Kartoffelpüree und der König von Preußen

Nachdem wir in Philadelphia schon einiges über den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gelernt hatten (hüstel), wollten wir unsere Erkenntnisse weiter vertiefen und steuerten am nächsten Morgen den Valley Forge National Park an. Hier hatte die Armee unter George Washington im Winter 1777/78 ihr Hauptquartier aufgeschlagen, was den Ort damals zum viertgrößten in den USA machte. Über 1500 Blockhütten beherbergten rund zwölftausend Mann, und Schautafeln sowie einige Möbelstücke veranschaulichen sehr gut, wie das Leben hier einmal ausgesehen hat. Komfortabel war es eher nicht.

Wir sind ein wenig mit dem Auto auf dem 1400 Hektar großen Gelände herumgefahren, haben einen recht hässlichen Triumphbogen und einige Denkmäler gesehen und zuletzt das Haus besichtigt, in dem Washington untergebracht war.

In der Nähe befindet sich der Ort King of Prussia, was wie der Name eines Wirtshauses klingt und es tatsächlich auch einmal war. Das nach Friedrich dem Großen benannte King of Prussia Inn war im 18. Jahrhundert eine bekannte Landmarke in der Umgebung von Philadelphia und wurde Namenspate der Stadt. Heute ist sie vor allem bekannt, weil hier das Hauptquartier der Baptisten angesiedelt ist sowie die fünftgrößte Mall der USA. Wir haben eine Stunde lang die Geschäfte durchstöbert und ein paar T-Shirts gekauft – schließlich ist unser Verbrauch durch die Hitze deutlich angestiegen. Die Mall selbst ist schon ein bisschen in die Jahre gekommen, und an einem Dienstagnachmittag war auch nicht viel los, obwohl es immerhin einen Anreiz für einen Einkaufsbummel gibt, denn hier zahlt man keine Verkaufssteuer.

Vor vielen Jahren hat Mark G. auf seinen Reisen durchs Land zweimal bei den Amish gegessen und schwärmt noch heute davon. Daher stand auf seinem Wunschzettel ein Besuch in einem typischen Restaurant der protestantischen Glaubensgemeinschaft. Im idyllischen Lancaster County, in dem diese unter anderem beheimatet ist, wurden wir schnell fündig: Dienner’s Country (Buffet) Restaurant überzeugt mit amerikanischer Küche, in die sich einige deutsche Einflüsse geschlichen haben. So gab es beispielsweise eine Art von Gulasch, das sehr schmackhaft war, aber auch die anderen Gerichte wie die Hühnersuppe, das Backhähnchen oder das Kartoffelpüree waren exzellent zubereitet. Keine raffinierte Sterneküche, sondern sehr bodenständige Hausmannskost mit frischen, regionalen Zutaten, liebevoll zubereitet von den Damen des Ortes in der Tracht der Amish. Großartig waren vor allem die Desserts, die allesamt nicht so süß waren wie man das sonst in den USA kennt. Die Pies haben gut geschmeckt, noch besser waren aber die diversen Kuchen und Cremes, die man am Buffet finden konnte: Ambrosia, Oreo-Creme, ein Schoko-Apfelmus- sowie ein Kirschkuchen waren meine Favoriten. Ich glaube, ich habe an diesem Tag sämtliche Nachspeisen des gesamten Urlaubs verputzt.

Die Fahrt durch das Land der Amischen war auf jeden Fall sehr abwechslungsreich. Es gibt viele kleine, ungemein proppere Bilderbuchstädte, pittoreske Farmen mit breiten Veranden und immer wieder Kutschen auf den Straßen. Wir haben sogar einen Farmer beobachtet, der mit Pferd und einer altertümlichen Erntemaschine Mais geschnitten hat. In Lancaster waren wir anschließend noch auf einem Wochenmarkt, der in einer alten Halle stattfindet, aber nur noch wenige Minuten geöffnet hatte, als wir gerade eintrafen.

Ursprünglich hatten wir noch einen Stopp in Gettysburg eingeplant und schon alle Lincolns berühmte Rede auswendig gelernt. Aber wenn man mit sieben Leuten unterwegs ist, kommt es unweigerlich zu Verzögerungen, und wir wurden zudem von der Familie in Washington erwartet. Daher sind wir ohne Umschweife gleich weitergefahren und kamen am frühen Abend in der Hauptstadt an.

Zusammen mit zwei weiteren Cousins und ihren Familien, die hier leben, waren wir in The Roost verabredet, einer Art Imbisshalle mit einer Handvoll unterschiedlicher Küchen aus aller Welt. Man setzt sich an einen der vielen Tische, scannt einen QR-Code und hat Zugriff auf die diversen Speisekarten, die nach Nationalküchen sortiert sind. Dann wählt man aus, was man essen und trinken möchte, bestellt, und wenige Minuten später wird es an den Tisch gebracht. Auf diese Weise kann man ein Stück Pizza mit einem Taco, Sushi und chinesischen Dumplings essen, ohne dafür verschiedene Restaurants aufsuchen zu müssen. Blöd war nur, dass ich keinen Hunger hatte, dafür aber Halsschmerzen, und auf allen Speisekarten aus aller Herren Länder gab es nicht eine einzige Suppe. Oder heißen Tee. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass ich als Teetrinker im Osten des Landes stärker diskriminiert werde als im Westen, aber ich will mich nicht beklagen. Andererseits … Wie kann man Sushi verkaufen, aber keinen grünen Tee?

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. und Pi Jay in La-La-Land 2023 von Pi Jay. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.