiger Blumenschmuck, die Einwohner geben sich Mühe, ihre Häuser herauszuputzen.
Ich habe auch das Gefühl, dass es weniger Obdachlose gibt. Natürlich sieht man sie immer noch an jeder Ecke, unter den Brücken gibt es kleine Zeltsiedlungen, und in der Innenstadt sitzen viele Bettler an den Straßenrändern. Aber es liegen weniger Menschen mitten auf dem Gehweg oder in den Hauseingängen. Dafür waren manche von ihnen erstaunlich gut gekleidet. Ein Mann mit Anzugshose, Hemd und Aktentasche fiel mir auf, der sich zum Schlafen auf den Marmorsockel einer Bankfassade gelegt hatte. Ein Angestellter mit Narkolepsie? Ein Betrunkener?
Ein paar Stunden später hätte ich mich glatt danebenlegen können. Die Hitze hatte mich geschafft, obwohl es etwas kühler war als am Vortag und vor allem bewölkt. Wir sind daher zurück ins Hotel, um uns ein wenig auszuruhen, und die nächste Stunde lag ich wie im Koma, eine der vielen New Orleans-Leichen.
Am späten Nachmittag ging dann ein heftiges Gewitter mit sintflutartigen Regenfällen über die Stadt nieder und machte unsere weiteren Pläne bis zum Abendessen zunichte. Gleich in der Nähe unseres Hotels war jedoch ein weiteres Restaurant mit ausgezeichneter kreolischer Küche, das Creole House. Als Vorspeise haben Mark G. und ich uns ein vorzügliches Gumbo geteilt, das eine nette Rauchnote hatte. Beim Hauptgericht gingen wir dann getrennte Wege. Für Mark gab es Shrimps and Grits, die er heiß und innig liebt, für mich ein Po’Boy, eines der beiden berühmten Sandwiches. Das andere heißt Muffaletta und ist mit einem Olivensalat belegt, was so ziemlich das Ekelhafteste ist, was ein Koch sich einfallen lassen kann (ja, ich weiß, Geschmäcker sind verschieden). Mein armer Junge war mit knusperigen Shrimps, Tomaten und Salat belegt und kam in einem (etwas trockenen) Baguette daher, das nicht komplett durchgeschnitten und daher kein Sandwich war (okay, auch dieser Witz wird langsam etwas alt). Dazu gab es die vielleicht besten Pommes frites, die ich je gegessen habe. Alles in allem ein zufriedenstellendes Mahl und mit der Alibi-Salatzulage kann ich mir sogar einbilden, dass es ansatzweise gesund war.
Den restlichen Abend wollten wir eigentlich wieder im Café Beignet ausklingen lassen, aber das heutige Konzert fiel wegen des Regens aus. Auch die Bourbon Street war wie ausgestorben, und da es immer noch leicht geregnet hat, sind wir wieder zurück ins Hotel. Man kann ja nicht jeden Abend Party machen …